Die Industrie steckt in der Krise: Kurzarbeit ist ein bewährtes Erfolgsmodell, um in Krisenzeiten Arbeitsplätze zu erhalten. Höchste Zeit, sie wieder einzusetzen.
Abgelehnt. Den Stempel erteilten AMS und Arbeitsministerium dem Kühlschränke-Hersteller Liebherr, als der größte Arbeitgeber Osttirols Kurzarbeit für seine Beschäftigten beantragen wollte. Auch bei KTM war die staatlich geförderte Kurzarbeit schnell vom Tisch. Das Unternehmen muss handeln. Die Lösung: 300 Arbeiter verlieren ihren Job. Das kommt die Beschäftigten teuer.
Teile der Industrie stecken in der Krise. Um ein ganzes Fünftel eingebrochen ist die Industrie, die vom Bau in Österreich abhängt. Der Bau selbst ist wegen der hohen Zinsen völlig eingebrochen. Die zaghaften Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank geben Anlass zu hoffen: Ein schwieriger Winter noch mit hoher Arbeitslosigkeit, dann könnte es wieder bergauf gehen. Branchen mit hohem Energieverbrauch haben ein Zehntel ihrer Produktion verloren. All das sind Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, der das business as usual stört.
Kurzarbeit ist das richtige Instrument gegen eine solche Situation. Wenn die Arbeit fehlt, die Produktion für ein paar Wochen oder wenige Monate stillsteht, vereinbaren die Sozialpartner mit dem AMS kürzere Arbeitszeiten. Die Beschäftigten erhalten weiterhin den größten Teil ihres Lohnes. Gerade für Niedrigverdiener unter den Arbeitern macht das einen gewaltigen Unterschied: Statt runter auf gut die Hälfte des letzten Lohns wie beim Arbeitslosengeld bleiben ihnen bis zu 90 Prozent. Der Vorteil für das Unternehmen: Es spart Personalkosten und hält die bestehende Belegschaft zusammen, um im nachfolgenden Aufschwung rasch durchzustarten. Ein Win-Win-Szenario.
Die Industrie ist Österreichs Leitbranche. Auch viele gut bezahlte Dienstleistungsjobs hängen an ihr dran. Nun ist die Politik am Zug. Doch die ziert sich. Seit Juli 2022 hat das AMS keine Kurzarbeit mehr bewilligt. Derweil hat Kurzarbeit in Österreich viele Jobs gerettet. Etwa in der schweren Industrierezession 2009 im Zuge der Finanzkrise. Länder mit Kurzarbeit – Deutschland, Österreich – sind im Vergleich deutlich besser durch das Jahr gekommen. Dass Arbeitsminister Martin Kocher Kurzarbeit komplett verweigert, kostet im „besten“ Fall kurzfristig Arbeitsplätze. Im schlimmsten Fall hinterlässt seine Verweigerungshaltung dauerhaft Scherben. Etwa, wenn gekündigte Arbeitskräfte keinen Job mehr finden und in die Langzeitarbeitslosigkeit abdriften. Die steigt seit zwei Jahren schon wieder an.
Kurzarbeit ist freilich kein Allheilmittel. Sie hilft zur Überbrückung einer Nachfragekrise, bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ist ein Unternehmen einmal in Kurzarbeit, müssen AMS und Arbeitsministerium genau beobachten, wie es um das Unternehmen steht. Am Beispiel KTM erklärt: Falls KTM tatsächlich größere strukturelle Probleme hat, also etwa permanent Marktanteile an neue chinesische Anbieter verliert, müsste man die Kurzarbeit nach ein paar Monaten wieder auflassen. Kurzarbeit ist keine Dauerförderung. Darauf muss ein Arbeitsminister schauen.
Der Arbeitsminister hat wohl noch Corona im Gedächtnis. Angesichts der Massen an Anträgen war das abwickelnde AMS zeitweise überfordert. Es gab Überförderung bei großen Industrie-Unternehmen und Missbrauch bei kleinen Betrieben. Heute wäre die Antragszahl wieder überschaubar. Während Corona wirkte die Kurzarbeit Wunder. Ohne sie wäre die Arbeitslosenzahl wohl auf über eine Million hochgeschnellt. Die Kurzarbeit hat damals ein paar hunderttausend Menschen vor der Arbeitslosigkeit gerettet.
Angesichts der Budgetsituation muss eine künftige Bundesregierung zumindest mittelfristig über eine Gegenfinanzierung der Kurzarbeit nachdenken. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch Unternehmen können sich die Kosten je zur Hälfte teilen. So könnte die künftige Bundesregierung die Kalte Progression auf Zeit wieder zulassen. Über eine höhere Lohnsteuer würden die Beschäftigten solidarisch ihren Teil der aufgelaufenen Kurzarbeits-Kosten abbezahlen. Für große Unternehmen könnte die Politik die Steuern auf Unternehmensgewinne wieder erhöhen, gekoppelt mit einer höheren Steuer auf Dividenden. Zahlen sich Betriebseigentümer – wie einige in den letzten Jahren – hohe Ausschüttungen aus, würden sie die Rechnung für die Kurzarbeit gleich mitbegleichen.
Was es für die Zukunft der österreichischen Industrie nicht braucht, sind Milliardengeschenke, wie Lohnnebenkosten-Senkungen, weniger Gewinnsteuern, oder niedrigere Löhne. Jener Teil der Industrie mit hohen Lohnkosten hat im Schnitt die zweijährige Rezession nicht mitgemacht. Wer den Industriestandort ernsthaft halten will, muss schlicht Kurzarbeit zulassen.
Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im Standard.