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Österreich macht es sich bequem – auf einem unbequemen Platz

Leonard Jüngling
26. August 2025
Österreich macht es sich bequem – auf einem unbequemen Platz

Österreich hat sich unter den EU-Ländern mit den höchsten Inflationsraten eingerichtet. Während andere Staaten ihre Teuerung bereits deutlich senken konnten, verharrt Österreich im oberen Drittel. Es hat nicht nur lange gedauert, die extreme Preisexplosion der letzten Jahre zu bremsen. Zum Jahreswechsel zog sie auch noch einmal deutlich an. Haupttreiber sind damals wie heute die hohen Strompreise. Lange schaute die Regierung zu. Mit dem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) soll nun eine kostengünstige Stromversorgung für Haushalte und Wirtschaft gesichert werden. Ein kleiner Fortschritt immerhin. Die nötige tiefgreifende Reform bringt es aber nicht.

Eine stabile Stromversorgung, die zugleich die überfällige Energiewende vorantreibt, braucht leistungsfähige Netze. Doch deren Kosten, ein fixer Bestandteil des Strompreises, stiegen allein im vergangenen Jahr um über 30 Prozent. Bezahlen müssen das fast ausschließlich die privaten Haushalte und kleinen Betriebe. Gerecht ist das nicht. Immerhin: Das ElWG sieht vor, große Stromkonzerne stärker an diesen Kosten zu beteiligen.

Die meisten Energieunternehmen in Österreich sind gewinnorientierte Aktiengesellschaften. Ihr Ziel: ein dickes Plus in der Jahresbilanz, selbst wenn das für die Bevölkerung ein dickes Minus im Geldbörsel bedeutet. Im Windschatten der gestiegenen Strompreise haben die neun Landesenergieversorger, Verbund und OMV in den letzten drei Jahren zusätzliche Gewinne von insgesamt 10,25 Milliarden Euro eingefahren (verglichen mit ihren üblichen Jahresgewinnen vor der Energiekrise).

Vom Staat abgeschöpft wurde davon bisher nur ein Bruchteil über den Energiekrisenbeitrag: magere 5,5 Prozent. Und auch im ElWG knickt die Regierung vor der Branche ein. Der geplante Sozialtarif für Menschen, die Sozialleistungen, Mindestpension oder Pflegegeld beziehen, soll nur bis zu 50 Millionen Euro von den Stromkonzernen finanziert werden. Alles darüber hinaus zahlt der Bund: Also wir Steuerzahlenden. Eine gerechte Lösung würde unser Bundesbudget nicht belasten. Die Konzerne haben die Reserven, um den Sozialtarif komplett zu tragen und auf “energiearme” Haushalte auszuweiten. Das würde jene mit geringem Einkommen schützen, die wegen schlechter Isolation oder ineffizienter Heizsysteme besonders viel Strom verbrauchen.

Positiv ist der im Gesetz vorgesehene gemeinwirtschaftliche Auftrag für die Stromkonzerne. Wenn die meist öffentlichen Eigentümer:innen ihn tatsächlich nutzen, um Preise zu senken. Ein wirksamer Hebel wäre, den Verbund in eine Genossenschaft umzuwandeln. Der Konzern produziert rund die Hälfte des heimischen Stroms und könnte, dank längst abgeschriebener Wasserkraftwerke, diesen günstig an seine Mitglieder abgeben: Also an Haushalte, Landesenergieversorger und Betriebe. Ziel wären dauerhaft niedrige Preise, nicht maximale Profite und Spitzengehälter fürs Management.

Unterm Strich: Der Entwurf bringt einzelne Verbesserungen, geht aber nicht weit genug. Die großen Stromkonzerne bleiben von echten Strukturreformen verschont, während Haushalte weiter die hohen Preise doppelt schultern müssen: Zuerst auf der Stromrechnung, dann beim Einkauf. Denn die teure Energie treibt uns alle Preise nach oben. So bleibt Österreich wohl weiterhin auf seinem ungemütlichen Spitzenplatz unter den Hochinflationsländern sitzen.

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im Kurier.

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