
Der Equal Pay Day erinnert jährlich an die geschlechtsspezifische Lohnlücke: Mehr als 6 Wochen arbeiten ganzjährig vollzeitbeschäftigte Frauen heuer in Österreich im Vergleich zu Männern rechnerisch unbezahlt, Tirolerinnen sogar fast 9 Wochen. Will man die Lebensrealität von Frauen aber korrekt abbilden, muss man auch Teilzeitbeschäftige in die Rechnung miteinbeziehen. Denn jede zweite erwerbstätige Frau arbeitet in Teilzeit. Damit ist das Lohngefälle so steil, dass Frauen 18 Wochen – mehr als ein Drittel des Jahres – unbezahlt arbeiten, Tirolerinnen sogar 21.
“Dann sollen sie doch Vollzeit arbeiten”, heißt es oft. Doch der Großteil der Frauen arbeitet unfreiwillig in Teilzeit. Und: Eine Analyse der Paarhaushalte zeigt, im Schnitt wird ihr immer weniger bezahlt als ihm. Selbst dann, wenn sie keine Kinder und einen höheren Bildungsabschluss hat und auch dann, wenn beide Vollzeit arbeiten. Dann hat sie sich wohl für einen schlecht bezahlten Job entschieden, oder?
Nein: Viele der Berufe mit hohem Frauenanteil sind miserabel bezahlt. Das heißt nicht, dass das immer so war oder Frauen sich freiwillig den mickrigen Lohnzettel aussuchen. Eine Branche entscheidet sich ja nicht und sagt ‘ich bin eine Niedriglohnbranche’, Arbeitsbedingungen fallen nicht vom Himmel und sind veränderbar. Studien zeigen: Das Durchschnittsgehalt in einer Branche sinkt mit steigendem Frauenanteil. Offensichtlich ist der Politik, den Unternehmen und auch unserer Gesellschaft die Arbeit von Frauen weniger wert. Nun sind es aber gerade jene ‘Frauenberufe’, die oft systemrelevant sind und unser Dasein sichern.
Verpflichtende Lohntransparenz auch in der Privatwirtschaft, die Ausbauoffensive in der Kinderbetreuung und die verpflichtende Väterkarenz. Das alles sind wichtige Instrumente, um das Lohngefälle einzuebnen. Aber: Ohne gleichzeitige Aufwertung von Niedriglohnbranchen und weiblich geprägten Berufsfeldern, werden wir die Lohnlücke nicht schließen.
Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Tiroler Tageszeitung.