"Climate Justice Now" Schild als Symbol für eine ökosoziale Transformation gegen die Klimakrise
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  Joel Tölgyes
/ 19. November 2022

Bei der Klimapolitik gilt in Österreich das Motto „nur ned hudln“. Zwar bewegt sich etwas, allerdings viel zu langsam. In Sachen Bodenversiegelung oder im Verkehrssektor machen wir überhaupt Rückschritte statt ordentliches Tempo. Mit mischt die Erzählung, dass Klimaschutz mit Verzicht, Verbot und Schmerz verbunden wäre: Konsequente Klimapolitik brächte schmerzhafte soziale Auswirkungen, so das Kredo.

Also lieber nicht zu viel, zu schnell. Oder sogar rückwärts: “Viele Menschen können sich die hohen Energiepreise nicht mehr leisten, ist es da nicht verständlich, dass die Leute sagen, wir müssen jetzt eben doch wieder zurückkehren zu Öl und Kohle?”, wurde eine Klimaaktivistin kürzlich im Fernsehen gefragt. Schaut man genauer hin, erkennt man allerdings: Gute Klimapolitik würde gerade für Menschen mit niedrigen Einkommen konkrete Verbesserungen bringen.

Zaghafte Klimapolitik als soziales Problem

Oft übersehen wir, dass just unsere zaghafte Klimapolitik für viele soziale Probleme verantwortlich ist. Wenn Menschen unter den hohen Treibstoffpreisen leiden, dann deshalb, weil sie noch immer auf Autos angewiesen sind. Sichere Radwege und gut ausgebaute öffentliche Verkehrsmittel sind gerade in ländlichen Gebieten Mangelware, die Wege wegen der Zersiedelung aber umso weiter. Dabei war ein Auto schon bisher für viele ärmere Menschen unleistbar. Wer kein Auto besitzt, wird durch autozentrierte Politik ausgegrenzt.

Ganz ähnlich bei der Stromerzeugung: Erst unsere fossile Abhängigkeit von Gas und Öl hat uns die hohen Strompreise beschert. Erneuerbare Stromproduktion ist nicht nur besser für die Umwelt, sondern wesentlich günstiger. Auch beim Wohnraum blieben uns viele Probleme erspart, hätten wir in der Vergangenheit mehr auf Klimaschutz gesetzt: Gebäude wurden lange nicht saniert, bei Dämmung und Heizungstausch geht seit Jahren zu wenig weiter. Gerade ärmere Haushalte leben oft in schlecht isolierten Wohnungen mit alten Öl- oder Gasheizungen. Den hohen Energiepreisen sind sie jetzt schutzlos ausgeliefert. Schließlich führt die Klimakrise selbst zu immer größeren sozialen Problemen. Studien zeigen: Ärmere Haushalte sind wesentlich stärker von den negativen Auswirkungen immer größerer Hitze und Luftverschmutzung betroffen, gerade in Städten.

Auf in eine klimasoziale Zukunft

Was wir bis jetzt versäumt haben, gilt es jetzt umso schneller aufzuholen. So negativ die sozialen Auswirkungen unserer klimapolitischen Versäumnisse sind, so viele soziale Chancen birgt gut ausgestaltete Klimapolitik. Kürzere Wege werden es uns erlauben, wieder mehr zu Fuß und mit dem Rad unterwegs zu sein. Innovative, flächendeckende öffentliche Verkehrsmittel ermöglichen es allen, auch in ländlichen Gebieten günstig, mobil zu sein. Platz, der bisher den Autos gehört hat, gewinnen wir zurück, damit er wieder tatsächlich der Allgemeinheit zur Verfügung steht.

Apropos Platz: Sozialer Wohnbau mit angemessen dimensionierten Wohneinheiten ist nicht nur klimapolitisch besser. Der knappe Platz in Städten wird schlicht auch effizienter genützt, Wohnen wird wieder leistbarer. Zusätzlich könnte man beim Strom auf progressive Energietarife umsteigen. Ein Grundbedarf an Energie bleibt so – ähnlich wie bei der Strompreisbremse – günstiger. Wer Energie prasst, zahlt allerdings mehr. Auch das ist nicht nur besser fürs Klima, sondern sorgt für sozialen Ausgleich. Die Klimakrise erfordert eine grundlegende Umstrukturierung unserer Welt. Das ist eine gewaltige Herausforderung, die auch unsere gewohnten Verhaltensweisen verändert. Der Punkt ist allerdings: Diese Veränderung können wir so organisieren, dass die Vielen am Ende ein besseres Leben als heute haben und unsere Gesellschaft fairer funktioniert.

 

Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne "Ausgerechnet" bei ZackZack.

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