Das Bild zeigt eine zweigeteilte Person mit verschränkten Armen in Büro-Kleidung. Links ein Mann mit Hosenträgern und Fliege, rechts eine Frau mit Zopf und Bluse. Zu sehen ist jeweils nur der Oberkörper, vom Kiinn bis zum Ellbogen.
/ 20. Februar 2024

Gute Nachrichten: Wenn es in diesem Tempo weitergeht, dann haben wir schon 2321 gerechte Löhne. Nicht einmal mehr 300 Jahre! Bis dahin dürfen wir noch den Equal Pay Day “feiern”: Die ersten 45 Tage arbeiten Frauen – im Vergleich zu Männern – gratis.

Frauen bekommen weniger Geld als Männer. Auch, wenn sie den gleichen Job machen. Auch, wenn man das Gehalt auf Vollzeit hochrechnet. Das ist nach gefühlt zehntausend Debatten gesickert. Dank Equal Pay Day. Jetzt gibt es ein neues Beschwichtigungsinstrument für alle, die den EPD – und damit die Diskriminierung am Arbeitsmarkt – klein reden wollen. Die Familiensituation! Das Kinderkriegen sei eben schuld.

Jetzt ist es erstens bemerkenswert, dass die meisten Frauen ihre Kinder nicht allein kriegen – aber die Nachteile im Beruf allein spüren. 

Noch immer fehlen Kinderbetreuungsplätze; noch immer haben die, die es gibt, nicht lange genug offen. Und natürlich die alten Rollenbilder. Diese bittere Melange drückt Mütter massenhaft in die Teilzeit. Weniger Stunden, weniger Lohn – das leuchtet ein. 

Aber Gehaltsunterschiede nach Geschlecht lassen sich auch dort nachweisen, wo von Kindern noch keine Spur ist. Die Statistik Austria untersucht die Einkommenssituation von Master-Absolvent:innen nach der Uni: Und schon 18 Monate nach dem Abschluss geht ein Krater auf: Frauen bekommen bei den Ingenieur:innen und im Baugewerbe 17 Prozent weniger; in den Geisteswissenschaften immer noch fast 7 Prozent.

Eine Frau mit Masterabschluss in Ingenieur:innenwesen verdient drei Jahre nach Berufseinstieg sogar elf Prozent weniger als ein Mann mit dem niedrigeren Bachelor-Abschluss des gleichen Fachs.

Frauen bekommen für genau die gleiche Arbeit mitunter also deutlich weniger als Männer. Damit ist das Märchen Geschichte, dass Frauen nur endlich die besser bezahlten Berufe wählen müssten, dann wird der Gap wie von Zauberhand verschwinden. 

Wenig überraschend: Für gleichwertige Arbeit, also für mindestens genauso anstrengende Jobs in anderen (“Frauen-”)Branchen bekommen sie erst recht weniger Geld.  

Ein Automechaniker verdient im ersten Berufsjahr brutto über 400 Euro mehr als eine Altenpflegerin. Dabei ist kaum ein Job körperlich und mental so anstrengend wie die Betreuungsberufe im Kindergarten oder in der Pflege. Das Burnout-Risiko in der Pflege ist doppelt so hoch wie in anderen Berufen.

An der Nachfrage kann es nicht liegen: Bis zu 76.000 zusätzliche (!) Pfleger:innen brauchen wir geschätzt bis 2030. Der Markt richtet es also nicht: Was Frauen leisten, ist immer und überall deutlich weniger wert. Nachfrage hin, “Frauenberufe” her.

Wir bezahlen gleichwertige Leistung eben unterschiedlich, je nachdem ob die Leistung von einem Mann oder einer Frau erbracht wird. Selbst in männerdominierten Berufen, die Frauen doch angeblich so dringend wählen sollten, sind zwar die Gehälter generell höher, – dort ist aber auch der Gender Pay Gap besonders groß. Davon können eben zum Beispiel die Ingenieur:innen ein Lied singen. Dazu kommt ein weiterer Effekt: Wenn viele Frauen in eine Branche drängen, dann sinken – langsam, aber stetig – die Gehälter und das Ansehen des Berufs. 

Niemand kann diese Zahlen ernsthaft verteidigen. Versuchen tun es natürlich trotzdem einige. Frauen sollen endlich aufhören, sich in der “Opferrolle zu suhlen", wird ihnen in Kommentaren ausgerichtet, sie selbst und ihre “ganz individuellen” Lebensentscheidungen seien schuld am miesen Einkommen. Und der Bundeskanzler kommt dann auch noch mit Vorschlägen wie einer Karenz für Großeltern (vulgo: Oma-Karenz) um die Ecke. Damit die Frauen nicht nur ihr ganzes Berufsleben draufzahlen, sondern in der Pension endgültig in der Altersarmut landen.  

Dabei gäbe es in ganz Europa Vorbilder, tatsächlich wirksame Rezepte gegen die beschämende Lohndiskriminierung – statt der Nehammerschen Scheinlösungen. Verpflichtende Gehaltstransparenz. Bezahlte Elternzeiten stärker daran koppeln, dass er von einem Elternteil in Anspruch genommen wird – sagen wir doch Väterkarenz dazu – würden helfen. Das kann man sich in Island zum Beispiel ansehen.

Klassische Frauenberufe besser bezahlen – das wäre nicht nur ein Schritt in Richtung Lohngerechtigkeit, das hätten wir als Gesellschaft insgesamt dringend nötig und sogar direkt selbst in der Hand: Bildung, Pflege, Gesundheitswesen – viele Frauen-Jobs sind im öffentlichen Einflussbereich. Und eine Arbeitszeitverkürzung für alle würde dabei helfen, Familienarbeit und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen. 

45 Tage Arbeit unbezahlt schuften. Jedes Jahr. Niemand würde das freiwillig tun. Österreichs Frauen bleibt keine andere Wahl. Aber nur, solange wir die Politiker:innen nicht in die Pflicht nehmen, die zwar über die Schlechterstellung von Frauen klagen, aber nichts dagegen tun. Ein Superwahljahr wäre doch ein guter Anlass dafür.

 

Dieser Text erschien zunächst als Kolumne im Profil.

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