Corona-Krise

Corona: Wer die Krise zahlt, wenn wir nichts ändern

Rechner

Unser Steuersystem ist weit entfernt von Progressivität

Wer bezahlt die Krisenkosten, wenn wir in unserem Steuersystem nichts ändern? Durch die Wirkung von indirekten Steuern wie der Mehrwertsteuer haben wir real fast eine Flat Tax (Einheitssteuersatz). Das heißt, dass jeder und jede denselben Steuersatz für das besteuerte Gut oder eine besteuerte Dienstleistung zahlt. Die Mehrwertsteuer ist ein Beispiel: Alle zahlen 20% auf einen Bleistift, der Milliardär wie auch die alleinerziehende Mutter. Solche Steuern verringern das Gewicht von anderen, gestaffelten Steuern, bei denen jene mehr abgeben, die zum Beispiel mehr verdienen (progressive Lohnsteuer) wenn es um die gesamte Steuerlast geht. Dass nun trotz progressiven Teilen unseres Steuersystems Menschen mit höheren Einkommen insgesamt prozentuell kaum mehr beitragen, zeigt die nachstehende Grafik sehr deutlich.

Das bedeutet, dass der Grundsatz jedes modernen progressiven Steuersystems für Österreich einfach nicht zutrifft: Menschen mit höheren Einkommen zahlen hierzulande keine höhere Steuersätze, obwohl sie finanziell mehr zum Gemeinwesen beitragen können. 

Außerdem: Kaum Steuern auf extrem ungleich verteiltes Vermögen

Zusätzlich machen Steuern auf Vermögenserträge selbst bei den obersten Einkommenszehnteln nur einen verschwindend geringen Anteil aus. Dabei ist Vermögen in Österreich extrem ungleich verteilt, wie @matschnetzer wunderschön visualisiert hat.

Das muss nicht so bleiben

Die Krisenkosten werden, sofern kein Umdenken geschieht, also von der breiten Masse der Nicht-Vermögenden und Nicht-SpitzenverdienerInnen getragen werden. Und das ohne einen größeren Beitrag jener, die sich's leisten können, weil unser Steuersystem sie nicht stärker belastet. 

Familienhärtefallausgleich: Das reicht noch immer nicht

Mutter auf Bank mit Kindern

Kommen Familien nun zum Zug?

Der seit Mitte April aufgesetzte Familienhärtefällefonds soll für Familien, die wegen Corona Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, eine Erleichterung sein. Und obwohl die Fondsmittel nun von EUR 30 Mio. auf EUR 60 Mio. erhöht wurden, werden sie nicht für echte Hilfe reichen. Das wird klar, wenn man die Anzahl der möglichen Anspruchsberechtigten überschlägt. Außerdem sollen nun auch Familien, die schon vor Corona aus einem oder zwei arbeitslosen Elternteilen bestanden, Mittel aus dem Fonds erhalten. Die EUR 20 Mio. die dafür reserviert sind lassen den restlichen Fonds also von EUR 30 Mio. auf nur EUR 40 Mio. ansteigen. Die folgende Überschlagsrechnung wurde um die EUR 10 Mio. höheren Mittel und um knapp 340.000 weitere KurzarbeiterInnen aktualisiert.

Wer hat überhaupt Anspruch auf Hilfe?

Anspruchsberechtigt sind Familien, die wegen Corona arbeitslos oder in Kurzarbeit geschickt wurden, Anspruch auf Familienbeihilfe haben und unter gewissen Einkommensgrenzen liegen. Analog können Selbstständige, die Ansprüche aus dem Härtefällefonds für ihre Betriebe haben, ebenfalls Mittel aus dem Familienhärtefonds erhalten. Wie sich das Verhältnis der Anspruchsberechtigten und der Anzahl der Familien, an denen der einmalige Maximalbetrag von EUR 1.200 ausgezahlt werden kann, verändert hat, zeigen die beiden folgenden Grafiken - erstere bezieht sich auf den mit EUR 30 Mio. dotierten Fonds und zweitere zeigt die Ergebnisse der aktualisierten Schätzung.

Wirkliche Hilfe sieht anders aus

Und obwohl es zu begrüßen ist, möglichst viele mit dem Fonds unterstützen zu wollen, so waren die am Anfang bereitgestellten Mittel schon alleine für alle geschätzten anspruchsberechtigten Corona-Arbeitslosen zu gering. Wären die EUR 30 Mio. (nächste Abbildung) auf sie aufgeteilt geworden, hätte man den mögliche Maximalbetrag von EUR 1.200 weit verfehlt, und jede AntragstellerIn lediglich EUR 960 erhalten. Nach der Aufstockung auf EUR 40 Mio. sieht das anders aus, der Maximalbetrag wäre tatsächlich auszahlbar, würde er nur an die Corona-Arbeitslosen ausbezahlt werden (übernächste Abbildung). Dieses Ergebnis ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, da seit Anfang April keine aktuellen Arbeitslosenzahlen mehr veröffentlicht wurden. Wirklich relevant ist aber ohnehin der auszahlbare Betrag an alle geschätzt Anspruchsberechtigten. Und dabei kann festgestellt werden, dass die Anzahl der Anspruchsberechtigten schneller steigt als die dotierten Fondsmittel. 

Eine brauchbare Alternative: Arbeitslosengeld erhöhen!

Familien könnte besser geholfen werden, wenn man zum Beispiel das Arbeitslosengeld erhöht – von 55% auf 70% des vorherigen Nettoeinkommens. Dabei erhalten BezieherInnen zum Ersten monatlich einen zusätzlichen Betrag, der, zum Zweiten, sogar höher als der einmalige Zuschuss aus dem Familienhärtefällefonds ist, wenn die Mittel an alle geschätzten Anspruchsberechtigte ausgeschüttet werden. Wird die Erhöhung des Arbeitslosengeldes über 6 Monate beibehalten, bekommen BezieherInnen also um über EUR 1.600 mehr. Das ist über sieben mal mehr als die EUR 213 die einmalig durch den Familienhärtefällefonds ausbezahlt werden und für die außerdem es einen Antrag zu stellen gilt.

Corona-Hilfspakete: Was kann Österreich von anderen Ländern lernen?

Gestapelte Münzen

Österreich hat wie alle anderen europäischen Länder ein ambitioniertes Hilfspaket aufgelegt – das Motto ist „koste es, was es wolle“ wie der Bundeskanzler es formuliert hat. 38 Mrd. Euro sollen die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Shutdowns abfedern. Davon sind EUR 10 Mrd. für Stundungen, EUR 9 Mrd. für Kreditgarantien, EUR 15 Mrd. als Notfallhilfe für betroffene Branchen und EUR 4 Mrd. im Krisenbewältigungsfonds vorgesehen.

Das Kernproblem der Corona-Krise ist der Ausfall von Einkommen auf breiter Ebene: Betriebe, die nicht mehr produzieren bzw. verkaufen und ArbeitnehmerInnen, die nicht mehr arbeiten gehen dürfen. Alle diese Personen müssen aber weiterhin ihre Rechnungen bezahlen und ihren Lebensunterhalt finanzieren können – sonst gehen sie in kürzester Zeit pleite. Prinzipiell haben deshalb alle staatlichen Hilfspakete drei Ziele, die zur Stützung der Einkommen während der Krise führen sollen:

(1)    Schaffung von Liquidität
(2)    Sicherung von Beschäftigung
(3)    Abfederung von Härtefällen

Für das Erreichen dieser Ziele setzen die einzelnen Länder auf einen unterschiedlichen Mix aus direkten Transfers ("cash auf die Hand"), Stundungen und Liquiditätsmaßnahmen wie Kreditgarantien. Erstere wirken als direkter fiskalischer Impuls während die beiden letzteren Kreditmaßnahmen darstellen, die prinzipiell zurückgezahlt werden müssen. Die österreichische Notfallhilfe ist dabei ein besonderes Modell, da sie als Mix von Krediten und Zuschüssen konzipiert ist, wobei erst später abgerechnet wird. Jener Umsatzentfall, der auf die Krise zurückzuführen ist, soll dabei nach der Krise erlassen werden.

Wie schlägt sich Österreich also im internationalen Vergleich? Setzt die Regierung auf den richtigen Maßnahmen-Mix, um die drei genannten Ziele zu erreichen? Und wo können wir von anderen Ländern lernen?

Schnell Liquidität schaffen ist das Wichtigste

Die einfachste Maßnahme zur Schaffung von Liquidität ist die Stundung von Lohnsteuern und SV-Beiträgen. Wie die obige Grafik zeigt, greift quasi jedes Land zu dieser Maßnahme. Stundungen haben den großen Vorteil sehr effektiv zu sein, weil damit Betriebe schnell Geld auf ihren Konten unmittelbar verfügbar haben. Dieses können sie direkt einsetzen, um ihre Rechnungen und Löhne weiter zu bezahlen, bis andere Maßnahmen wie die Kurzarbeit greifen. Sie ist außerdem beliebt, da sie administrativ einfach umzusetzen ist. Die fälligen Beträge werden einfach nicht eingezogen, sondern aufgeschoben. Schlussendlich wirken Stundungen deshalb als zinslose Kredite, weil sie wieder zurückgezahlt werden müssen sobald der Aufschwung wiedereinsetzt. Als zweite Liquiditätsmaßnahme werden von allen Staaten Kreditgarantien eingesetzt. Hier vergibt der Staat Garantien für Überbrückungskredite über seine Entwicklungsbanken (Österreich: Austria Wirtschaftsservice, Deutschland: Kreditanstalt für Wiederaufbau), sodass der Bankensektor diese vergeben kann, ohne für das ganze Risiko haften zu müssen. Österreich kann hier aber noch nachbessern und sich ein Beispiel an der Schweiz nehmen, und die Garantiequote von derzeit 80 auf 100% erhöhen. Vor allem für kleinere Kredite für KMUs unter EUR 500.000 wäre dies sinnvoll, da damit die administrativ aufwendigen Risikoprüfungen durch die Banken wegfallen würden. Derzeit kommt es nämlich noch zu unnötigen Verzögerungen bei der Vergabe dieser Kredite. Wertvolle Zeit, die den Unterschied ausmachen kann, ob ein Betrieb die nötige Liquidität rechtzeitig bekommt.

Österreich zahlt Kurzarbeitern mehr als Arbeitslosen

Zur Sicherung der Beschäftigung setzen fast alle europäischen Staaten auf Kurzarbeitsmodelle. Betriebe sollen damit die Möglichkeit bekommen, Beschäftigte zu halten und nicht kündigen zu müssen. Österreich bezahlt hier eine hohe Nettoersatzrate von 80-90% ähnlich den nordischen Ländern.

Wie die jüngsten Rekordarbeitslosenzahlen gezeigt haben, greift dieses Modell aber bisher nur unzureichend. Gerade in den besonders betroffenen Branchen Gastronomie, Tourismus, Bau und Verkehr bekommen viele nur die im europäischen Vergleich niedrige Nettoersatzrate von 55%. Hier sollte Österreich sich Irland zum Vorbild nehmen, und das Arbeitslosengeld für alle durch die Krise arbeitslos gewordenen Menschen erhöhen. Die Inselrepublik erhöht nämlich das Arbeitslosengeld von bisher EUR 872 auf EUR 1.500 für die Dauer der Krise. Die irische Nettoersatzrate steigt in der Folge von bisher niedrigen 36,6% auf über 62% und überholt damit Österreich. Nur mehr wenige europäische Länder zahlen Arbeitslosen somit weniger als Österreich.

Mehr Geld für Härtefälle notwendig

Das dritte Ziel umfasst die Hilfe für alle Menschen, die nicht über die anderen Maßnahmen erreicht werden können, wie kleine Selbstständige und freie DienstnehmerInnen. Dafür sind die Fonds für Härtefälle vorgesehen – oder Solidaritätsfonds wie Frankreich diese passender nennt. Österreich hat die Dotierung seines Fonds gerade auf EUR 2 Mrd. angehoben, ein klares Zeichen, dass die Summen hier zu niedrig angesetzt sind. Es gibt zahlreiche Berichte von Selbstständigen und Menschen mit geringfügigen Nebeneinkünften, die nicht die formalen Voraussetzungen für den Härtefallfonds erfüllen. Österreich könnte hier Abhilfe schaffen und sich ein Beispiel an Belgien nehmen, das ein „bridging right“ etabliert hat und allen Selbstständigen ein pauschales Mindesteinkommen von EUR 1.292 (EUR 1.614 mit Familie) für die Dauer der Krise garantiert - ohne Wenn und Aber.

Was machen andere Länder also besser?

Zusammengefasst heißt das: Österreich macht einiges richtig, es geht aber noch deutlich besser. Viele Länder entwickeln gerade gute Ideen, an denen wir uns orientieren können. Neben den schon genannten, ein paar weitere Beispiele:

  1. Irland führt eigenes Corona-Arbeitslosengeld ein für alle, die ihren Job im Zuge der Krise verloren haben und erhöht dieses von EUR 203 pro Woche (monatlich ca. EUR 872) auf EUR 350 (monatlich ca. EUR 1.500).
  2. Belgien garantiert Selbstständigen ein „bridging right“ – ein Recht auf ein Mindesteinkommen von EUR 1.291 (EUR 1.614 mit einem Kind) wenn sie im Zuge der Krise nicht arbeiten können.
  3. Dänemark, Niederlande (beide Bruttobasis) und Irland (Nettobasis) zahlen beim Kurzarbeitergeld eine Ersatzrate von 100%.
  4. In Finnland gibt es einen interessanten Ansatz zur Unterstützung von Selbstständigen mit niedrigen Einkommen: diese bekommen eine automatische Lohnsubvention – bei Einkommen knapp unter 1.100 Euro  - und sie müssen dafür nicht mal ihr Gewerbe ruhend stellen. 
  5. Frankreich setzt die Betriebskostenzahlungen inkl. Miete für KMUs und EPUs aus.
  6. Kanada erhöht die Familienbeihilfe sozial gestaffelt.
  7. Dänemark kompensiert Selbstständigen und freie DienstnehmerInnen 75% ihres Einkommens (max. EUR 3.000 pro Monat).
  8. Spanien hat für die Mieten ein Mikrokredit-Modell entwickelt mit 0% Kreditzinsen und eine Laufzeit von 6 Jahren  – verlängerbar auf bis zu 10 Jahre.
  9. Nocheinmal Belgien: wo Home-Office Stunden behandelt und bezahlt werden, als ob sie im Land des Arbeitgebers erbracht worden wären.
  10. Slowenien erhöht Gehalt für Gesundheitspersonal um bis zu 200% (leistungsabhängige Staffelung und nicht pauschal). 

Hinweis, 9.4.2020: die Liste der Maßnahmen in anderen Ländern wurde überarbeitet und aktualisiert.

Corona-Rekord: 800.000 Jobs bedroht

Tastatur, die statt dem "Enter"-Zeichen "Find Job" anzeigt.

800.000 Arbeitsplätze gefährdet

Der Rekordzuwachs an Arbeitslosen – über 130.000 alleine in den Tagen von 16.3. bis 23.3. – wird in den nächsten Tagen anhalten. Schätzungsweise bis zu 800.000 Arbeitsplätze sind in Österreich durch einen länger andauernden Corona-Schock gefährdet. „Der Effekt des Corona-Virus auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt ist extrem“, analysiert Chefökonom Oliver Picek. Die Arbeitslosigkeit steige aktuell wesentlich schneller als in der Finanzkrise 2008.

Prognosen sind zum aktuellen Zeitpunkt schwierig und mit sehr großer Unsicherheit behaftet, weil die Dauer der Einschränkungen unklar bleibt. Allerdings lässt sich die Betroffenheit der unterschiedlichen Branchen bewerten und so anschließend mögliche Arbeitsplatzverluste abschätzen. Lässt man den öffentlichen Sektor und systemrelevante Sektoren wie die Gesundheit außen vor, würde eine Reduktion der Beschäftigung um 10% zu rund 250.000 Arbeitslosen führen. Im Branchenvergleich sind vor allem Tourismus/Gastronomie, der Bau, Handel und die Industrie stärker betroffen, während andere Branchen wiederum unterdurchschnittlich betroffen sind. Viele Unternehmen in Tourismus und Gastronomie haben ihre Mitarbeiter bereits vor der Kurzarbeitseinigung gekündigt. „Nach dem akuten Schock durch die Schließungen von Lokalen und Geschäften kommt eine nächste Welle durch die Pause in der Industrieproduktion“, warnt das Momentum Institut.

Beschäftigte der Gastronomie und des Handels sind besonders gefährdet, ihren Arbeitsplatz wegen der Corona-Krise zu verlieren. Zusätzlich sind auch sie jene, deren Durchschnittsgehalt am geringsten ist (mit Ausnahme der sonst. wirtschaftlichen Berufe, die Leiharbeiter enthält).

Zahl der Arbeitslosen war noch nie so hoch wie jetzt

Klar ist, schon jetzt gibt es mehr als 500.000 arbeitslose Personen – in der Geschichte der zweiten Republik war das noch nie der Fall.

Quelle: AMS, Grafik: Momentum Institut

Der Vergleich der Durchschnittswerte des Bestandes der Arbeitslosen in den Jahren seit 1946 zeichnet zwar im Vergleich ein gemäßigteres Bild. Dabei darf nur nicht vergessen werden, dass wir erst am Beginn der Corona-Krise und ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen stehen und trotzdem schon die höchste je verzeichnete Arbeitslosigkeit aufweisen.

Bei einem Vergleich der Monate mit dem höchsten Bestand an Arbeitslosen und SchulungsteilnehmerInnen liegt der diesjährige März schon vor Monatsende um knapp 20.000 Personen über dem bisherigen Spitzenreiter (Jänner 2017) und ein Ende ist wie oben bereits erwähnt noch nicht in Sicht.

Rekordzuwachs an Arbeitslosen stellt Finanzkrise in den Schatten

Nicht einmal während der Finanzkrise in 2009 war der absolute Anstieg (rund 60.000) der Arbeitslosigkeit so stark wie jetzt (>100.000). 

Der Zuwachs zur Arbeitslosigkeit je Monat zurück bis Jänner 2009 zeigt noch einmal unmissverständlich auf, dass die Veränderung nicht einmal während der Finanzkrise so stark war. Im noch nicht vollendeten März dieses Jahres ist der Zuwachs an Arbeitslosen schon beinahe doppelt so hoch wie in den schlimmsten Monaten der Finanzkrise.

Da wir erst am Beginn der Corona-Krise stehen, kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Situation noch weiterhin verschärft. Bereits jetzt ist absehbar, dass die Rekord-Arbeitslosigkeit noch weiter ansteigen wird und zur Bestandsprüfung für unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem wird. Daher gilt es gerade jetzt, langfristig und nachhaltig zu handeln um Härtefälle zu vermeiden und Einkommen zu stabilisieren. 

Jetzt gilt es, niemanden zurück zu lassen

Ob ArbeitgeberInnen Kurzarbeit anmelden oder zu Kündigungen greifen, lässt sich von einzelnen ArbeitnehmerInnen nicht beeinflussen. Dass sich damit ihr Lebensunterhalt drastisch verringert auch nicht. Das Momentum Institut empfiehlt daher ein „Corona-Ausgleichsgeld“: Höheres Arbeitslosengeld (Ersatzrate von 55% auf 70% erhöhen, mindestens 1.110 Euro) sowie Lockerungen bei der Mindestsicherung.

Mehr Informationen zum Corona-Ausgleichsgeld:

Soziale Folgen gerecht verteilen: Corona-Ausgleichsgeld bei Kündigung

Leere U-Bahnreihen

Die Kurzarbeit schützt nicht alle vor Arbeitslosigkeit

Zwar haben Bundesregierung und Sozialpartner mit ihrer Anpassung der Kurzarbeit für die Krise ein sehr großzügiges Modell vorgelegt, dennoch gibt es viele Menschen, die bereits in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden oder in nächster Zeit damit rechnen müssen. Schon jetzt verzeichnet das AMS Tagesrekorde bei der Anmeldung Arbeitsloser, für die es während den nächsten Monate kaum Chancen auf einen neuen Job geben wird. Bis 19. März gibt es rund 74.000 neue Arbeitslosenmeldungen beim AMS.

Krisen im Vergleich: Arbeitslosigkeit steigt in der Corona-Krise viel schneller

Die folgende Abbildung zeigt den Anstieg der Arbeitslosenzahl in der Corona-Krise und in der Finanzkrise (rosa Linie). Die Corona-Krise wirkt als plötzlicher Stopp der Wirtschaftsaktivität viel rasanter auf den Arbeitsmarkt. 

Nicht alle ArbeitnehmerInnen werden während der Krise ihren Arbeitsplatz durch Kurzarbeit behalten. Aus Gesundheitsgründen „zugesperrte“ Betriebe stellen keine ArbeitnehmerInnen ein. Somit fällt die Zahl der offenen Stellen massiv und Arbeitsaufnahmen finden kaum statt. Die Folge davon, dass die Kurzarbeit nicht alle Arbeitsplätze erhält und Neueinstellungen ausfallen, ist Rekordarbeitslosigkeit.

Niemanden zurücklassen: Momentum Institut empfiehlt Corona-Ausgleichsgeld

Das von Momentum Institut empfohlene „Corona-Ausgleichsgeld“ von mindestens EUR 1.000 netto pro Person bedeutet ein höheres Mindesteinkommen für alle (auch neuen) Arbeitslosen aus der Arbeitslosenversicherung und Mindestsicherung, um die Zeit der Erwerbslosigkeit in der Corona-Krise finanziell zu überstehen.

Der vollständige Policy Brief zu unserer Handlungsempfehlung:

Drohende Rezession: Staatshilfe darf kein Blankoscheck sein

Rettungsring

Rezession durch Maßnahmenpaket abfangen

Die Corona-Krise wird, vor allem wenn sie länger dauert, die Mutter aller Rezessionen. Die Bundesregierung hat nach dem ersten völlig unzureichenden Paket (ursprünglich mit einem Volumen von nur 1 % des BIP) heute ein zweites vorgestellt, das dem Ernst der Lage schon eher entspricht.  

Entscheidend ist, dass sich die Einschätzung der Bundesregierung seit vergangener Woche deutlich geändert hat. Nach einer nur zaghaften Aufgabe des Nulldefizits haben der Bundes- und Vizekanzler sowie der Finanzminister jetzt deutlich gemacht, was notwendig ist. Die Rettung der Wirtschaft darf "kosten, was es wolle", Finanzminister Blümel wird "jeden notwendigen Betrag zur Verfügung stellen, um gut durchzukommen."

Rezession abschwächen verlangt umfassendes Maßnahmenpaket

Die angekündigten EUR 38 Mrd. setzen sich zusammen aus: 

  • dem EUR 4 Mrd. Krisenbewältigungsfonds von Samstag, sowie drei neuen Komponenten: 
  • EUR 10 Mrd. Steuerstundungen wenn Umsatzeinbußen,
  • EUR 9 Mrd. Haftungen und Garantien,
  • EUR 15 Mrd. Notfallhilfe für besonders betroffene Branchen.

Eine Kurzanalyse zum Krisenbewältigungsfonds in Höhe von 4 Milliarden wurde hier bereits veröffentlicht.

Die Steuerstundungen im Ausmaß von EUR 10 Mrd., die beim Eintritt von Umsatzeinbußen gewährt werden, sind sinnvoll. Sie stellen eine große Soforthilfe dar, mit der Zeit gewonnen wird, da sich die Begleichung der Steuerlast so nach hinten verschiebt. Damit bleibt das Geld während der Krise im Unternehmen und kann verwendet werden, um Rechnungen, Gehälter oder Mieten zu bezahlen. Sofern die Steuern nicht ausfallen, weil die Unternehmen keinen Umsatz machen, ist es schlicht eine Verschiebung der Steuerlast nach hinten. Zusätzliches Geld kommt allein durch diese Maßnahmen nicht im Unternehmenssektor an, dennoch es ist eine entscheidende Liquiditätshilfe.

Um die Zahlungsfähigkeit von Betrieben zu sichern, übernimmt die Republik Haftungen und Garantien. Dadurch gewähren Banken den Unternehmen Kredite. Die Maßnahme wird mit EUR 9 Mrd. beziffert. Die Gewährung könnte allerdings an Bedingungen geknüpft werden wie zum Beispiel an die Einbringung eines Kurzarbeitsantrags statt der Kündigung der ArbeitnehmerInnen. 

Rezession verhindern - Liquidität sichern

Beide Maßnahmen (Steuerstundung und Haftungen) waren allerdings schon bisher angekündigt. Wirklich neu sind die EUR 15 Mrd. Notfallhilfe (3,76 % des BIP) für besonders betroffene Branchen. Dies ist nach unserer Ersteinschätzung „echtes“ Geld, das Unternehmen überwiesen wird. Dazu sagte Finanzminister Blümel: "Hier geht es darum Umsatzausfälle so hoch wie möglich und so schnell wie möglich zu kompensieren, um Arbeitsplätze durch Krise hindurch zu sichern". Weitere Details fehlen noch.

Rezession: Wer profitiert von der staatlichen Unterstützung?

Grundsätzlich wäre es bei der neuen Notfallhilfe wichtig, die Ausstellung von Blanko-Schecks an Unternehmen zu vermeiden. Wird das nicht berücksichtigt, könnten diese nämlich zur Aufrechterhaltung privater Profitflüsse verwendet werden. Hier muss die Abdeckung von Fixkosten und die Erhaltung von Arbeitsplätzen im Fokus stehen. 

Die Notfallhilfe muss für große Unternehmen an Bedingungen geknüpft sein:

  • Jeder Betrieb, bei dem es ökonomisch sinnvoll ist, muss seine ArbeitnehmerInnen in Kurzarbeit schicken, anstatt sie zu entlassen. Ziel der Staatshilfe ist es Beschäftigung zu sichern und Arbeitslosigkeit zu vermeiden.
  • Betriebe müssen für alle Beschäftigten innerhalb eines Jahres einen Mindestlohn von EUR 1.700 zahlen.
  • Betriebe, die versucht haben, eine Betriebsratswahl zu verhindern, müssen sich verpflichten, das künftig zu unterlassen oder die Beihilfen zurückzahlen.  
  • Die Notfallhilfe darf nicht für Vorstandsgehälter über EUR 500.000, Bonuszahlungen oder Dividenden verwendet werden, denn das Geld soll in möglichst großem Umfang der Beschäftigungssicherung dienen.
  • Die Auszahlung soll unkompliziert erfolgen, aber: Es muss mindestens ein Kontrollgremium (Rechnungshof sowie einen Nationalratsausschuss) geben, das nicht im Finanzministerium angesiedelt ist, und die Vergabe der Mittel im Nachhinein prüft und bei Nicht-Einhalten zurückfordert.  

Weitere Empfehlungen zur Stützung von Klein- und Mittelbetrieben finden sich im Policy Brief "KMU richtig unterstützen":

Rezession kommt: Was brauchen kleine Unternehmen?

Louvre in Paris

Die Rezession kommt, nun handelt auch die Regierung. Das Corona-Paket wurde umfassend nachgebessert. Allerdings fehlen dem Maßnahmenpaket noch entscheidende Teile, vor allem die Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben ist noch lückenhaft - aber besonders zeitkritisch. Andere Länder, etwa Frankreich, sind hier bereits weiter.

Rezession abschwächen - Liquidität sichern

Insbesondere ein klarer Rechtsanspruch auf die Hilfsgelder ist nicht vorhanden. Staatliche Hilfe muss transparent und nachvollziehbar zugänglich sein. Fixkosten der Betriebe müssen außerdem gesetzlich ausgesetzt werden, damit beispielsweise Mietzahlungen nicht zu vermeidbaren Insolvenzen der betroffenen Unternehmen führen. Die Republik kann sich hierbei am raschen Handeln Frankreichs orientieren. Präsident Macron und Finanzminister Le Maire haben die gänzliche Aussetzung von Mieten und Gebühren (Strom, Gas, Wasser) bereits vor Tagen verkündet. Der Vergleich der wirtschaftspolitischen Reaktion auf Corona zwischen Österreich und Frankreich zeigt, dass Österreich bei den wirtschaftspolitischen Maßnahmen zum Teil hinterherhinkt.

Die Analyse des Momentum Instituts zeigt, wie kleine und mittlere Unternehmen es durch die Krise mit starker öffentlicher Unterstützung schaffen können: