Armutsgefährdung: Sozialstaat schützt Männer stärker als Frauen

In Österreich schützen Sozialleistungen Männer deutlich stärker vor Armut als Frauen, wie die Zahlen der Gemeinschaftsstatistiken zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU – SILC) der Eurostat 2024 zeigt.
Mit 34 Prozent schützt der Sozialstaat nur ein Drittel der armutsgefährdeten Frauen. Sozialleistungen heben deutlich mehr Männer (43 Prozent) und Kinder (48 Prozent) aus der Armutsgefährdung.
Frauen sind stärker armutsgefährdet, weil sie den Löwenanteil der unbezahlten Arbeit stemmen und oft in Niedriglohnbranchen tätig sind. Weiters liegt die Lohnlücke zwischen vollzeitbeschäftigten Männern und Frauen immer noch bei rund 12 Prozent. Ein geringes Einkommen bedeutet ein niedriges Arbeitslosengeld und mündet später in einer mickrigen Pension. Diese Faktoren treiben Frauen häufig in die Armut.
2024 leben in Österreich insgesamt 1.288.000 armutsgefährdete Menschen. Im Vergleich zu 2023 ist die Armutsgefährdung vergangenes Jahr etwas gesunken, sie befindet sich aber nach wie vor über dem Vorkrisenniveau 2019 und dem ersten Jahr der COVID-19-Pandemie.
Die heftige Teuerung hat vor allem Menschen mit wenig Einkommen immens belastet. Mittlerweile rauscht die Inflation nicht mehr ganz so stark durch. In Anbetracht der immer noch hohen Armutsgefährdung, hat die neue Regierung in Sachen Armutsbekämpfung aber einiges zu tun. Mehr als jede zehnte Person in Österreich droht in Armutsgefährdung abzurutschen.
Ohne Sozialleistungen wäre fast ein Viertel der Bevölkerung (24 Prozent) armutsgefährdet. Darunter 867.000 Frauen, 743.000 Männer und 566.000 Kinder. Sozialleistungen heben 880.000 Personen aus der Armut. Knapp zwei Drittel lässt der Sozialstaat aber in der Armutsgefährdung zurück, denn die Sozialleistungen sind nach wie vor nicht armutsfest.
Die Armutsgefährdungsschwelle liegt 2024 bei 1.661 Euro monatlich (1-Personen-Haushalt). Sowohl die Mindestsicherung (Sozialhilfe) als auch das durchschnittliche Arbeitslosengeld liegen rund 400 Euro unter dieser Armutsgrenze. Auch Mindestpensionist:innen müssen mit einer Ausgleichszulage auskommen, die 240 Euro unter der Schwelle liegt.
Die höchste Armutsgefährdung haben Arbeitslose (42 Prozent), gefolgt von Alleinerziehenden (36 Prozent), sowie Nicht-Östereicher:innen und alleinlebende Pensionist:innen (beide 32 Prozent). Weiters ist fast jedes fünfte Kind armutsgefährdet.
Ein Fünftel der Personen in Österreich kann keine unerwarteten Ausgaben in Höhe von 1.390 Euro stemmen oder einmal im Jahr auf Urlaub fahren. Jede:r Zehnte kann abgenützte Möbel nicht ersetzen und rund 4 Prozent können die Wohnung nicht warmhalten.
Das Momentum Institut empfiehlt die Sozialleistungen über die Armutsgefährdungsschwelle zu heben und das Arbeitslosengeld an die Inflation anzupassen. Ein Ausbau der kostenlosen und ganztägigen Kinderbetreuung ermöglicht Frauen mehr Zeit für bezahlte Arbeit aufzubringen. Zentral ist weiters die Aufwertung von Branchen mit hohem Frauenanteil, die meistens Niedriglohnbranchen sind. Möchte die Regierung gezielt Frauen vor Armut schützen, darf man sie nicht länger mit der unbezahlten Sorgearbeit allein lassen und muss ihre bezahlte Arbeit anständig vergüten. Das schützt sie nicht nur im Erwerbsleben, sondern auch später vor Altersarmut. Um Kinderarmut in Österreich abzuschaffen, braucht es weiters eine Kindergrundsicherung.