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Einkommensungleichheit: Gute Politik statt guter Ratschläge

Barbara Blaha
14. März 2022
Einkommensungleichheit: Gute Politik statt guter Ratschläge

Es gibt heute fast alles in Blau und in Rosa, von Duschgel bis zum Überraschungsei. Am Arbeitsmarkt scheint es nicht anders, auch hier gibt es Frauen- und Männerdomänen. Wo Frauen arbeiten, wird schlecht gezahlt: 7 von 10 Beschäftigten in frauentypischen Berufen haben ein Netto-Einkommen von unter 1.800 Euro. Frauen erhalten nicht einmal vier von zehn Stücke des Lohnkuchens. Liegt die Einkommensungleichheit an der Berufswahl? Ist es ein Naturgesetz, dass wir die Arbeit mit Kindern, mit Alten und Kranken einfach mies bezahlen?

All die “Frauen in die Technik”-Kampagnen der letzten Jahrzehnte legen diesen Eindruck nahe. Frauen, so der Tenor, geht endlich in die Technik. Dann werdet ihr auch gut bezahlt. Nun kann man nichts dagegen haben, dass junge Mädchen Physikerinnen, Elektrotechnikerinnen, Bauingenieurinnen werden. Der Fokus auf weibliche Berufswahl lässt außen vor, dass die „klassischen“ Frauenberufe jene sind, die wir alle brauchen. Von der Reinigungskraft bis zur Pflege: irgendjemand muss unseren Kindern lesen, schreiben und rechnen beibringen und unsere Alten gut versorgen.

Doch selbst wenn sie wechselten, ist ihnen gute Bezahlung nicht garantiert. Studien zeigen: Sobald Frauen in eine Branche drängen, sinkt ihr Ansehen – und das Gehalt gleich mit. So waren etwa Lehrer früher fast ausschließlich Männer – Prestige und Gehalt entsprechend hoch. Übernehmen Männer eine Branche, dann steigt das Gehalt übrigens. In den Anfangstagen der Computer war Programmieren Frauensache. Als Computer immer wichtiger wurden, haben Männer den Beruf übernommen, gegen höhere Bezahlung.

Für einen größten Teil der Arbeit, den sie leisten, werden Frauen im Übrigen gar nicht bezahlt. Kinderbetreuung, Pflege, Betreuung von Angehörigen: fast 60 Prozent der unbezahlten Care-Arbeit wird von Frauen geschultert, zeigen Daten des Momentum Instituts: allein während der Corona-Pandemie fielen weibliche Arbeitsstunden im Wert 108 Milliarden Euro an. Die Zeit, die Frauen in unbezahlte Arbeit stecken müssen, fehlt auf der anderen Seite für die Lohnarbeit.

Mit ein Grund für die hohe Teilzeitquote bei den Frauen sind die Versäumnisse der Politik. Die Teilzeit-Falle schnappt zu, weil Frauen schlicht keine Alternative haben: In Tirol hat nur einer von vier Kindergärten länger als zehn Stunden geöffnet. Dieses Zeitfenster brauchen Eltern aber, um Vollzeit arbeiten gehen zu können. Statt guter Ratschläge brauchen Frauen endlich politische Maßnahmen, die diese Ratschläge überflüssig machen. Für den Anfang: Flächendeckende kostenlose Kinderbetreuung, Verbot von ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit und eine gerechte Verteilung der Arbeitszeit. Und Reinigungskräfte, Pädagoginnen und Pflegerinnen sollten für ihre unverzichtbare Arbeit fair bezahlt werden.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Tiroler Tageszeitung.

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