SWÖ-KV: Niedrige Löhne in systemrelevanten Berufen setzen gefährliches Signal

Am Dienstag geht es in die erste Verhandlungsrunde der Sozialwirtschaft (SWÖ). Unsere Auswertung zeigt: Soziale systemrelevante Berufe werden wesentlich schlechter bezahlt als technische und sogar deutlich unterdurchschnittlich im Vergleich zur Gesamtwirtschaft. Diese Situation hat sich im Vergleich zum Vorjahr sogar verschärft.
Hinzukommt der massive Personalmangel, der bereits jetzt in der Sozialwirtschaft herrscht. Hier gilt es zu bedenken, dass die Lohnabschlüsse gerade in jenen Branchen, die in Zukunft einen noch größeren Personalbedarf haben, hoch genug ausfallen müssen. Andernfalls kann das eine Gefahr für die Versorgungssicherheit darstellen, indem diese Berufe noch unattraktiver werden und das Personalloch dadurch weiter klafft.
In der Betreuung werden brutto pro Stunde im Schnitt 18,56 Euro vergütet – bei einem Frauenanteil von 87 Prozent in der Branche. In der Pflege sind rund 8 von 10 Beschäftigten weiblich, ihnen wird 20,50 Euro brutto pro Stunde bezahlt. Damit liegt die durchschnittliche Bezahlung in diesen systemrelevanten Branchen unter dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft (25,14 Euro) und zwar um mindestens 4,64 Euro pro Stunde (im Vergleich zu Pflege). Damit hat sich der Abstand zum durchschnittlichen Bruttostundenlohn in der Pflege zu jenem der Gesamtwirtschaft im Vergleich zum Vorjahr sogar deutlich vergrößert – vergangenes Jahr lag der Abstand noch bei 1,83 Euro pro Stunde. Auch der Abstand zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenlohn in der Betreuung (18,56 Euro) hat sich heuer mit einer Differenz von 6,58 Euro im Vergleich zum Vorjahres-Abstand (2,87 Euro) mehr als verdoppelt.
Stark männlich dominierte Berufe in der technischen Daseinsvorsorge hingegen, werden sogar überdurchschnittlich bezahlt. Etwa Berufe in der Informations- und Kommunikationstechnik haben einen Bruttostundenlohn von 28,14 Euro. In der Energieversorgung ist unter fünf Beschäftigten lediglich eine Person weiblich, im Schnitt beträgt der Stundenlohn brutto um 4,69 Euro mehr als im Gesamtwirtschaftlichen-Durchschnitt.
Es sind immer noch vor allem Frauen, die unterirdisch schlecht bezahlt werden und überdurchschnitt viel leisten. Wer in der Pflege oder in der Betreuung arbeitet, arbeitet jetzt schon oft an der absoluten Belastungsgrenze – oder sogar weit darüber.
Davon abgesehen, dass es bereits in naher Zukunft sowohl in der Kinderbetreuung als auch in der Pflege hunderttausende zusätzliche Beschäftigte braucht, fehlen in der Daseinsvorsorge schon jetzt Arbeitskräfte. Im Berufsfeld der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege kommen aktuell 4 offene Stellen auf eine arbeitslose Person. In der Elementarpädagogik sind es etwa 2,8 offene Stellen. Bei Sozialbetreuer:innen in der Altenarbeit sind es 2,5 und bei den Pflegefachassistent:innen 1,5 offene Stellen.
Nur um den Status-Quo in der Pflege zu erhalten, sind allein aufgrund von Pensionierungen und dem demografischen Wandel 180.000 Pflegekräfte bis 2050 nötig. Darin ist noch kein Ausbau hinsichtlich besserer Arbeitsbedingungen oder mehr Zeit zur Versorgung für die Patient:innen eingerechnet – aber beides wäre dringend nötig. Auch in der Elementarpädagogik wird händeringend gesucht – bis 2030 braucht es 20.000 zusätzliche Arbeitskräfte.
Unterinflationäre Lohnabschlüsse sind de facto Lohnkürzungen. Mit solchen Abschlüssen spart man das Personalloch noch größer, als es ohnehin schon ist und das ausgerechnet in den Branchen, die für unser Leben existenziell sind. Ein schlechter Lohnabschluss wäre ein brandgefährliches Signal und erschwert es immens, mehr Menschen in diese Branchen zu bringen, die unser Leben am Laufen halten.