Im letzten halben Jahr sind die Energiepreise stark gestiegen. Die Bundesregierung hat daher ein Unterstützungspaket vorgelegt, um Haushalten und Unternehmen bei den höheren Energiekosten unter die Arme zu greifen. Wir haben uns angesehen, welche Maßnahmen gesetzt wurden und ob diese wirken. Gleich vorweg: Zwar hat die Bundesregierung darauf geachtet, insbesondere auch Haushalten mit niedrigen Einkommen zu helfen. Für energiearme Haushalte müsste die Bundesregierung allerdings deutlich mehr tun.
Um den Energiepreisanstieg abzufedern, hat die Bundesregierung einerseits Abgabensenkungen vorgenommen. Die Erneuerbaren-Förderkosten, bestehend aus der Erneuerbaren-Förderpauschale („Ökostrompauschale“) und dem Erneuerbaren-Förderbeitrag („Ökostrombeitrag“) wurden für das Jahr 2022 ausgesetzt. Für einen Haushalt mit einem durschnittlichen Stromverbrauch bedeutet das eine Entlastung von rund EUR 110 für das gesamte Jahr 2022 – sofern der Haushalt nicht schon von den Erneuerbaren-Förderkosten befreit war, etwa weil Studienbeihilfe, Mindestsicherung oder andere Sozialleistungen bezogen werden. Zusätzlich zu dieser Abgabensenkung hat die Bundesregierung außerdem zwei pauschale Einmalzahlungen beschlossen. Arbeitslose, Sozialhilfe-Bezieher:innen, Studienbeihilfe-Bezieher:innen und Mindestpensionist:innen bekommen einen einmaligen Teuerungsausgleich in der Höhe von EUR 300 pro Haushalt. Dazu kommt außerdem ein Energiekostenausgleich in der Höhe von EUR 150, den alle Haushalte mit einem Einkommen unter der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage von EUR 5.670 Brutto pro Monat liegt. Bei Mehrpersonenhaushalten verdoppelt sich die Einkommensobergrenze.
Insgesamt bekommen somit Haushalte mit sehr niedrigen Einkommen (Sozialhilfe-Bezieher:innen, Studienbeihilfebezieher:innen, etc.) EUR 450 (EUR 150 Energiekostenausgleich + EUR 300 Teuerungsausgleich). Alle anderen Haushalte werden mit EUR 260 (Energiekosten-Ausgleich und Wegfall der Erneuerbaren-Förderkosten) unterstützt, sofern das Einkommen weniger als EUR 5.670 pro Monat beträgt.
Für einen Durchschnittshaushalt steigen die Stromkosten pro Jahr um etwa EUR 90. Ohne den Wegfall der Erneuerbaren-Förderkosten von rund EUR 110 pro Jahr wäre der Anstieg noch höher. Dazu kommen dann noch Heizkosten. Je nach Heizungsart variieren hier die Mehrkosten erheblich. Beim Gas steigen die Kosten im Schnitt um rund EUR 175 pro Jahr, beim Heizöl sind es rund EUR 470. Insgesamt dürfte die Energierechnung bei vielen Haushalten also um mehrere Hundert Euro steigen. Dem gegenüber stehen Unterstützungsleistungen von EUR 0 bis EUR 450, je nach Anspruchsberechtigung für Teuerungs- und Energiekostenausgleich. Ob das Teuerungspaket also die steigenden Energiekosten ausgleicht, hängt vom Energieverbrauch, der Heizungsart und vom Einkommen ab. Wir haben hier die zusätzlichen Energiekosten eines Wiener Haushalts mit durchschnittlichem Strom- und Gasverbrauch den Unterstützungsmaßnahmen gegenübergestellt. Ohne Teuerungsausgleich, der nur für Haushalte mit sehr niedrigen Einkommen gelten wird, steigt der Haushalt mit einem Minus aus.
Steigende Energiepreise sind aus ökologischer Sicht nicht unbedingt problematisch. Wenn ein Haushalt die Möglichkeit hat, sein Heizsystem zu wechseln, dann können höhere Energiepreise einen Anreiz zum Heizungstausch liefern. Problematisch wird es allerdings, wenn Haushalte extremen Kostensteigerungen gegenüberstehen und sie keine Möglichkeit zum Heizungstausch haben, etwa weil das nötige Geld zum Tausch fehlt. Aus diesem Fall hat es sich die Regierung zum Ziel gesetzt, mit dem Teuerungsausgleich insbesondere auch Haushalte mit niedrigen Einkommen zu unterstützen. Wir haben uns deshalb angesehen, wie das Teuerungspaket bei energiearmen Haushalten wirkt.
Energiearme Haushalte sind Haushalte, deren Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt und die zugleich überdurchschnittlich hohe Energiekosten tragen müssen. Rund 140.000 Haushalte in Österreich zählen als energiearm. Viele konnten es sich schon vor dem Energiepreisanstieg nicht leisten, ihre Wohnung angemessen warm zu halten. Hier hätte es auch schon ohne Energiepreisanstieg zusätzliche Maßnahmen gebraucht. Nicht nur aus sozialpolitischer Sicht, sondern auch aus klimapolitischen Gründen. Denn ein hoher Gas- und Stromverbrauch ist auch für das Klima schlecht. Im Schnitt kommen auf energiearme Haushalte rund EUR 490 an zusätzlichen Energiekosten zu. Dem gegenüber stehen allerdings nur maximal EUR 450 an Unterstützungsleistungen. Rund die Hälfte der energiearmen Haushalte, ca. 52 % werden also nicht ausreichend für die steigenden Energiekosten kompensiert. Der Anteil ist verglichen mit den übrigen Haushalten deutlich höher.
Dass energiearme Haushalte zu einem großen Teil nicht ausreichend kompensiert werden, liegt vor allem auch daran, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Teuerungsausgleich sehr eng gezogen sind. Mehr als 50 % der energiearmen Haushalte haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe, Mindestpension oder Studienbeihilfe. Somit erhalten sie auch keinen Teuerungsausgleich. Gleichzeitig kommt der Energiekostenausgleich allen Haushalten, mit einem Einkommen unter der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage zugute. Unsere Verteilungsanalyse zeigt daher auch, dass sich das gesamte Unterstützungsvolumen von rund EUR 1,1 Mrd. recht gleichmäßig über die Einkommensverteilung aufteilt. Auf die 20 % der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen entfällt rund ein Viertel des Volumens. Der Rest geht zu annähernd gleichen Teilen an die übrigen Fünftel, die zwischen 18 und 19 % des Volumens erhalten.
Dazu kommt, dass die Güter und Dienstleistungen auch abgesehen von den Energiekosten teurer wurden. Auch hier sind energiearme Haushalte überdurchschnittlich stark betroffen. Während die österreichischen Haushalte im Dezember 2021 im Schnitt 4,3 % mehr für die gleichen Waren und Dienstleistungen ausgeben mussten als im Dezember 2020, mussten energiearme Haushalte um 5,5 % mehr ausgeben.
Klima- und sozialpolitisch gesehen wäre ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion und ein schnellstmöglicher Heizungstausch am sinnvollsten. Zwar gibt es bereits Förderprogramme für den Heizungstausch. Diese Förderprogramme übernehmen einen großen Teil der Kosten für einen Heizungstausch. Im Falle von Haushalten mit sehr niedrigen Einkommen werden sogar die gesamten Kosten übernommen. Allerdings gibt es hier eine Lücke bei Mehrparteienhäusern. Denn selbst wenn man Eigentümer:in der eigenen Wohnung ist, kann man nicht so einfach die eigene Gastherme gegen Solarpanele am Dach oder eine Wärmepumpe tauschen. Bei Mieter:innen kommt hinzu, dass diese überhaupt keinen direkten Einfluss auf ihr Heizsystem haben. Ihnen bleibt als einzige Option der Umzug in eine andere Wohnung, sofern sich die Vermieterin weigert, die Heizung zu tauschen. Hier würden gesetzliche Mietabschläge helfen. So wie es früher Abschläge für Wohnungen ohne WC und Bad gab, sogenannte „Substandard-Wohnungen“, so dürfte man für eine Wohnung mit Gastherme nicht mehr die volle Miete verlangen. Außerdem sollten Sozialleistungen armutsfest gemacht werden und erhöht werden. Außerdem wäre eine nachträgliche Inflationsanpassung von Sozialleistungen dringen notwendig, um die Armutsgefährdung zu mindern.
Die Analyse des Teuerungspakets basiert auf den Mikrodaten des EU-SILC 2020. Dieser Datensatz besteht aus rund 6.000 Haushalten, die repräsentativ für die Grundgesamtheit der österreichischen Haushalte ist. EU-SILC wird jährlich seit über einem Jahrzehnt erhoben und dient als zentrale Datengrundlage für die Messung verschiedener Armutsindikatoren auf europäischer und nationaler Ebene. Neben dem Mikrozensus Sondermodul „Energieeinsatz der Haushalte“ handelt es sich um den zentralen Datensatz zur Berechnung von Energiearmut seitens der Statistik Austria. Bei allen Berechnungen muss beachtet werden, dass nur rund 140.000 Haushalte in Österreich energiearm sind. Dementsprechend ist das Sample der energiearmen Haushalte verhältnismäßig klein, wie auch Statistik Austria hier festhält. Dementsprechend sind die Ergebnisse mit einer Schwankungsbreite behaftet. Die Einkommensdaten bestehen großteils aus Verwaltungsdaten und beziehen sich auf das Jahr 2019.
Um die steigenden Energiekosten zu simulieren wurde auf Daten des E-Control Preismonitors für Gas und Strom zurückgegriffen. Die Preisänderungen beziehen sich auf die lokalen Anbieter der jeweiligen Bundesländer (Wien Energie, EVN, Energie Burgenland, Energie AG, Salzburg AG, Energie Steiermark, KELAG, TIWAG/TIGAS und VKW). Die Ölpreisdaten stammen aus dem Oil Price Bulletin der EU-Kommission. Zur Berechnung der Energiekostensteigerungen wurden die Energiekosten aus dem EU-SILC Datensatz (Jahr 2019) mithilfe der prozentuellen Preisänderungen der jeweiligen lokalen Anbieter die Jahre 2021 und 2022 hochgerechnet. Als Referenzmonat wurde jeweils der Feber angenommen. Nachdem Haushalte mit niedrigen Einkommen oft von den Erneuerbaren-Energiekosten ausgenommen sind, wurde die Preisänderung von 2021 auf das Jahr 2022 um die durchschnittlichen Erneuerbaren-Förderkosten von EUR 110 pro Jahr bereinigt. Damit wurde angenommen, dass der Wegfall der Erneuerbaren-Förderkosten von den Energieversorgern zu 100 % an die Haushalte weitergegeben wurde. Für Haushalte, die nicht von den Erneuerbaren-Förderkosten befreit waren, wurde der Wegfall der Erneuerbaren-Förderkosten anschließend bei der Simulation des Teuerungspakets wieder berücksichtigt, um die daraus entstehende Entlastung zu simulieren.
Für die Simulation des Teuerungspakets wurde auf die EU-SILC Einkommensdaten zurückgegriffen. Als Sozialhilfe-, Studienbeihilfe- oder Arbeitslosengeldbezieher:innen wurden jene Haushalte definiert, in denen mindestens eine Person die jeweilige Sozialleistung im Jahr 2019 erhalten hat. Während die Zahl der Studienbehilfebezieher:innen sehr nahe an offiziellen Statistiken aus dem Jahr 2019 liegt, wurden mehr Haushalte als Sozialhilfebezieher:innen identifiziert, als dies 2019 tatsächlich der Fall gewesen ist (184.000 lt. EU-SILC vs. 154.000 laut Statistik Austria). Da der von der Statistik Austria übermittelte EU-SILC Datensatz keinerlei Information über den Bezug einer Ausgleichszulage beinhaltet, wurde das Vorliegen einer Anspruchsvoraussetzung mithilfe der übrigen Einkommensdaten simuliert. Mit dieser Simulation wurden rund 200.000 Personen als Ausgleichszulagenbezieher:innen klassifiziert. Laut offiziellen Statistiken lag diese Zahl im Jahr 2019 bei rund 205.000 Personen. Die Divergenz liegt damit bei rund 2,4 %.