Um ihre umweltschädlichen Emissionen vermeintlich zu reduzieren, greifen Unternehmen in den letzten Jahren verstärkt auf sogenannte “Kompensationen” zurück. Greenpeace durchleuchtet in der neuen Publikation “Grüne Märchen“, wie das Geschäft mit Kompensationen wirksamen Klima- und Umweltschutz blockiert. Wir haben dafür analysiert, wie viel Fläche Österreichs der zusätzlichen Aufforstung von Bäumen gewidmet werden muss, um die CO2-Emissionen der hiesigen Wirtschaft zu kompensieren. Die Berechnung zeigt, dass wir nicht über so viel freie Fläche verfügen, an der tatsächlichen Reduktion der Emissionen führt somit kein Weg vorbei.
Für Unternehmen, die ihren umweltschädlichen Einfluss reduzieren möchten, gibt es verschiedene Ansätze: Etwa können sie ihre negativen Auswirkungen auf die Umwelt verringern, indem sie ihre CO2-Emissionen reduzieren, den Ressourcenverbrauch und Müll verringern oder Prozesse umgestalten, dass sie Energie sparen und fossile Energien durch Erneuerbare ersetzen. Zusätzlich zu der wahrhaften Reduktion von klimaschädlichen Emissionen hat sich ein Markt für Ausgleichszahlungen, sogenannte Kompensationen, etabliert: Für eine bestimmte Menge an negativen Umwelteinflüssen, die ein Unternehmen verursacht, zahlt das Unternehmen einen festgelegten Preis. Dieses Geld wird vom Kompensationsanbieter in ein Projekt investiert, das die Umwelt schützen soll. Kompensationen werden in verschiedenen Bereichen angeboten, am bekanntesten ist das Geschäft mit CO2-Kompensationen.
“Kompensationen bieten Unternehmen einen Freifahrtschein für Naturzerstörung: Anstatt Unternehmen von Grund auf nachhaltig aufzubauen, kaufen sich Unternehmen mit Hilfe von Kompensationen von ihrer Verantwortung frei. Sie lagern ihre Probleme aus und fördern so neokoloniale Strukturen. Es ist höchste Zeit, dass Unternehmen volle Verantwortung übernehmen und ihr Geschäft auf nachhaltige Beine stellen” sagt Ursula Bittner, Wirtschaftsexpertin bei Greenpeace in Österreich.
In Österreich konnten private Haushalte ihren CO2-Ausstoß seit 1995 leicht reduzieren, die Emissionen der Wirtschaft stiegen im selben Zeitraum hingegen um fast ein Drittel. 2021 betrugen die Emissionen der Wirtschaft 62,7 Millionen Tonnen, im Vergleich zu 1995 ist der CO2-Ausstoß um 29 Prozent höher.
Unter der Annahme, dass die insgesamt 62,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen der österreichischen Wirtschaft mit der zusätzlichen Aufforstung von Bäumen kompensiert werden, benötigt es eine Fläche von 14.250 km² – sprich etwa so viel wie die Fläche von ganz Oberösterreich und Vorarlberg zusammen. Das entspricht 17 Prozent von Österreichs Gesamtfläche von 83.884 km², das jährlich zusätzlich bewaldet werden müsste. Zur Berechnung wird herangezogen, dass ein ausgewachsener Baum pro Jahr etwa 22 Kilogramm CO2 aufnimmt und 2.000 Bäume pro Hektar Waldfläche gepflanzt werden.
Tatsächlich ist bereits jetzt fast die Hälfte (46 Prozent) der österreichischen Fläche mit Nutzwäldern bewaldet, etwas mehr als ein Viertel (29 Prozent) wird für landwirtschaftliche Zwecke genutzt und die Alpen erstrecken sich über 16 Prozent der Gesamtfläche. Insgesamt 8,6 Prozent entgehen auf Verkehrsflächen und Freizeitflächen (jeweils 2,5 Prozent), Wohn- und Betriebsflächen (1,9 Prozent) und Gewässer (1,7 Prozent). Somit steht de facto nicht ausreichend Fläche zur Verfügung, um die für eine etwaige Kompensation notwendige Pflanzung von neuen Bäumen (17 Prozent) durchzuführen.
Kompensationen sind Klimaschutz-Trugbilder. Sind die CO2-Emissionen einmal in der Luft und unser Planet dadurch noch weiter erhitzt, können wir diese freigesetzten Treibhausgase auch mit dem Pflanzen von Jungbäumchen nicht mehr einfangen. Ganz abgesehen davon, dass wir in Österreich gar nicht den Platz hätten, um in diesem Ausmaß überhaupt zusätzlich aufzuforsten. Die benötigte Fläche zur Aufforstung ist mit 17 Prozent mehr als doppelt so groß, wie die Fläche die Wasser, Wohnen, Verkehr, Freizeit und Betriebe aktuell österreichweit in Anspruch nehmen.
Das Momentum Institut empfiehlt den Kompensations-Handel einzustellen. Weiters sollte eine Abschaffung von (irreführender) Werbung für umweltschädliche Aktivitäten oder Produkte, ähnlich dem Verbot für Tabakwerbung, erzielt werden. Zusätzlich sollte die Bundesregierung Klimaschutz auf die Prioritätenliste setzen: Im Budget 2024 tragen nur knapp neun Prozent aller Maßnahmen positiv zum Klima- und Umweltschutz bei. Demgegenüber stehen nach wie vor sechs Milliarden für klimaschädliche Investitionen. Um etwa die thermische Sanierung von Gebäuden voranzubringen und den öffentlichen Verkehr auszubauen, müssten jährlich zumindest 12,5 Milliarden Euro für den Klimaschutz investiert werden.