Der Sozialstaat hebt Menschen aus der Armut
/ 19. April 2023

Das österreichische Sozialsystem schützt jährlich rund eine Million Menschen vor Armut. Gäbe es keine Sozialleistungen wäre knapp ein Viertel der Bevölkerung (2,3 Millionen) armutsgefährdet. Durch Arbeitslosengeld oder Familienbeihilfe sind 1,3 Millionen Menschen, also um 40 Prozent weniger, vor Armut geschützt.
Damit hebt der Sozialstaat mehr Menschen jedes Jahr aus der Armut als in Kärnten und Burgenland zusammen leben. Pensionen, die einen Teil der Sozialleistungen ausmachen, sind in der Auswertung nicht enthalten. Die Zahl ist daher als absolute Untergrenze anzusehen.

Für Frauen und Männer bewirkt der Sozialstaat eine gleichmäßige Reduktion der Armut. Auch Familien schützt der Sozialstaat. In Österreich leben 3,9 Millionen Menschen in Haushalten mit Kindern, davon sind rund 1,3 Millionen armutsgefährdet. Sozialleistungen wie Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Schul- oder Studienbeihilfe entschärfen die Situation für 630.000 Mütter, Väter und Kinder. Eine Gruppe ist aber auch nach Sozialleistungen besonders vulnerabel: Jede:r vierte Alleinerziehende:r lebt auch nach Sozialleistungen in Armut.
Dennoch gibt es in der sozialen Sicherung noch Lücken. Über 1,3 Millionen Menschen bleiben, obwohl sie Sozialleistungen beziehen, armutsgefährdet.

Teuerung verschärft die Armut

Die Teuerung verschärft die Situation für armutsgefährdete Menschen zunehmend. Zwar werden viele Sozialleistungen mit Beginn 2023 an die Inflation angepasst. “Die Anpassung passiert aber auf Basis von Inflationsraten die bis zu eineinhalb Jahre in der Vergangenheit liegen. Das bedeutet die Leistungen werden zeitnah nicht in dem Ausmaß angehoben, wie es nötig wäre, um die gestiegenen Kosten auch stemmen zu können. Die Sozialleistungen laufen der Inflation hinterher, und zwar mit einem Abstand von über einem Jahr. Besonders hart treffen die Preissteigerungen alle, die ihren Job verloren haben. Das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe werden überhaupt nicht an die Inflation angepasst.

Arbeit schützt nicht vor Armut

In der Altersgruppe der Menschen zwischen 18 und 64 Jahren ist über die Hälfte der armutsgefährdeten erwerbstätig. 17 Prozent sind erwerbslos, also als arbeitssuchend gemeldet und 30 Prozent nicht erwerbstätig. Das Argument „Arbeit schützt vor Armut“ hält also in Österreich nicht. Unter den nicht Erwerbstätigen fallen Pensionist:innen (nur bis 64 Jahre), Menschen die aufgrund von Betreuungsaufgaben und Tätigkeiten im Haushalt nicht arbeiten, Menschen in Ausbildung und jene, die aufgrund von gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können.
 

Insgesamt sind 764.000 Menschen im Erwerbsalter armutsgefährdet. Dazu kommen 316.000 Kinder und 235.000 Menschen über 65 Jahren.

Wo der Sozialstaat nicht greift

Auch wenn Sozialleistungen wesentlich vor Armut in Österreich schützen, ist Armut weiterhin verbreitet. Jede fünfte Person in Österreich kann unerwartete Ausgaben nicht bezahlen, 414.000 Menschen berichten, dass sie mit Zahlungen im Verzug sind. Knapp 240.000 Menschen konnten es sich im letzten Jahr nicht leisten, ihre Wohnung angemessen warm zu halten.

 

 

Wer gilt als armutsgefährdet

Als armutsgefährdet gelten jene Haushalte, die ein Einkommen haben, das niedriger als 60 Prozent des mittleren Einkommens ist. In 2022 waren die Einkommensgrenzen wie in der Tabelle definiert. Dabei unterscheiden sich die Einkommensgrenzen je nach Haushaltsgröße und -zusammensetzung.

Das Momentum Institut empfiehlt, Armutsbekämpfung wie im Regierungsprogramm vorgesehen, zur Priorität zu machen und Sozialleistungen so auszubauen, dass alle armutsgefährdeten erreicht werden. Das Regierungsprogramm sieht vor, die Zahl der armutsgefährdeten innerhalb dieser Legislaturperiode zu halbieren. Um Armut in Österreich nachhaltig zu senken, muss etwa die Ausgleichzulage an die Armutsgefährdungsschwelle angepasst werden, das würde vor allem Frauen vor der Altersarmut bewahren. Mehr leistbarer Wohnraum, eine gerechtere Entlohnung von Frauen und bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten, sind weitere Instrumente, um den Sozialstaat armutsfest zu gestalten.

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