Die Regierung hat ein Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut vorgestellt. Grundsätzlich ist die Unterstützung für Bezieher:innen von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichszulage mit Kindern sowie Sozialhilfebezieher:innen ohne Kinder zu begrüßen. Armutsfest sind die Sozialleistungen damit jedoch noch nicht. Das zeigt die Analyse des ökosozialen Momentum Instituts:
Wer auf Sozialleistungen angewiesen ist, war schon vor der enormen Teuerung häufig armutsgefährdet. Die steigenden Preise treffen Menschen mit wenig Geld besonders hart. Bereits 1,3 Millionen Menschen in Österreich waren 2021 armutsgefährdet. Ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.392 Euro pro Monat (12-mal im Jahr) für einen Ein-Personen-Haushalt. Auch jedes 5. Kind in Österreich ist derzeit armutsgefährdet. Armutsgefährdete Menschen sind auf jeden Euro angewiesen. Die 60 Euro im Monat mehr helfen – aber nur sehr begrenzt. Eine alleinerziehende Mutter aus der unteren Einkommenshälfte kann damit nicht einmal die Mehrkosten für Essen, Wohnen und Energie stemmen. Ihr reißt die Teuerung im Schnitt monatlich ein 180 Euro großes Loch in die Geldbörse.
Um gegen Armut abzusichern, müssten Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, sowie Mindestpension (Ausgleichszulage) teils deutlich höher liegen. Wer Sozialhilfe bezieht, erhält in Wien bei einem Einpersonenhaushalt 1.054 Euro pro Monat (dieser Betrag kann sich zwischen den Bundesländern unterscheiden). Selbst mit 60 Euro mehr pro Monat fehlen einer alleinlebenden Person, die Sozialhilfe bezieht weiterhin 278 Euro, um nicht mehr armutsgefährdet zu sein. Für einen Haushalt mit einer erwachsenen Person und einem Kind fehlen 222 Euro, bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern sind es 167 Euro pro Monat, wobei jeweils die Familienbeihilfe (Annahme: Kinder zwischen 3 und 10 Jahre alt) schon berücksichtigt wurde.
Während andere Sozialleistungen seit Jahresbeginn mit der Teuerung mitwachsen, ist das bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht der Fall. Dabei waren in Österreich zuletzt zwei von fünf arbeitslosen Menschen armutsgefährdet. Bei der durchschnittlichen arbeitslosen Person liegt das Arbeitslosengeld um 328 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle. Für eine arbeitslose Person mit Kind, die nun 60 Euro mehr bekommt, fehlen im Schnitt immer noch 282 Euro. Um gegen Armut abzusichern, sollten Arbeitslosengeld und Notstandshilfe deutlich angehoben und, wie andere Sozialleistungen auch, in Zukunft an die Inflation angepasst werden.
Angekündigt wurden außerdem 15 Millionen Euro für das Schulstartpaket „Schulstartklar“. Statt einmal jährlich 120 Euro pro Kind wird die Zahlung auf 150 Euro ausgeweitet und zweimal im Jahr per einen Gutschein bereitgestellt, für den ein entsprechender Antrag erforderlich ist. Zugute kommt die zusätzliche Unterstützung allerdings lediglich Kindern von Mindestsicherungs- bzw. Sozialhilfebezieher:innen. wird über eine teils sehr komplizierte und selbständige Antragsstellung abgewickelt und wird in Form von Gutscheinen bereitgestellt. In Wien wird sogar empfohlen, einen Termin für die Abholung des Gutscheins zu buchen. Diese Unterstützungsleistung ist also mit hohem administrativem Aufwand verbunden, sie ist voraussichtlich zeitlich befristet (bis Ende 2024) und kommt nur einer bestimmten Gruppe zugute.
Aber auch andere Eltern mit wenig Einkommen haben mit den stark gestiegenen Preisen, vor allem zu Schulbeginn, zu kämpfen. Für sie gibt es das Schulstartgeld (aus dem FLAF finanziert), das allen Kindern über die Familienbeihilfe ausgezahlt wird – es ist somit nicht auf einen Bezieher:innenkreis eingeschränkt. An die Teuerung angepasst wurde das Schulstartgeld bisher allerdings nicht. Durch die Teuerung der letzten 10 Jahre kann man sich mit diesen 100 Euro mittlerweile nur mehr Schulwaren im Wert von 72 Euro kaufen. Das ist ein Kaufkraftverlust bei Papier- und Schreibwaren von 28 Prozent. Um Eltern von Schulkindern zu entlasten, sollte auch das Schulstartgeld dringend indexiert werden.
Die angekündigten Maßnahmen sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung – um Kinderarmut in Österreich abzuschaffen, sind sie aber definitiv zu wenig.
Zur Erinnerung: Bereits 1,3 Millionen Menschen in Österreich waren 2021 armutsgefährdet. Ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.392 Euro pro Monat (12-mal im Jahr) für einen Ein-Personen-Haushalt. Auch jedes 5. Kind in Österreich ist derzeit armutsgefährdet. Die Regierung gibt an, dass das angekündigte Paket rund 400.000 Kindern und 200.000 Erwachsenen helfen wird. Das Momentum Institut hat mit einer EUROMOD-Simulation geschätzt, wie viele Menschen (Erwachsene und Kinder) durch die Maßnahmen im Jahr 2023 tatsächlich über die Armutsgefährdungsschwelle gehoben werden.
Rund 54.000 Personen können die Maßnahmen vor der Armutsbetroffenheit schützen: Von diesen 54.000 Menschen sind fast zwei Drittel Kinder (34.000 Kinder und 20.000 Erwachsene). Positiv zu bewerten ist jedenfalls, dass durch die Maßnahmen mehr Kinder aus der Armutsbetroffenheit gehoben werden können – das Problem Kinderarmut wird also in den Fokus gerückt.
Aber: In Österreich gibt es 1.314.000 armutsgefährdete Menschen. Das bedeutet: Nur etwa 4 Prozent der armutsgefährdeten Menschen können die Regierungsmaßnahmen wirklich über die Armutsgefährdungsschwelle heben.
Personen unter 18 werden im Simulationsmodell als Kinder definiert und die Auszahlung beginnt im Mai (das bedeutet, die 60 Euro pro Monat zusätzlich können maximal noch 8 Mal ausgezahlt werden), bei Kindern von Arbeitslosengeld-, Sozialhilfe-, bzw. Notstandshilfebezieher:innen wurde die Annahme getroffen, dass keine Parallelleistungen bezogen werden. Bei der Ausgleichszulage unterliegt die Annahme eines ganzjährigen Bezugs.