Das Bild zeigt einen dampfenden Topf mit Deckel, symbolisch für den Preisdeckel.
/ 14. Juli 2022

Die Strompreise steigen weiter an. Zuletzt wurde deshalb verstärkt über Preisdeckel diskutiert. Unsere Berechnungen zeigen, dass man mit Preisdeckeln die Strompreise drastisch senken könnte. Doch der Reihe nach: Was ist überhaupt das Problem, welche Vorschläge liegen am Tisch und was würden sie bringen?

Warum hohe Strompreise ein Problem sind

Vorweg: Die hohen Strompreise haben auch eine positive Eigenschaft. Denn die Klimakrise zwingt uns nicht nur dazu, unsere Energie nachhaltig zu produzieren. Es geht auch darum, insgesamt weniger Energie zu verbrauchen. Am klimafreundlichsten ist die Energie, die gar nicht gebraucht wird. Hohe Strompreise können dazu beitragen, dass Menschen stärker auf ihren Stromverbrauch achten und unnötigen Verbrauch reduzieren. Würden wir weniger Strom verbrauchen, dann wäre dieser übrigens auch günstiger. Denn dann würden wir öfter mit den bestehenden erneuerbaren Stromkapazitäten auskommen und müssten nicht auf teures Gas zurückgreifen. 

Gleichzeitig ist Strom ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft und damit auch unseres Wirtschaftssystems. Haushalte brauchen Strom zum Kochen, zum Kühlen für die Beleuchtung. Unternehmen brauchen Strom für Computer und Maschinen. Für die Energiewende wird Strom sogar immer bedeutender. Denn in vielen Bereichen wollen wir die Verbrennung von fossilen Energieträgern, wie Benzin oder Heizöl, durch elektrische Energie ersetzen, etwa indem die Öl- oder Gasheizung gegen eine Luft-Wärme-Pumpe getauscht wird, oder indem das benzinbetriebene Auto durch ein E-Auto, oder noch besser, den Zug ersetzt wird.

Kurzgesagt, Strom steckt fast überall drin. Das bedeutet nun auch, dass mit höheren Strompreisen nicht nur die Energierechnung weiter steigt, sondern dass auch andere Produkte immer teurer werden. Denn wenn Unternehmen mehr für den Strom bezahlen müssen, den sie für die Produktion brauchen, dann geben sie diese höheren Kosten oft in Form von höheren Preisen an ihre Kund:innen weiter. Damit ist der teure Strom nicht nur direkter, sondern auch indirekter Inflationstreiber. Wird er immer teurer, kann es außerdem passieren, dass Unternehmen ihre Produktion einstellen müssen. Dann sind zusätzlich Arbeitsplätze in Gefahr. Während also hohe Strompreise ein Anreiz zum Energiesparen sein können, bringen sie viele makroökonomische Probleme mit sich. 
 

Wieso sind die Strompreise so hoch?

Grundsätzlich liegt das Problem bei unserer Abhängigkeit von teuren fossilen Energieträgern. Dadurch, dass Gas momentan so teuer ist, ist auch die Stromproduktion mit Gas teuer. Dazu kommt, dass der europäische Strommarkt derzeit so ausgestaltet ist, dass die teuren Gaskraftwerke den Preis für alle anderen Kraftwerke vorgeben. Dieses Vorgehen kommt aus den 2000er Jahren, in denen der Strommarkt liberalisiert wurde. Ehemalige Staatsunternehmen wurden (teil-)privatisiert und es wurde ein neuer Preismechanismus für die wichtigen Stromauktionen an den Börsen eingeführt, der nach dem Merit-Order-Prinzip funktioniert. Dabei ist es so, dass zunächst sämtliche Kauf- und Verkaufsangebote im Rahmen der Versteigerung eingeholt werden. So wird ermittelt, wie viel Strom zu welchem Preis gekauft oder verkauft werden soll. Den Zuschlag bekommen dann die jeweils günstigsten Angebote, die benötigt werden, um die nachgefragte Menge an Strom zu decken. Die teureren Kraftwerke bleiben auf ihren Angeboten sitzen. Dieser Mechanismus drängt so tendenziell teurere klimaschädliche Kraftwerke vom Markt. Der Strompreis wird dabei vom jeweils teuersten Kraftwerk unter den Kraftwerken, die den Zuschlag bekommen haben, festgelegt. Wird genügend Strom aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen, dann hat dieses System Vorteile: Die teuren Kraftwerke fallen um ihr Angebot um, Strom ist günstig und klimafreundlich. Zusätzlich können kostengünstige, klimafreundliche Kraftwerke, wie etwa Windräder, einen größeren Gewinn einfahren. Das kann Investitionen in genau diese Technologien befeuern und hilft so bei der Energiewende. 
In der momentanen Situation bringt dieses System aber große Probleme mit sich. Denn dadurch, dass wir nicht ausreichend günstigen Strom mit erneuerbaren Energieträgern herstellen, müssen wir auf Gaskraftwerke zurückgreifen. Gas ist momentan extrem teuer und durch den oben beschriebenen Preismechanismus setzt nun dieses teure Kraftwerk den Preis für alle anderen Kraftwerke fest. Für die erneuerbare Stromerzeugung ist das ein gutes Geschäft. Unternehmen, wie der Verbund, fahren riesige Gewinne ein, die viel größer sind als beim Bau der Kraftwerke angenommen. Es handelt sich also um Zufalls- oder Übergewinne, die zulasten der Allgemeinheit gemacht werden, die für den teuren Strom tiefer in die Tasche greifen muss. Die Übergewinne könnte man deshalb mit einer Übergewinnsteuer abschöpfen und über Unterstützungsmaßnahmen an Haushalte und Unternehmen zurückverteilen. Alternativ könnte man aber über Preisdeckel auch direkt in die Preissetzung eingreifen und einen Teil der Übergewinne so erst gar nicht entstehen lassen. 

Das Schweizer Modell

Die erste Möglichkeit wäre, die Preisgestaltung auf eine Durchschnittskosten-Methode umzustellen, so wie das in der Schweiz getan wird. Dabei ist es so, dass Stromanbieter nur die Gestehungskosten bzw. die Anschaffungskosten ihres Strommixes weiterverrechnen dürfen. Die Gestehungskosten beinhalten dabei grob gesagt sowohl die Kosten für die Stromproduktion selbst als auch die Investitionskosten für die Kraftwerke. Muss ein Anbieter zusätzlich Strom auf der Börse zukaufen, so darf er diese Kosten ebenfalls weitergeben. Der Preis für die Endverbraucher:innen errechnet sich dann aus dem Durchschnitt all dieser Kosten.
Das würde dazu führen, dass nur der tatsächlich mit Gas produzierte Strom auch die steigenden Gaspreise beinhalten dürfte. Strom, der aus erneuerbaren Energieträgern produziert wurde, ist günstiger und muss dementsprechend günstig weitergegeben werden. Je mehr Strom aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen wird, desto günstiger wäre in diesem Fall der Strom. 

Würde man für Österreich ein ähnliches Vorgehen wählen, das zusätzlich noch einen Gewinnaufschlag von 10 % beinhaltet, dann würde sich der Strompreis zurzeit um ca. 60 % reduzieren. Das liegt vor allem daran, dass der Großteil des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen wurde, in den letzten beiden Wochen rund 94 %. In den ersten beiden Juliwochen wäre der Großhandelsstrompreis also um etwa 200 Euro niedriger gewesen. Die Herausforderung liegt hier darin, dass man die Liberalisierung des europäischen Strommarktes teilweise rückgängig machen müsste, was Zeit bräuchte. Als kurzfristige Lösung wäre dieses Modell also weniger geeignet. Außerdem brachte das europäische Modell vor den jetzigen Preisanstiegen durchaus günstigere Preise hervor als das Schweizer Modell. 
 

Das Iberische Modell

In Spanien und Portugal wurde Mitte Juni auf ein Jahr befristet ein Preisdeckel auf Gas für die Stromproduktion eingeführt. Kraftwerke erhalten so eine Subvention, mit der ein Teil des Gaspreises übernommen wird. Gleichzeitig wird der Strompreis im gleichen Ausmaß gesenkt. Die Subvention wird von allen Verbraucher:innen finanziert. Nachdem nur ein Teil des gesamten Stromverbrauchs von Gaskraftwerken gedeckt wird, während der gesamte Stromverbrauch von den niedrigeren Preisen profitiert, ist diese Maßnahme aus finanzieller Sicht sehr effizient. Für Österreich würde ein solcher Preisdeckel die Strompreise deutlich reduzieren. Wird der Gaspreis für Kraftwerke auf EUR 100 pro Megawattstunde Gas gedeckelt, dann reduziert das den Strompreis um rund 40 Prozent, bei niedrigeren Deckeln wäre der Effekt entsprechend größer. 
 

Dazu muss man allerdings sagen, dass das österreichische Stromnetz viel stärker mit dem restlichen europäischen Stromnetz verbunden ist als das iberische Stromnetz. Österreich kann also viel mehr Strom importieren und exportieren. Das bedeutet, ein einseitiges Vorgehen Österreichs kann dazu führen, dass ein großer Teil des so produzierten Stroms exportiert werden würde. Dann müssten wir einerseits mehr Strom importieren. Andererseits würde die Stromproduktion mittels Gaskraftwerken hochgefahren werden, um den Strombedarf inklusive der Exporte zu decken. Damit würden die Effekte schwächer ausfallen als oben dargestellt. Auch klimapolitisch wäre das ein Problem. Deshalb wäre es wichtig, dieses Modell auf europäischer Ebene umzusetzen. Denn wenn der Preisdeckel überall in Europa gilt, dann gäbe es keine Anreize für verstärke Exporte und die Stromproduktion mittels Gas würde gleichbleiben und nicht weiter ansteigen. 

Strompreisdeckel auf den Grundbedarf

Als dritte Möglichkeit könnte direkt bei den Haushalten angesetzt werden (eine ausführliche Analyse aus dem März gibt es hier.). Dort könnte ein gesetzlicher Höchstpreis für einen Grundbedarf an Strom festgeschrieben werden. Nur der darüberhinausgehende Verbrauch würde dann zu teureren Preisen verkauft werden. Zunächst würde das bedeuten, dass ein Teil der jetzigen Übergewinne von Stromproduzent:innen gar nicht erst entstehen würde. Diese Vorgehensweise wäre somit eine Alternative zu einer Übergewinnsteuer und würde dabei helfen, die aktuellen gesellschaftlichen Kosten der hohen Energiepreise gleicher zu verteilen. Wichtig wäre dabei aber, dass der Preisdeckel nicht automatisch zur Gänze vom Staat getragen wird, so wie das an anderer Stelle vorgeschlagen wurde, denn dann würden die staatlichen Zahlungen direkt in die Übergewinne von Energiekonzernen fließen. Gleichzeitig würde dieser Preisdeckel auf den Grundbedarf soziale und klimapolitische Ziele vereinen. Denn mit einem günstigeren Grundbedarf an Strom würde man Grundbedürfnisse unterstützen. Der Betrieb des Kühlschranks und der Waschmaschine würde so günstiger werden. Wer hingegen überdurchschnittlich viel Strom verbraucht, etwa weil der Pool geheizt wird, müsste auch mehr zahlen. Das ist auch klimapolitisch vorteilhaft, denn anders als bei einem generellen Preisdeckel oder einer Mehrwertsteuersenkung bleibt ein Anreiz zum Energiesparen erhalten. Für einen durchschnittlichen Wiener Zweipersonenhaushalt würde das bedeuten, dass die Stromrechnung um rund 340 Euro sinkt. Das ist dringend notwendig, denn nächsten Jänner könnte sich die Stromrechnung verdoppeln. 

Die Herausforderungen liegen bei dieser Variante in der Definition des Grundbedarfs. Hier kommt es zu einem Trade-Off zwischen einem hohen Grad der Differenzierung und Umsetzbarkeit. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob der Grundbedarf je nach Haushaltsgröße variieren sollte. Eine vierköpfige Familie braucht schließlich mehr Strom als ein Einpersonenhaushalt. Außerdem wird etwa für den Betrieb von Wärmepumpen, die eine wichtige klimafreundliche Alternative zu Gas- und Ölheizungen sind, zusätzlich Strom gebraucht. 
 

Fazit: Kurzfristige Unterstützung über Preisdeckel und langfristiger Umbau des Strommarktes

Die hohen Strompreise sind zunächst Resultat davon, dass wir noch immer zu abhängig von fossilen Energieträgern, wie Öl und Gas sind. Eine zügige Umsetzung der Energiewende ist somit die nachhaltigste Variante, um nicht nur die Klimakrise einzudämmen, sondern auch die Energiepreise zu senken. Während hohe Energiepreise ein Anreiz zum Energiesparen sein können, werden sie zunehmend zum Problem, da sie die Inflation stark anfachen und so zu großen gesellschaftlichen Kosten führen, denen große Übergewinne von Energiekonzernen gegenüberstehen. Deshalb sollte nun auch über Markteingriffe in der Form von Preisregulierungen nachgedacht werden. Alle drei oben beschriebenen Varianten haben dabei Vor- und Nachteile und sind in der Realität noch um ein Stück komplexer in der Umsetzung als in diesem Beitrag beschrieben. Kurzfristig dürften vor allem das spanische Modell und der Energiepreisdeckel auf einen Grundbedarf für Haushalte eine gute Lösung darstellen. Während das spanische Modell die Inflation insgesamt besser bremsen kann und die Nachteile des Merit-Order-Prinzips kurzzeitig abschwächen würde, bietet der Preisdeckel auf den Grundbedarf mehr Anreize zum Energiesparen. Außerdem vermeidet man mit dem Preisdeckel auf den Grundbedarf die direkte Förderung von Gaskraftwerken und das System ist auf nationaler Ebene umsetzbar, während es für das spanische Modell eine europäische Lösung braucht.

Langfristig sollte der europäische Strommarkt umgebaut werden. Während mit der Liberalisierung der europäischen Strommärkte viele positive Entwicklungen, wie lange Zeit günstigere Preise und eine besserte Vernetzung auf europäischer Ebene, einhergingen, wird nun die Kehrseite der Medaille sichtbar. Nachdem Strom ein wichtiger Grundpfeiler für Gesellschaft und Wirtschaft ist, sollten die Entwicklungen der letzten Jahre kritisch evaluiert werden und eine stückweise Rückkehr zu einem stärker regulierten Strommarkt mit einer starken Rolle für staatliche Akteure angedacht werden. Der Schweizer Preisbildungsmechanismus könnte hier einige wichtige Ansätze liefern. 


 

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