Autos im Stau als Symbolbild für hohe Spritpreise
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  Joel Tölgyes
/ 17. März 2022

Die Diskussion über den hohen Spritpreis geht am eigentlichen Problem vorbei. Statt darüber zu reden, wie man Autofahren stärker steuerlich subventioniert, sollten wir darüber reden, wieso wir in Österreich noch immer so stark auf das Auto angewiesen sind.

Sorgenkind Verkehrssektor: Starke Abhängigkeit vom Auto

Österreichs Verkehrssektor ist und bleibt das große Sorgenkind der Klimapolitik. Seit 1990 ist der Treibhausgasausstoß in diesem Sektor um 75 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung hat damit die Fortschritte in allen anderen Sektoren, wie Gebäude, Abfallwirtschaft oder Industrie, zunichte gemacht. Der private Autoverkehr hat einen erheblichen Anteil daran. Heute stammen rund zwei Drittel der Verkehrsmissionen von PKW. Diese Tatsache ist keineswegs Naturgesetz. Sie ist Ergebnis einer Politik, die uns konsequent vom Autofahren abhängig gemacht hat.

Das Grundproblem liegt bereits darin, dass Österreich ein sehr stark zersiedeltes Land ist. Jeden Tag werden in Österreich hektarweise landwirtschaftliche Fläche zubetoniert, Gewerbeparks und Einfamilienhaus-Siedlungen sprießen aus dem Boden. Für die Infrastruktur bedeutet das eine große Herausforderung. Je zersiedelter ein Land, desto schwieriger ist es, den Menschen Bahn- und Buslinien zur Verfügung zu stellen. Ohne innovativere Mobilitätskonzepte, wie moderne Sammeltaxisysteme, sind die Menschen somit von vorne herein auf ihr Auto angewiesen.

Autozentrierte Politik passt nicht zu unserem Nutzerverhalten

Das schlägt sich dann auch in den öffentlichen Verkehrsverbindungen nieder. Im Jahr 2016 brauchte fast die Hälfte der österreichischen Bevölkerung öffentlich mehr als 50 Minuten zum nächsten überregionalen Zentrum. Im Schnitt ist das in allen Bundesländern, außer Wien, deutlich länger als mit dem Auto. Der öffentliche Verkehr wurde und wird großteils noch immer als die Alternative zum Auto gesehen. Aus klimapolitischer Sicht sollte es aber umgekehrt sein: Das Autofahren sollte zur Alternative zu den Öffis werden, wenn es nicht anders geht. Dazu braucht es Geld und politischen Willen. Beim Straßenbau war beides da. Österreich gehört zu den EU-Ländern mit den meisten Autobahn- und Schnellstraßenkilometern pro Kopf, während Regionalbahnen schrittweise rückgebaut wurden.

Dabei passt diese autozentrierte Politik gar nicht zu unserem Nutzerverhalten. In Österreich sind 2 von 5 Autofahrten kürzer als 5 Kilometer. Das wären eigentlich Strecken, die man gut mit einem (Elektro-) Fahrrad zurücklegen könnte – sofern es überall sichere Radwege geben würde. Immerhin 7 Prozent aller Fahrten sind unter einem Kilometer weit, entsprechen also einem mittleren Fußweg. Dazu kommt, dass in einem Auto im Schnitt nur 1,13 Personen sitzen. In den meisten Fällen sind Menschen also allein im Auto unterwegs, und das mit immer größeren Autos. 2 von 5 neu zugelassenen Autos waren letztes Jahr SUV und Geländewagen. Den Trend gibt es dabei nicht nur am Land. In Wien ist ist jedes dritte neue Auto ein Geländewagen.

Debatte über Sprittpreis geht am Problem vorbei

Dass wir angesichts immer mehr Kilometern von immer mehr immer größeren, schwereren Autos nun über soziale Auswirkungen der hohen Spritpreise diskutieren, ist etwas unehrlich. Natürlich gibt es Fälle, wo Leute mit niedrigen Einkommen pendeln müssen und nun mehr zahlen müssen.

Man muss aber auch sehen, dass viele Menschen mit niedrigen Einkommen gar kein Auto besitzen. Unter den 20 Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen hat nur jeder zweite Haushalt überhaupt ein Auto zur Verfügung. Für diese Haushalte brachte die autozentrierte Politik der letzten Jahrzehnte nichts. Sie jetzt für allgemeine Spritpreisbremsen unreflektiert aus dem Schrank zu holen, ist heuchlerisch. Soziale Mobilitätspolitik bedeutet eben nicht mehr Autos, sondern mehr leistbare öffentliche Verkehrsmittel.

Mobilitätswende ist oberstes Ziel

Was wir also brauchen, ist eine echte Mobilitätswende, die uns vor allem weg von Autos bringt. In Zukunft muss es zur Regel werden, dass wir unsere alltäglichen Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Dort, wo dies nicht möglich ist, sollen Elektroautos zum Einsatz kommen. Diese Umstellung ist langwierig. Bis es so weit ist, ist es wichtig, gerade auch Menschen mit niedrigen Einkommen zu unterstützen.

Analysen zeigen, dass Transferzahlungen hier ein guter Ansatzpunkt sind, weil sie zielgerichteter funktionieren als allgemeine Steuersenkungen und hohen Verbrauch nicht subventionieren. Auch eine Umstellung des Pendlerpauschalen wäre eine kurzfristige Möglichkeit. Hier sollte man auf Absetzbeträge umstellen, um Menschen mit niedrigen Einkommen stärker zu unterstützen, und bei Zumutbarkeit die Öffi-Nutzung zur Pflicht machen. Bei all diesen Maßnahmen muss aber klar sein, dass es sich hier lediglich um Übergangsmaßnahmen handelt. Aus klimapolitischer als auch aus sozialer Sicht muss eine schnelle Mobilitätswende das oberste Ziel bleiben.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im "Standard".

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