Multinationale Konzerne verschieben ihre Gewinne in ausländische Steuersümpfe. Ihnen bringt das steuerfreie Gewinne, aber uns alle kostet das 1,3 Milliarden Euro.
Alle Jahre wieder beginnt für große Unternehmen das Jahr erst Anfang Februar. Und zwar ihr „Steuerjahr“. Während unsereins ab dem Feuerwerk zum Jahreswechsel Steuern zahlt, lassen sich international tätige Unternehmen statistisch gesehen Zeit. Sie vermeiden die Besteuerung in Österreich, indem sie ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben. Jeder zehnte Euro geht dem Staat so verloren, wandert in die Taschen der zumeist reichen Eigentümer:innen. Aufs Jahr gerechnet zahlen die Konzernmultis erst seit dem 5. Februar tatsächlich ihre Gewinnsteuern, dem „Tag der Steuerverweigerung der Konzerne“.
Obwohl unmoralisch, ist die Steuerverweigerung nicht illegal. Für multinationale Konzerne ist die Praxis, weniger Steuern zu bezahlen, gang und gäbe. Tricks gibt es viele. Da werden Patente für Produktionsverfahren, Markenrechte, oder Lizenzen „zufällig“ in Länder verschoben, die ausgerechnet dafür Dumping-Steuersätze im niedrigen einstelligen Bereich vorsehen. Oft steht am Firmensitz im Land des Steuersumpfes nur ein Briefkasten. Mitarbeiter:innen gibt es keine, nur einen Anwalt, der hunderten Konzernen die gleiche windige Praxis ermöglicht. Ein abgekartetes Spiel, das nur multinationalen Konzernen offen steht. Die schmälern damit weltweit ihre Steuerleistungen. Die reichen Aktionäre freuts, der Allgemeinheit schadet es. Doch um die beliebten Steuersümpfe zu finden, muss man nicht mehr in die Karibik reisen. Sie finden sich innerhalb der EU. Am liebsten verschieben internationale Konzerne ihre Gewinne aus Österreich in die Schweiz, die Benelux-Staaten oder nach Irland.
Es ist ein lukratives Modell für die Unternehmen. Sie umgingen im vergangenen Jahr Zahlungen der Steuer auf Unternehmensgewinne (Körperschaftsteuer) in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Aber es ist ein problematisches Modell für die Allgemeinheit. Ihr entgingen eben diese 1,3 Milliarden Euro an Einnahmen, die sich Multis weigerten beizutragen. Einnahmen, die zur Sanierung von Schulen, Straßen, oder Bahnlinien gebraucht werden. Geld, das die Gehälter von Lehrer:innen, Polizist:innen oder Pfleger:innen bezahlt.
Unter der Steuerverweigerung der Konzernmultis leiden auch alle anderen Unternehmen und Selbstständige, die brav ihre Steuern abliefern. Sie erfahren im Wettbewerb einen Nachteil. Zahlt XXXLutz weniger Steuern und kann dadurch seine Produkte günstiger anbieten, bedroht das den kleinen Möbelhändler nebenan. Zahlt Amazon kaum Steuern, schmerzt das die Geschäfte vor Ort in Österreich.
Um sich gegen internationale Konzerne zu wehren, müssen auch die Regierungen der Länder über ihre Grenzen hinweg zusammenarbeiten. Schon 2021 einigten sich die führenden Industrieländer der OECD auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für multinationale Unternehmen. Ein historischer Meilenstein, der für mehr Steuergerechtigkeit sorgen wird. Ab diesem Jahr gilt sie in Österreich und den anderen EU-Ländern.
Ist damit das Problem gelöst? Nein. Die Steuer ist nur der erste Schritt, um die Gewinnverschiebung der globalen Konzerne zurückzudrängen. Die politische Macht der Konzerne ist noch immer gewaltig. Sie haben ein gänzliches Ende der Steuerverweigerung verhindert. Mit ihnen befreundete Regierungen aus Steuersümpfen – etwa Irland – haben durchgesetzt, dass der Mindeststeuersatz nicht zwanzig, sondern nur 15 Prozent beträgt. Außerdem fügten sie Schlupflöcher ein, damit Konzerne weiterhin in manchen Fällen Gewinne in Steuersümpfe mit Dumping-Sätzen verschieben können.
Der Kampf um Steuergerechtigkeit für Konzerne ist noch nicht vorbei. Umso wichtiger ist weiterhin die gesammelte Arbeit von Whistleblower:innen, Aktivist:innen, Wissenschafter:innen, Journalist:innen, engagierten Politiker:innen sowie Mitarbeiter:innen der Finanzverwaltungen. Sie decken Skandale der Steuerhinterziehung und -verweigerung auf. Analysieren, wer sich zum Schaden aller anderen bereichert. Liefern Beweise, die die Schuldigen hinter Gitter bringen. Dass diese Arbeit wirkt, zeigt die Entwicklung der Steuerhinterziehung privater Millionär:innen und Milliardär:innen. Sie halten heute deutlich weniger Vermögen im Ausland und in exotischen Steuersümpfen als noch vor zwanzig Jahren. Weil es ihnen schwieriger gemacht wird. Wenn das in den nächsten Jahren für Konzerne gelingt, wird die Welt ein Stück gerechter.
Dieser Text erschien zunächst in unserer Zackzack.at Kolumne „Ausgerechnet“.