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Muss die EZB ihre Geldpolitik ändern?

Barbara Blaha
12. Juli 2021
Muss die EZB ihre Geldpolitik ändern?

Und fast schon täglich grüßt das Inflations-Murmeltier. Droht eine gefährliche Teuerungsspirale? “Die Situation ist ernster, als die Statistik zeigt”, sagt der Experte. Ein aktueller Befund, nach der Corona-Krise? Fast. Die Warnung stammt aus dem Jahr 2016. Die rapide steigende Inflation sei unausweichlich, das Ende der Währung nah, behaupteten monetaristische Ökonomen. Vor stark zunehmender Inflation wurde auch schon 2011/12 und 2015 gewarnt. Währenddessen sank die Inflationsrate von 3,3 Prozent 2011 auf 1,5 Prozent im letzten Vor-Corona-Jahr 2019.

Kein Grund zur Panik vor Inflation

Wann kommt es überhaupt zu Inflation? Wenn mehr Güter und Dienstleistungen nachgefragt werden, als angeboten werden können und Firmen ihre Produktion selbst mit Vorlauf nicht mehr erweitern können. Hohe Inflationsraten sahen wir auch in den 1970ern, als aufgrund geopolitischer Konflikte das davor spottbillige Öl auf einmal teuer wurde. Hohe Preis- und daraus folgend Lohnerhöhungen trugen zu einer Lohn-Preis-Spirale bei. Aktuell sehen wir nichts davon. Wenn die Pandemie überwunden ist, worin soll dann der Mangel bestehen? An Arbeitskräften, an Rohstoffen? Wir sehen von sehr niedrigem Niveau wieder steigende Energiepreise, aber sicher keinen Mangel. Auch keinen an Rohstoffen, deren Preise eher zeigen, dass viel Kapital auf der Suche nach Rendite ist.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass in Österreich die Inflation in den meisten Jahren seit 1945 über heutigen Werten lag. Auch in den letzten Jahren lag sie oft unter dem EZB-Ziel von 2%. Zieht man die Inflation von den etwa am Sparbuch gezahlten Zinsen ab, war ein Ertrag gegen null eher die Regel als die Ausnahme. Panik ist also unangebracht.

Lieber um Arbeitslose sorgen

Inflation für sich selbst ist wenig problematisch. Schwierig wird es nur, wenn die Löhne nicht mit der Entwicklung Schritt halten. Das ist bei den niedrigeren Einkommen in Österreich schon seit Jahren ein Problem: die Reallöhne stagnieren – bestenfalls. Mit ein Grund für die niedrigen Reallöhne ist die Arbeitslosigkeit. Sie blieb in den letzten Jahren auch bei brummender Wirtschaft hoch. Für die Arbeitslosen und ihre Familien ist es eine existenzielle Frage, mit der Hälfte des Einkommens auskommen zu müssen.

Zu diesem Thema hört man zu wenig, zur Inflationsangst hingegen sehr viel – oft von Menschen, die einem Investments, etwa in Gold, verkaufen möchten. Auch hilft die Inflationsangst, Stimmung gegen höhere öffentliche Ausgaben zu machen. Die sind aber notwendig, um den Wirtschaftsmotor zu starten und für einen Aufschwung zu sorgen, der stark genug ist, um Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren. Die USA machen gerade vor, dass ein riesiges Konjunkturprogramm für Dynamik sorgt.

Hören wir stattdessen einseitig auf die Inflations-Besorgten und erhöhte die EZB die Zinsen, bezahlen wir dafür mit einem abgewürgten Aufschwung und noch höherer Arbeitslosigkeit. Wem der Wohlstand der vielen ein Anliegen ist, kann das nicht wollen. Zudem sollten wir nicht vergessen: nichts untergräbt Vertrauen in die Demokratie mehr, als fortdauernd hohe Arbeitslosigkeit.

 

Dieser Text erschien zunächst in leicht abgewandelter Form im „Profil“ in einer Pro-Kontra-Gegenüberstellung.

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