affaschübling
/ 6. Juli 2022

Nicht nur Energie und Treibstoffe werden teurer. Auch bei den Lebensmittel zogen die Preise zuletzt teils kräftig an. Vor allem für Haushalte mit wenig Einkommen spitzt sich die Lage immer mehr zu, denn sie trifft die Teuerung der Grundbedürfnisse am stärksten. Eine Mehrwertsteuersenkung auf ausgewählte Lebensmittel würde die ärmsten Menschen in Österreich gezielt entlasten.

Nachfrage nach Lebensmitteln bricht ein

Im Gegensatz zu früheren Episoden ist die aktuelle Inflation angebotsseitig. Das heißt, dass die Preise nicht auf Grund einer überschießenden Nachfrage oder "überhitzenden" Wirtschaft steigen, sondern durch ein zu knappes Angebot. Insbesondere im Bereich Energie und bei gewissen Gütern macht sich dieser Effekt seit dem Vorjahr bemerkbar. Dass die Nachfrage nicht das Problem sein kann, zeigen die aktuellen Umsatzzahlen im Lebensmittelhandel. Um ganze 5,7 Prozent sanken diese im April im Vergleich zum Vorjahresmonat. Seit März beträgt der Rückgang 3,3 Prozent. All das, obwohl die Inflation bei Lebensmitteln zuletzt ganze 8,4 Prozent betrug. Würde gleich viel konsumiert wie noch im Vorjahr, hätte das eigentlich ein kräftiges Umsatzwachstum nach sich ziehen müssen. Das Gegenteil ist jetzt der Fall.

 

Dass in einem inflationären Umfeld die nominellen Umsätze sinken, deutet auf einen Einbruch der Nachfrage hin. Zwar wurden im Lebensmittelhandel in den ersten beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 überdurchschnittlich hohe Umsätze erzielt. Im April sanken diese aber trotz Inflation unter den langjährigen Trend seit 2010. Auch der reale (also preisbereinigte) Umsatzindex im Lebensmittelhandel sank im April um 8,7 Prozent im Jahresvergleich.

Teuerung bei Lebensmitteln trifft vor allem Haushalte mit wenig Einkommen

Die Deckung der Grundbedürfnisse (Lebensmittel, Wohnen und Energie) ist mit immer höheren Kosten verbunden. Vor allem Haushalte mit wenig Einkommen bekommen das zu spüren. Sie geben einen Großteil davon für genau diese Bereiche aus. Bislang kosteten die monatlichen Mehrausgaben durch die Inflation im Jahr 2022 Haushalte im untersten Einkommensfünftel durchschnittlich 7,8 Prozent ihres Einkommens. Mehr als die Hälfte davon machen die Grundbedürfnisse aus. Die Teuerung bei den Lebensmitteln kostet Haushalte im untersten Einkommensfünftel derzeit im Durchschnitt 17 Euro im Monat, oder 1,5 Prozent des verfügbaren Einkommens. Die reichsten 20 Prozent der Haushalte müssen derzeit zwar zusätzlich 22 Euro im Monat aufwenden, das sind allerdings nur 0,5 Prozent ihres Einkommens.

Als Anti-Teuerungsmaßnahme, die auch wirklich inflationsdämpfend wirkt, empfiehlt sich eine Mehrwertsteuersenkung bzw. ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Eine Simulation mittels Daten der Konsumerhebung 2019/20 zeigt, dass die ärmsten 20 Prozent der Haushalte davon nicht nur relativ zum Einkommen, sondern auch in absoluten Zahlen am stärksten profitieren würden. Das hängt allerdings davon ab, für welche Lebensmittel die Mehrwertsteuer tatsächlich ausgesetzt wird.

Um niedrige Einkommen zu entlasten, müsste die Mehrwertsteuer bei jenen Gütern gesenkt werden, die für das ärmste Fünftel am relevantesten sind. Darunter fallen etwa Reis, Milch, Eier, oder Kartoffeln. Dies würde im untersten Einkommensfünftel pro Kopf rund 50 Euro im Jahr bringen (bedarfsgewichtet). Bis zum reichsten Fünftel reduziert sich der Effekt auf 45 Euro. Relativ zum Einkommen würden die ärmsten 20 Prozent ebenso am stärksten profitieren (0,5 Prozent des verfügbaren äquivalisierten Haushaltseinkommens).

Als Entlastungsmaßnahme wäre eine Mehrwertsteuersenkung in dieser Form zudem relativ günstig. Die Kosten der entgangenen Steuereinnahmen beliefen sich auf rund 138 Millionen Euro im Jahr. Das entspricht lediglich 0,68 Prozent der jährlichen Einnahmen des Staates. Zuletzt wurde vielfach argumentiert, eine Mehrwertsteuersenkung würde nicht entsprechend an die Konsument:innen weitergegeben. Als Beispiel wird dabei die temporäre Mehrwertsteuersenkung während der Pandemie in Gastronomie und Hotellerie genannt. Laut einer WIFO-Studie wurde die Reduktion kaum an Konsument:innen bzw. Gäste weitergegeben. Die Rückführung auf den normalen Mehrwertsteuersatz Jänner 2022 hingegen war dann mit einer kräftigen Preissteigerung verbunden. Ein wesentlicher Faktor ist dabei das Preisgesetz. Darin niedergeschrieben findet sich die "Verpflichtung zur Weitergabe von Abgabensenkungen". Genau dieser Paragraph wurde allerdings im Zuge der temporären Reduktion der Mehrwertsteuer in Gastronomie und Hotellerie ausgesetzt. Damit eine entsprechende Maßnahme im Lebensmittelbereich bei den Konsument:innen ankommt, muss das Preisgesetz jedenfalls in ursprünglicher Form gelten. Frische Erfahrungswerte gibt es auch aus Deutschland, wo Mehrwertsteuersenkungen als Entlastungsmaßnahme während der Pandemie eingesetzt wurden (ifo, DIW).

Teuerung bei den Grundbedürfnissen eindämmen

Im Zuge des Teuerungspakets der österreichischen Bundesregierung wurden keinerlei Maßnahmen präsentiert, die tatsächlich inflationsdämpfend wirken. Haushalte mit wenig Einkommen kommen größtenteils nur in den Genuss von Einmalzahlungen. Hingegen wirkt etwa die automatische Abgeltung der kalten Progression als strukturelle Maßnahme längerfristig und begünstigt Haushalte mit hohem Einkommen ungleich stärker. Eine Mehrwertsteuersenkung auf ausgewählte Lebensmittel wirkt dabei insbesondere den gestiegenen Kosten bei der Deckung der Grundbedürfnisse entgegen. Weitere Optionen zur gezielten Entlastung ärmerer Haushalte wären eine Deckelung der Gas- und Strompreise beim Grundverbrauch oder ein Einfrieren der Mieten.

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