Tiefflug Pelikan_Corona-Krise
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  Alexander Huber
/ 20. Juli 2021

500 Tage sind vergangen, seit auf einer denkwürdigen Pressekonferenz der erste Corona-Lockdown in Österreich angekündigt wurde. 500 Tage, die auch von gesundheitlichem und seelischem Leid geprägt waren und wirtschaftliche Existenzen vernichteten. Im Sommer 2021 standen, trotz der Gefahr durch die Delta-Variante, weitreichende Öffnungsschritte an. Sind die Öffnungen alternativlos? Oder machen wir denselben Fehler einmal mehr. Ein Rückblick auf Österreichs bisherigen Weg durch die Krise könnte diese Fragen zumindest teilweise beantworten. Wo stehen wir im internationalen Vergleich?

Gesundheit und Wirtschaft keine Gegenspieler

Aus gesundheitlicher Perspektive bewegt sich Österreich im OECD-Vergleich im Mittelfeld. Mehr als sieben Prozent der Bevölkerung hierzulande infizierten sich bislang nachweislich mit dem Virus, über 10.000 starben an dessen Folgen. Das sind rund 119 Personen auf 100.000 Einwohner. Südkorea, Australien und Neuseeland konnten besonders gute Gesundheitszahlen erreichen: Weniger als vier Menschen je 100.000 Einwohner verstarben dort an oder mit COVID-19. Als Schlüssel dazu gilt die sogenannte Zero-Covid-Strategie. Dabei wird mit strikten Maßnahmen die Zahl der Neuinfektionen de facto auf null gedrückt, um dafür in der Folge ein umso normaleres Leben zu ermöglichen. In Europa bemühte man sich derweil, das Infektionsgeschehen auch bei hohen Ansteckungszahlen unter Kontrolle zu halten. Ein ständiges, aber meist zögerliches Auf-und-zu ohne wirkliche Öffnungen war die Folge.

Wirtschaftlich gesehen wurde Österreich von der Krise deutlich schwerer getroffen als die meisten anderen Länder. Der Vergleich mit dem Vorkrisenniveau zeigt, dass Österreichs Wirtschaft zwischen dem ersten Quartal 2019 und diesem Frühjahr um 7,5 Prozent geschrumpft ist. Nur Portugal, das Vereinigte Königreich und Spanien schneiden noch schlechter ab. Die internationale vergleichbare Arbeitslosenquote war in Österreich im Mai immer noch um 40 Prozent höher als im selben Monat vor der Krise – trotz Kurzarbeit.

Auffallend ist, dass die Zero-Covid-Länder auch im wirtschaftlichen Bereich relativ gut durch die Krise kamen. Das widerspricht der hierzulande vertretenen Ansicht, es ginge bei den Corona-Maßnahmen stets um eine Abwägung zwischen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Faktoren. Südkorea, Australien und Neuseeland haben gezeigt, dass sich eine bestmögliche Eindämmung der gesundheitlichen Auswirkungen der Krise letztlich auch wirtschaftlich lohnt. Das berühmte „Insel-Argument“ zählt dabei nicht: Australien etwa reagierte vor allem mit regionalen Maßnahmen auf lokale Corona-Ausbrüche. In Kanada verfolgt mittlerweile die Hälfte der Provinzen eine Zero-Covid-Strategie. Auch dort stellte sich Erfolg ein. Gesundheit und Wirtschaft sind keine Gegenspieler. Vielmehr ist Gesundheit die Voraussetzung für wirtschaftliches Leben während Corona.

Corona-Hilfe als Gewinnsubvention

Was hat die Politik in der Krise gut gemacht?  Wirtschaftlich sind die Corona-Hilfen zu nennen. Vor allem die Kurzarbeit hat sich als wichtiges Instrument erwiesen, das tausende Menschen in Österreich vor der Arbeitslosigkeit bewahrt hat. Auch den Unternehmen hat diese Maßnahme viel Geld gespart. Letztere durften sich zudem über eine Reihe an Zuschüssen und Garantien freuen. Österreichs Politik ist hier nicht auf der Bremse gestanden und hat nach gröberen Anfangsschwierigkeiten viel Geld fließen lassen. In Sachen Unternehmenshilfen ist Österreich jedenfalls Europameister. Fast fünf Prozent der Wirtschaftsleistung flossen 2020 an Unternehmen, so viel wie in keinem anderen EU-Land.

An der Ausgestaltung der Corona-Hilfen ist aber auch Kritik angebracht. Zu oft galt statt Treffsicherheit das Gießkannenprinzip. Ein-Personen-Unternehmen können davon ein Lied singen. Sie waren oft nicht unmittelbar von verordneten Schließungen betroffen – ein Kriterium für Hilfszahlungen. Ihr Geschäft brach aber trotzdem weg. Die Kehrseite der Medaille zeigte sich etwa bei Saisonbetrieben. Hotels, Gasthäuser oder Skischulen bekamen im November und Dezember große Teile des Umsatzes von 2019 ersetzt. Das Personal blieb jedoch entweder in Kurzarbeit oder beim AMS geparkt. Das Wegfallen dieser Kosten machte aus dem Umsatzersatz vielerorts einen Rekordgewinn trotz geschlossenen Geschäfts. Ähnlich im größer strukturierten Elektrohandel, in Baumärkten und Möbelhäusern. Diese erhielten staatliches Geld während der Schließung. Nach der Wiederöffnung stürmten die Kunden die Geschäfte. Ende 2020 stand sogar ein Umsatzplus. Das Hilfsgeld verwandelte sich zur teuren und unnötigen Gewinnsubvention.

Fehlende Transparenz

Wie viele Betriebe überfördert wurden, kann aufgrund der mageren Datenlage bislang nicht gesagt werden. Der von der Regierung angekündigte Transparenzsprung in Sachen COFAG-Gelder ist noch nicht erfolgt. In die verpflichtende EU-Datenbank wurden bislang lediglich Beihilfen eingepflegt, die 2020 bewilligt wurden und über 100.000 Euro ausmachen. Den Rest hält die Bundesregierung geheim. Ein Hinunterbrechen der anteilsmäßig bedeutsamen Zahlungen für Kurzarbeit auf einzelne Unternehmen ist nicht geplant. Dazu kommt, dass in der EU-Transparenzdatenbank anfangs bereits Zahlungen aus 2021 einsehbar waren. Diese wurden aber seitens der zuständigen Behörden in einer Wochenendaktion schnell gelöscht. Ehrlich gemeinte Transparenz buchstabiert man wohl anders.

Was man trotz allem sagen kann: Deutlich mehr als jeder zweite Corona-Euro gingen bislang an Unternehmen. Weniger als ein Drittel kam hingegen Arbeitnehmern und Familien zugute. Das österreichische Steueraufkommen setzt sich jedoch zu drei Vierteln aus Abgaben auf Arbeit und den Konsum zusammen. Wenn es also um die künftige Finanzierung der Krisenkosten geht, gilt es, diese Schieflage zu beheben. Ein erster Schritt dahin wäre eine Corona-Abgabe für Unternehmen, die trotz staatlicher Hilfsleistungen Gewinne geschrieben haben. Eine Gewinnsubventionierung durch Steuergeld kann nämlich weder im Interesse der Politik noch der Wirtschaftstreibenden selbst sein.

Der Weg aus der Corona-Krise

Wie finden wir nun wieder in die Spur? Die wirtschaftliche Erholung wird in Österreich länger dauern als in vielen anderen OECD-Ländern. Die Wirtschaftsleistung von 2019 werden wir erst Mitte nächsten Jahres wieder erreichen. Die USA haben dies dank kräftiger Konjunkturpakete bereits im Frühjahr geschafft. Auf den Wachstumspfad der Vorkrisenzeit wird Österreich laut WIFO erst im Jahr 2024 wieder zurückkehren – alles unter der Voraussetzung, dass es nicht wieder zu einschränkenden Maßnahmen kommt.

Umso wichtiger ist es, nicht wieder die gleichen Fehler wie nach der Finanzkrise 2008 zu begehen. Dort hat die schnell einsetzende Sparpolitik Europa ein Jahrzehnt beschert, das von geringem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit geprägt war. Wollen wir diesen Tiefflug endlich beenden, darf der Aufschwung nicht schon wieder früh abgewürgt werden. Das günstige Zinsumfeld ermöglicht sinnvolle Investitionen in zukunftsträchtige Bereiche und den Klimaschutz. Chronisch unterfinanzierte Bereiche wie Pflege, Justiz oder Bildung können künftig zum Beschäftigungsmotor werden. Die Devise für die nächsten 500 Tage ist also im Grunde ganz einfach: nicht die Fehler der letzten Krise wiederholen.

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

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