Wohnhäuser als Symbolbild für steigende Wohnkosten
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  Alexander Huber
/ 11. Juni 2022

Wohnkosten, vor allem Mietpreise, legen seit Jahren konstant zu. Die privaten Mieten stiegen seit 2010 um mehr als die Hälfte, das allgemeine Preisniveau lediglich um ein Fünftel. Das trifft vor allem Haushalte mit niedrigen Einkommen: Im ärmsten Fünftel fließt die Hälfte der Ausgaben in die Deckung der Grundbedürfnisse. Ausgerechnet dort sind die Preise aber konstant stärker gestiegen als im Durchschnitt. Ärmere Haushalte sind also stärker von der Teuerung betroffen.

Mieten steigen stärker und schneller

Das gilt auch bei den Wohnkosten: Sechs von zehn Menschen im untersten Einkommensfünftel wohnen zu Miete. Die akute Teuerung sorgt gerade dafür, dass Mietanpassungen höher ausfallen, oder in kürzeren Abständen erfolgen. Die staatlich festgelegten Richtwertmieten für Alt- und Gemeindebau wurden heuer bereits um fast sechs Prozent erhöht. Mietverträge in Neubauten haben oft eine „Wertsicherungsklausel“ eingebaut. Sie bewirkt, dass auch hier die Miete regelmäßig an die Inflation angepasst wird. Da die Preise derzeit so schnell steigen, droht vielen Mieter:innen demnächst bereits die zweite Mieterhöhung innerhalb weniger Monate.

Gleichzeitig befeuern die steigenden Mieten die Teuerung noch weiter: Mit knapp fünf Prozent haben Mieten ein hohes Gewicht im allgemeinen Warenkorb, über den der Verbraucherpreisindex berechnet wird. Damit treibt eine kräftige Mieterhöhung auch die Inflation entsprechend an. Diese ist dann aber wiederum die Grundlage für die nächste Mieterhöhung. So setzt sich ein sich selbst verstärkender Kreislauf in Gange, die Miet-Preis-Spirale: Eine Mieterhöhung bestimmt bereits die nächste.

Mieten verteilen von unten nach oben um

Die steigenden Energiepreise bezahlen Mieter:innen gleich doppelt: Zum einen mit ihren höheren Energierechnungen, zum anderen über die Mieterhöhungen. Über letztere werden Vermieter:innen für Energiekosten kompensiert, die am Wohnobjekt selbst hauptsächlich bei den Mieter:innen anfallen.

Wer die Teuerung trägt, ist nur ein Aspekt der Verteilungsdimension des Wohnens. Hohe Wohnkosten reduzieren das real verfügbare Einkommen drastisch – allerdings vor allem bei jenen, die ohnehin wenig haben. Zieht man sämtliche Kosten, die mit dem Wohnen einhergehen ab, bleibt gerade für Haushalte mit niedrigen Einkommen kaum Geld übrig, um andere Dinge zu bezahlen. Im ärmsten Zehntel bleiben nach Abzug der Wohnkosten nur noch 20 Prozent des Nettoeinkommens über. In der Mitte sind es immerhin 75 Prozent, dem reichsten Zehntel bleiben 88 Prozent des Einkommens.

Ärmere Haushalte sind also einerseits über die Ausgabenseite stärker durch Wohnkosten belastet. Andererseits bewirken Mieten auch auf der Einnahmenseite eine Umverteilung von unten nach oben. Nehmen wir an, in Österreich gäbe es nur fünf Menschen: Die ärmeren vier nähmen zusammen im Monat 77 Millionen Euro an Mieteinnahmen ein. Die fünfte Person allein hingegen 180 Millionen – mehr als doppelt so viel als die anderen vier zusammen. Monat für Monat wird also das verfügbare Einkommen – das ohnehin schon ungleich verteilt ist – von unten nach oben geschaufelt.

Politik sollte Mut beweisen und Mieter:innen entlasten

Die Teuerung ist hoch, gerade ärmere Haushalte leiden darunter enorm. Es wäre also an der Zeit, dass die Politik endlich effektiv gegen die explodierenden Mietpreise vorgeht. Ein erster Schritt soll die Neuregelung der Makler:innenprovision sein. Das würde insbesonders jungen Menschen helfen, die häufiger umziehen und umgerechnet 42 Euro im Monat für die Vermittlungsgebühr bezahlen müssen. Im Gesetzesentwurf vermisst man allerdings die entscheidenden Passagen, die Schlupflöcher stopfen würden – über sie könnte die Provision doch noch den Mieter:innen aufgebrummt werden.

Über eine Leerstandsabgabe wollen die Länder Druck aus dem Mietmarkt nehmen. Hier hängt jedoch alles an der Höhe einer solchen Abgabe und der Ausgestaltung der Ausnahmen. Um der Spekulation am Wohnungsmarkt entgegenzutreten, sollten vor allem große Immobilienkonzerne, die rein an der Wertsteigerung eines Objektes interessiert sind, zur Kasse gebeten werden. Dass eine Leerstandsabgabe nicht alle Probleme am Wohnungsmarkt löst, ist klar. Ein wichtiger Teil der Lösung wäre sie allemal.

Unmittelbar steigen die Mietkosten vor allem aufgrund der Richtwert-Anpassungen und Wertsicherungsklauseln. Statt Mieten mit dem Verbraucherpreisindex, der in die Höhe schnellt, anzupassen, könnte man Maßstäbe wählen, die um die stark schwankenden Energie- und Treibstoffpreise bereinigt sind – etwa die Kerninflation. Um die Gefahr einer Miet-Preis-Spirale zu bannen, rechnet man optimalerweise zusätzlich den Beitrag der Mieten zur Inflation heraus.

Um nachhaltig die Umverteilung von unten nach oben durch Wohnkosten einzudämmen, sollte die Politik mehr Mut beweisen. Seitens der Vermieter:innen-Lobbies und Immobilienkonzerne würde man auf Gegenwind stoßen. Letztlich geht es beim Thema Wohnen aber um ein Grundrecht. Gesamtwirtschaftlich jedenfalls würde sich eine Entlastung der Mieter:innen lohnen. Aus sozialer Perspektive ist sie sogar überfällig.

 

Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne "Ausgerechnet" bei ZackZack.

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