Kassiererin in Supermarkt: Frauen arbeiten häufiger Teilzeit in schlechter bezahlten Jobs

Kassiererin in Supermarkt: Frauen arbeiten häufiger Teilzeit in schlechter bezahlten Jobs, zulasten ihres Einkommens. // Foto: Noel Hendrickson / Corbis

/ 12. November 2022

Alle guten Dinge sind drei? Nicht immer. Der Handel verhandelt weiter über höhere Gehälter für seine Beschäftigten. In der dritten Runde gab es noch keine Einigung. Die Arbeitgeber:innen bieten ein Gehaltsplus von vier Prozent und eine Einmalzahlung von drei Prozent, steuerfrei. Die Gewerkschaften lehnen das ab.

Einmalzahlungen bedeuten einen langfristigen Lohnverlust

Die Arbeitgeber:innen wollen Einmalzahlungen statt ordentlichen Lohnerhöhungen. Doch während eine Einmalzahlung nach einem Jahr schnell verpufft ist, hinkt die Gehaltserhöhung der Teuerung künftig hinterher. Denn steigen die echten Gehälter nur wenig, liegt auch die Verhandlungsbasis fürs nächste Jahr niedriger. Fürs übernächste Jahr genauso. Und für alle Jahre danach. Eine Einmalzahlung bedeutet daher für alle künftigen Berufsjahre weniger Lohn. Aufsummiert bedeutet das Zehntausende Euro für jede:n einzelne:n Mitarbeiter:in weniger.

Konsequenzen hat das auch noch in der Pension. Wer seinen Job verliert, bekommt weniger Arbeitslosengeld. Außerdem fehlen den Krankenkassen dadurch die höheren Sozialabgaben. Die Kassen müssen dann einsparen, etwa bei ihren Tarifen. Die Wartezeiten bei Spitälern und niedergelassenen Kassenärzten werden länger. Der Chefärztin genehmigt weniger Behandlungen und Medikamente. Die medizinische Versorgung leidet. Wer hat dann das erwirtschaftete Geld? Die Gewinne der Betriebe steigen, und damit die Ausschüttungen an die Eigentümer:innen. Aus Sicht der Arbeitnehmer:innen sind Einmalzahlungen also überhaupt kein verlockendes Angebot – gerade in einer Branche mit ohnehin niedrigen Gehältern.

Die Teuerung reißt Geringverdiener:innen ein Loch ins Geldbörsel

Doch es geht nicht nur um eine ordentliche Lohnerhöhung. Es geht um den Kampf gegen niedrige Löhne, die angesichts der Teuerung noch untragbarer geworden sind. Jedem, der unter 2.000 Euro verdient, reißt die Teuerung ein besonders großes Loch ins Geldbörsel. Anders als etwa in der Metallindustrie, die nach Ausbildung und Lehre keine Löhne unter 2.000 Euro brutto im Monat mehr kennt, liegen die Gehälter im Handel oft weit darunter.

Arbeiter:innen im Supermarkt gehören aber zu den Systemerhalter:innen, hieß es noch während der Corona-Pandemie. Die Held:innen der Supermarktkassen haben wir am Balkon beklatscht, weil sie sich weiter einem Gesundheitsrisiko aussetzen mussten. Für ein angemessenes Einkommen reicht es seitdem trotzdem nicht. Selbst nach neun Jahren Berufserfahrung kann eine Stelle im Handel laut Kollektivvertrag heuer noch mit unter 2.000 Euro pro Monat entlohnt werden. In der Ausbildung sind es bis zum zweiten Lehrjahr sogar unter 1.000 Euro.

2.000 Euro Mindestlohn gegen Niedrigstlöhne

Aufwerten lassen sich die Niedriglohnbranchen mit einem Mindestlohn: Die Gewerkschaften fordern für alle Branchen mindestens 2.000 Euro brutto pro Monat – verankert in allen Kollektivverträgen. Jede:r siebente Beschäftigte würde von einem Mindestlohn in dieser Höhe profitieren. In Österreich verdienen rund 625.000 Menschen so wenig, dass sie mit ihrem Job bei Vollzeit nicht auf 2.000 Euro kommen. Betroffen sind vor allem jene Branchen, in denen überwiegend Frauen arbeiten: Für Verkäuferinnen, Kellnerinnen, Köche, Paketboten, Frisörinnen und Reinigungskräfte liegen die Gehälter oft weit darunter. Für jede fünfte unselbstständig beschäftigte Frau würde das Einkommen mit einem solchen Mindestlohn steigen.

Diese Lohnerhöhung ist auch bitter nötig. Der Kaufkraftverlust fällt rekordhoch aus, weil die Teuerung schneller als die Gehälter steigt. Schätzungen aus dem Sommer sagen Verluste von über vier Prozent voraus. Mit hohen Inflationsraten im Herbst und Winter werden die tatsächlichen Verluste weiter wachsen. Das bewirkt den größten Kaufkraftverlust seit mehr als sechzig Jahren. Ohne eine Lohnerhöhung, die dieser Teuerungsexplosion nachzieht, wird die nächste Mieterhöhung, die Energierechnung und der Lebensmitteleinkauf für zu viele Menschen zum Problem. Gerade in den Niedriglohnbranchen braucht es daher einen effektiven Mindestlohn, der gegen die Teuerung absichert.

 

Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne "Ausgerechnet" bei ZackZack.

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