Mehr als 100.000 offene Jobs gibt es aktuell in Österreich. Der öffnungsgetriebene Wirtschaftsaufschwung steht in den Startlöchern. Die Unternehmen wären bereit. Was fehlt? Die notwendigen Fachkräfte. In den Medien liest man von Gastronomiebetrieben, die typischerweise „händeringend“ nach Arbeitskräften suchen, aber nicht bereit sind, in Knochenjobs mehr als das Mindest-Kollektivertragsgehalt zu zahlen. In Folge werden Arbeitslose, die sich lieber nach einem besser bezahlten Angebot umsehen, pauschal als arbeitsunwillig verurteilt.
Bei der Debatte herrscht vielerorts Aufklärungsbedarf. Oft wird von Fachkräftemangel gesprochen, wo es gar keinen gibt. Denn beispielsweise Kellner:innen werden in der Gastronomie vor allem ohne fachliche Ausbildung gesucht. Andererseits liegt bei mehr als 13.000 arbeitslosen Kellner:innen im Vergleich zu 6.000 offenen Stellen objektiv kein Mangel vor. Eher rächt sich aktuell, dass Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe ihre Mitarbeiter:innen nach Beginn der Krise auf die Straße gesetzt haben, statt sie zur Kurzarbeit anzumelden. Gleichzeitig kommen tausende Saisonarbeiter:innen aus den östlichen Nachbarstaaten, auf die Österreichs Tourismus offenbar stark angewiesen ist, nicht im erwarteten Ausmaß zurück. Ihnen blieb wenig übrig, als sich seit dem Frühling 2020 andere Jobs suchen.
Wie kann man die offenen Gastrojobs jetzt noch besetzen? Ein erster Schritt wäre es, sich der Wirkung von Angebot und Nachfrage zu besinnen: Wer schwer Mitarbeiter:innen findet, muss die Löhne zu erhöhen. Monetäre Anreize sind aber nicht alles, was für Arbeitnehmer:innen zählt. Genauso wichtig wäre wohl eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Kellner:innen können etwa jederzeit unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist gekündigt werden – Angestellte erst mindestens vier Wochen nach dem Monatsletzten. Außerdem müssen, da hat Hotelier und Ex-Neos-Abgeordneter Sepp Schellhorn ganz recht, Möglichkeiten gefunden werden, um Arbeitskräfte ganzjährig anzustellen. Denn in der Branche werden Arbeitnehmer:innen gerne in der Nebensaison beim AMS zwischengeparkt. Das führt neben den starken individuellen Einkommenseinbußen und hoher Fluktuation auch zu hohen Kosten für die Allgemeinheit.
Braucht es mehr Druck auf Arbeitslose oder soll man sie, wie Arbeitsminister Kocher es formuliert, „mit Sanktionen motivieren“? Eingesparte variable Kosten haben in Kombination mit teils üppigen Unternehmenshilfen vielen Unternehmen auch im Krisenjahr Gewinne beschert. Nun wäre es an der Zeit, in die Mitarbeiter:innen zu investieren.
Das Arbeitslosengeld zu senken, ist mit Sicherheit die schlechteste Option. Kein Betrieb hat viel Freude mit Mitarbeiter:innen, die durch Existenzängste in einen Beruf gedrängt werden, den sie so gar nicht ausüben wollen. Im schlimmsten Fall ziehen sich Menschen dadurch aus dem Arbeitsmarkt zurück. Und jedenfalls würde ein weiteres Senken des in Österreich ohnehin niedrigen Arbeitslosengelds die Armutsgefahr für Arbeitslose vergrößern. Das sollte eigentlich niemand wollen.
Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.