Arbeit
Verteilung
favorites-circle favorites-circle
favorites-circle-full favorites-circle-full

Lohnzurückhaltung schadet der Wirtschaft

Oliver Picek
10. April 2025
Lohnzurückhaltung schadet der Wirtschaft

„Wer nicht mehr weiterweiß, gründe einen Lohnzurückhaltungs-Arbeitskreis“. Darauf beschränken sich derzeit die wirtschaftspolitischen Empfehlungen wirtschaftsliberaler Ökonomen. Doch die Erfahrung der letzten Jahrzehnte lehrt: Lohnzurückhaltung ist Gift für die eigene Wirtschaft.

Deutschland hat sie praktiziert. In den 2000ern erlebte unser großer Nachbar deshalb das zweitschwächste Wachstum der Euroländer. Mit Lohnzurückhaltung erkaufen sich Firmen kleine preisliche Wettbewerbsvorteile. Das machte Deutschland zwar zum „Exportweltmeister“. Vom Titel allein konnte sich das Land nichts kaufen. Die Binnenwirtschaft bezahlte einen hohen Preis. Bleiben die Löhne hinter den Preisen zurück, fehlt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das Geld zum Ausgeben. Vom Restaurant bis zum Frisiersalon litten damit alle unter zu wenig Umsatz.

Es hilft auch nicht, dass die (reicheren) Menschen in Österreich aktuell genug Geld hätten, wie Jan Kluge in seinem Gastkommentar von 2. April meint. Mit der Ankündigung von Sparpaketen und Lohnzurückhaltung treibt man die Konsument:innen nämlich erst recht ins „Angstsparen“ vor der ungewissen Zukunft. Ohnehin stieg die Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren um 55.000 Menschen. Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust ist real.

Lohnzurückhaltung kann strategische Fehler nicht ausbessern

Überhaupt ist ein niedrigerer Preis nur ein Grund von vielen, warum Menschen und Firmen Produkte kaufen. Qualität, Innovation, Verlässlichkeit, gutes Management und Fachkräfte sind oft wichtiger. Das sieht man an China. Der Chef von Apple sagt: „Chinas Löhne sind nicht mehr billig. Wir sind dort, weil sie viele tolle Facharbeiter haben.“ China baut – mit viel staatlicher Unterstützung – bessere Elektroautos. Es sicherte sich zudem die profitable Batterieproduktion, während manch deutscher Autobauer verzweifelt am Verbrenner festhält. Die EU und Österreich sollten mit aktiver Industriepolitik dagegenhalten. Wir müssen die Produkte der Zukunft bauen, nicht unsere Facharbeiter und Facharbeiterinnen mit niedrigen Löhnen ins Ausland vertreiben.

Lohnzurückhaltung wäre nötig, wenn Österreich preislich nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Davon kann keine Rede sein. Das Land insgesamt hat nicht über seine Verhältnisse gelebt, sondern darunter! Wir verkaufen mehr Waren und Dienstleistungen an andere Länder als sie an uns. Die Löhne stiegen gerade in der Industrie über Jahrzehnte langsamer als die Teuerung plus Produktivität. Auch deshalb haben wir einen strukturellen Überschuss im Außenhandel von rund zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Ganz anders als etwa Griechenland, das kurz vor dem Staatsbankrott ein Handelsdefizit von knapp 15 Prozent des BIP hatte. So sieht ein wettbewerbsunfähiges Land aus. Österreich ist davon weit weg.

Wie der WIFO-Chef, bemüht Kluge den ehemaligen ÖGB-Präsidenten Benya, der sich aufgrund seines Ablebens nicht mehr der Vereinnahmung erwehrt. Er hätte die beiden Herren darauf hingewiesen, dass das Wirtschaftswachstum und der Anteil der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen am gemeinsam Erwirtschafteten zu seiner Zeit höher waren als heute. Seither schnitten sich die Arbeitgeber ein größeres Stück des Kuchens ab. Auch in Zukunft wird es wieder zu Machtverschiebungen kommen. Mal erkämpfen die Arbeitnehmer mehr, mal die Unternehmensbesitzer. Um aber die Löhne grundsätzlich weniger stark steigen zu lassen, müssen das zunächst die Preise tun. Eine Mietpreisbremse für den Neubau und ein starker Eingriff in die Strom- und Fernwärmepreise wären dafür notwendig.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar für Die Presse.

Anzeige
Alles
Text
Grafiken
filter filter