Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit steigt nach 2 Jahren wieder

Arbeitslosigkeit April 2023

In den Monaten zuvor überraschte der Arbeitsmarkt noch mit seiner Robustheit gegenüber den starken Leitzinserhöhungen der europäischen Zentralbank. Nun aber hat der Arbeitsmarkt gedreht. Erstmals seit 2 Jahren stieg die Zahl der Arbeitslosen in Österreich wieder. Im April 2023 waren rund 330.000 Personen von Arbeitslosigkeit betroffen. Das sind rund 4.000 Personen bzw. 1,2 Prozent mehr als im April des Vormonats. Männer sind von diesem Anstieg stärker betroffen als Frauen. Die Zahl der erwerbsarbeitslosen Männer stieg um 2,7 Prozent jene der Frauen sank hingegen leicht um 0,5 Prozent. Da die Zinspolitik der EZB eher weitere Zinserhöhungen statt Zinssenkungen im Blick hat, ist ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit wahrscheinlich.

Arbeitslosigkeit April 2023 nach Geschlecht

Vom aktuellen Anstieg am stärksten betroffen sind die Branchen Bau und Gastronomie. In beiden Branchen stieg die Arbeitslosigkeit im April 2023 um 4,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In anderen Branchen sank die Arbeitslosigkeit hingegen. Im Sektor der Leiharbeit betrug der Rückgang 8 Prozent.

Auch auf regionaler Ebene zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen. Bisher verzeichnete vor allem der Westen Österreichs eine geringe Zahl an Arbeitslosen. Aktuell steigen die Zahlen aber dort am stärksten. Salzburg hatte im vergangenen Jahr die zweitniedrigste Arbeitslosenrate Österreichs. Nun verzeichnet dieses Bundesland mit einem Plus von 8 Prozent den größten Anstieg. Im Osten Österreichs sinkt die Arbeitslosigkeit bzw. steigt nur sehr leicht. Den österreichweit stärksten Rückgang verzeichnete Niederösterreich mit einem Minus von 1,7 Prozent.

Arbeitslosigkeit April 2023 Bundesländer

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen stabilisierte sich im April 2023 weiter. Allerdings auf hohem Niveau. Etwa 112.000 Menschen sind in Österreich aktuell langzeitarbeitslos. Das sind zwar deutlich weniger als während der Pandemie aber deutlich mehr als in den 2000er-Jahren. Aktuell ist jede Dritte von Arbeitslosigkeit betroffene Person langzeitarbeitslos. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik sollte diese etwa durch Beschäftigungsgarantie-Programme, wie es das vom AMS Niederösterreich gibt, stärker in den Fokus rücken.

Langzeitarbeitslose April 2023

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit verschärft das Verhältnis zwischen Erwerbsarbeitslosen und offenen Stellen. Auf eine offene Stelle kamen im April 2,9 Arbeitslose. Es gibt als aktuell fast dreimal so viele Arbeitslose wie offene Stellen. Vor einem Jahr war das Verhältnis noch kleiner. Damals gab es 2,5mal so viele Arbeitslose wie offene Stellen.

Arbeitslose pro offener Stelle April 2023

Arbeitslosigkeit bedeutet meist Armut

Arbeitslosigkeit im September 2022

Die allermeisten Menschen müssen arbeiten, um gut leben zu können. Mit ihrem Lohn zahlen sie ihre Miete und ihre Stromrechnung oder kaufen ihr Essen. Arbeit, so wird uns erzählt, schützt uns vor Armut. Doch in Österreich sind fast 400.000 Menschen armutsgefährdet, obwohl sie einen Job haben. Arm trotz Arbeit – denn zu viele Jobs sind hierzulande zu gering bezahlt.

Bricht das Arbeitseinkommen weg, weil der Job flöten geht, ist der Abstieg in die Armut fast vorprogrammiert. Über Nacht müssen mit knapp der Hälfte des Gelds alle Fixkosten getragen werden. Nur: Die Mietkosten halbieren sich nicht, nur noch halb so viel Essen ist auch keine Option. 9 von 10 arbeitssuchenden Menschen bekommen eine Arbeitslosenunterstützung unter der Armutsgrenze und müssen damit ihr Leben bestreiten. Mit der Teuerung verschärft sich die Lage nun weiter.

Im Februar zahlten wir für einen Liter Milch ein Viertel mehr als noch vergangenes Jahr. Auch Gasrechnungen haben sich mehr als verdoppelt. Die Mieten ziehen deutlich nach oben, fast 1 Million Mieter müssen dieses Jahr im Schnitt 500 Euro mehr an Miete aufbringen.

Wer zuvor aber schon jeden Euro drei Mal umdrehen musste, dem zieht die Teuerung den Boden unter den Füßen weg. Einkommensarme Menschen trifft die Teuerung härter. Das liegt an den unterschiedlichen Konsumgewohnheiten: Wer wenig Geld zur Verfügung hat, muss den Großteil davon für Essen, Wohnen und Heizen aufwenden. Das sind aber auch die größten Preistreiber der Teuerung.

Nun werden viele Sozialleistungen zukünftig an die Teuerung angepasst. Versäumt wurde es aber den beträchtlichen Wertverlust der letzten Jahre auszugleichen. Ein Beispiel: Um die Familienbeihilfe kann sich eine Familie heute um ein Drittel weniger leisten als noch vor 20 Jahren. Völlig vergessen wurden aber alle, die derzeit Arbeit suchen: 330.000 erwerbsarbeitslose Menschen im Land werden mit den steigenden Preisen einfach allein gelassen. Weder das Arbeitslosengeld noch die Notstandhilfe werden an die Inflation angepasst. Wer letztes Jahr arbeitslos war, dem hat die Teuerung die Arbeitslosenunterstützung regelrecht aufgefressen. Der Kaufkraftverlust lag 2022 bei fast 17 Prozent.

Eine aktuelle Analyse der AMS-Daten zeigt: 2021 war die mittlere Arbeitslosenunterstützung noch um rund 30 Euro höher als 2022. Die Kosten für Lebensmittel, Wohnen und Heizen sind für Erwerbsarbeitslose aber natürlich genauso gestiegen wie für alle anderen auch. Der reale Einkommensverlust ist dadurch enorm.

Die Regierung hat die Teuerungskrise nicht verursacht. Doch es ist ihre Aufgabe die Lasten der Krise gerecht zu verteilen. Durch die fehlende Anpassung des Arbeitslosengeldes schultern jene, die am wenigsten haben, mehr von der Teuerungslast als sie stemmen können. Die Armutszahlen steigen wieder: Ein Armutszeugnis, für eines der reichsten Länder dieser Erde.  

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Tiroler Tageszeitung.

Arbeitslosengeld: Inflation trifft Arbeitslose ungebremst

Mensch sucht Jobinsetrate in Zeitung-Arbeitslosengeld-Arbeitslosigkeit

Jährlich wird am 30. April der Tag der Arbeitslosen begangen. Obwohl wir durchaus positive Entwicklungen am Arbeitsmarkt sehen, sind aktuell rund 330.000 Menschen ohne Erwerbsarbeit. 2022 betrug die mittlere Arbeitslosenunterstützung nur rund 973 Euro. Das sind 419 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1392 Euro. Während Preise steigen, wohin man nur schaut, von den Mieten, zu den Lebensmitteln, Energie oder auch Bankgebühren, tut sich beim Arbeitslosengeld nichts. Ganz im Gegenteil, es wird sogar weniger: Im Mittel waren es 2021 noch rund 30 Euro mehr.

Inflationsanpassung: Nicht bei Arbeitslosengeld

Während die meisten Sozialleistungen seit diesem Jahr an die Inflation angepasst werden, ist das beim Arbeitslosengeld nicht der Fall. Den starken Preissteigerungen für Wohnen, Heizen und Lebensmittel sind Erwerbsarbeitslose dennoch ausgesetzt. 9 von 10 Erwerbsarbeitslose beziehen ein Arbeitslosengeld oder eine Notstandshilfe, unter der Armutsgefährdungsschwelle für einen 1-Personen-Haushalt. Grund dafür ist, dass die Arbeitslosenunterstützung in Österreich im EU-Vergleich ohnehin sehr gering ist. Nun werden aber weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe an die Inflation angepasst. Diese fehlende Anpassung macht Erwerbsarbeitslose zu den absoluten Verlierer:innen der Teuerung.

Diskriminierung am Arbeitsmarkt schreibt sich bei Arbeitslosenunterstützung fort

Die Arbeitslosenunterstützung berechnet sich auf Basis des letzten Nettolohns. Wird eine Person am Arbeitsmarkt diskriminiert und bekommt aufgrund der Herkunft oder des Geschlechts weniger Gehalt, spiegelt sich das auch später in der Arbeitslosenunterstützung wider. Diskriminierung im Erwerbsleben wird somit in der Arbeitslosigkeit weiter einzementiert. So erhält eine Frau ohne österreichische Staatsbürgerschaft im Schnitt 22 Prozent weniger Arbeitslosenunterstützung als ein österreichischer Mann. Selbst bei Männern und Frauen mit österreichsicher Staatsbürgerschaft klafft im Durchschnitt eine Lücke von knapp 150 Euro pro Monat.

Armutsgefährdung, egal welche Branche

Wer arbeitslos wird verliert auf einen Schlag fast die Hälfte des Einkommens. Bereits kurzzeitige Arbeitslosigkeit kann damit schon zur Armutsfalle werden. Nicht einmal ein Job in einer gutbezahlten Branche schützt im Falle der Arbeitslosigkeit vor der Armutsgefährdung. In allen Branchen ist die durchschnittliche Arbeitslosenunterstützung unter der Artmutsgefährdungsschwelle.

Ein weiteres unübersehbares Zeichen, dass die derzeitige Arbeitslosenunterstützung zu gering ist. Das Arbeitslosengeld sollte von aktuell 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens auf 70 Prozent zu erhöht werden. Nicht außer Acht lassen dürfen wir Langzeitarbeitslose, bereits jeder dritte Erwerbsarbeitslose zählt zu dieser Gruppe. Sie brauchen eine Perspektive, auch wenn sie am regulären Arbeitsmarkt keine Stelle mehr finden können. Das Jobgarantieprojekt des AMS Niederösterreich tut genau das und übertraf in einer ersten Evaluierung sogar die gesteckten Ziele. Ähnliche Projekt sollten auch in anderen Bundesländern folgen.

 

Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne "Ausgerechnet" bei ZackZack.at.

Arbeitslosengeld unter der Armutsgefährdungsschwelle

Arbeitslosengeld unter Armutsgefährdungsschwelle

Anlässlich des Tags der Arbeitslosen am 30. April hat das Momentum Institut die Bezugshöhe der Arbeitslosenunterstützung in Österreich im Jahr 2022 analysiert. Trotz positiver Entwicklungen am Arbeitsmarkt sind aktuell rund 334.000 Menschen erwerbsarbeitslos bzw. in Schulung. Während die meisten Sozialleistungen seit diesem Jahr an die Inflation angepasst werden, ist das beim Arbeitslosengeld nicht der Fall. Den starken Preissteigerungen für Wohnen, Heizen und Lebensmittel sind Erwerbsarbeitslose dennoch ausgesetzt.

Die Analyse der Daten des Arbeitsmarktservices zeigt: 2022 betrug die mittlere Arbeitslosenunterstützung nur rund 973 Euro. Das sind 419 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle und sogar rund 30 Euro weniger als noch im Jahr 2021. Erwerbsarbeitslose sind damit die absoluten Verlierer:innen der aktuellen Teuerung. Trotz der rasanten Preissteigerungen hat sich die mittlere Arbeitslosenunterstützung gegenüber dem Vorjahr nicht gesteigert, sondern sogar verringert. 91 Prozent der Bezieher:innen von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen eine Unterstützung unter der Armutsgefährdungsschwelle (Grenze für 1-Personen-Haushalt). Grund dafür ist einerseits die fehlende Anpassung des Arbeitslosengeldes an die Inflation, andererseits waren Besserverdiener:innen 2022 weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als 2021, was die Bezugshöhe im Mittel etwas nach unten gedrückt hat.

Arbeitslosengeld unter der Armutsgefährdungsschwelle

Weil sich das Arbeitslosengeld auf Basis des zuvor verdienten Lohns berechnet, finden sich Lohndiskriminierungen, die es am Arbeitsmarkt gibt, auch bei der Arbeitslosenunterstützung wieder. Sowohl der Gender-Pay-Gap, – also der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen – als auch der Migrant-Pay-Gap – der Unterschied zwischen Menschen mit und ohne österreichische Staatsbürgerschaft – sind bei der Arbeitslosenunterstützung bemerkbar. Wird eine Person am Arbeitsmarkt diskriminiert und bekommt aufgrund des Geschlechts oder der Herkunft schlechter bezahlt, wird auch entsprechend weniger Arbeitslosengeld an sie ausbezahlt. Diskriminierung im Erwerbsleben wird in der Arbeitslosigkeit somit weiter einzementiert. Eine Frau ohne österreichischen Pass erhält im Durchschnitt eine um 22 Prozent geringere Arbeitslosenunterstützung als ein österreichischer Mann. Etwa 14 Prozentpunkte sind dabei auf den Geschlechtsunterschied zurückzuführen, der Rest auf den Unterschied bei der Nationalität.

Arbeitslosengeld bei Nicht-Österreichern geringer

Und auch das Arbeiten in gut bezahlten Branchen schützt Betroffene im Durchschnitt nicht vor der Armutsgefährdung. In allen Branchen liegt die durchschnittliche Arbeitslosenunterstützung unter der Armutsgefährdungsschwelle. Am höchsten ist die durchschnittliche Arbeitslosenunterstützung für ehemalige Beschäftigte aus der Finanz- und Versicherungsbranche. Erwerbsarbeitslose aus der Branche Erziehung und Unterricht beziehen im Schnitt das geringste Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe.

Arbeitslosengeld in jeder Branche unter Armutsgefährdungsschwelle

Dass in dem Land mit der sechsthöchsten Wertschöpfung pro Kopf 91 Prozent der Arbeitslosen eine Unterstützung unter der Armutsgefährdungsschwelle (Grenze für 1-Personen-Haushalt) bekommen, gleicht einem Armutszeugnis. Das österreichische Arbeitslosengeld ist im internationalen Vergleich gering. Das Momentum Institut empfiehlt das Arbeitslosengeld von aktuell 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens auf 70 Prozent zu erhöhen. Ebenfalls sollte die Notstandshilfe in der vollen Höhe des Arbeitslosengeldes ausbezahlt werden. Außerdem sollte jenen Menschen eine Perspektive geboten werden, die langzeitarbeitslos sind und oft auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Stelle mehr finden. Eine bundesweite Ausrollung des Jobgarantieprojekts „MAGMA“ des AMS Niederösterreichs wäre ein geeignetes Instrument dafür.

Arbeitsmarkt droht zu kippen

Das Bild zeigt Bauarbeiter und Bauarbeiterinnen die auf einer Leiter stehen von hinten

Bisher trotzte der österreichische Arbeitsmarkt den aktuellen Krisen. Nun läuft er allerdings Gefahr zu kippen. Im Vergleich zum März des Vorjahres kam es zwar zu einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen um 0,6 Prozent, allerdings sind in vielen Branchen und Bundesländern bereits steigende Zahlen zu verzeichnen. Mit 7,8 Prozent lag die Arbeitslosenquote (inklusive Schulungsteilnehmer:innen) nur 0,1 Prozentpunkt unter dem Niveau von März 2022.

Im März waren insgesamt rund 335.000 Menschen in Österreich erwerbsarbeitslos. Vergleicht man die Zahl mit dem März des Vorjahres, waren das ungefähr 2.000 Personen weniger. Für diesen Rückgang ist vor allem eine positive Entwicklung der Zahlen bei den Frauen verantwortlich. Bei den Männern ist die Arbeitslosigkeit im Vergleichszeitraum hingegen gestiegen.

Ein Blick auf die unterschiedlichen Sektoren zeigt, dass die Arbeitslosigkeit vor allem im Bausektor gestiegen ist. Diese Entwicklung war bereits in den vergangenen Monaten zu beobachten. Mit 6,2 Prozent fiel der Anstieg im März allerdings noch stärker aus als im Vormonat. Die stärksten Rückgänge waren hingegen im Leiharbeitssektor (-7,8 Prozent), im Handel (-3,6 Prozent) und in der Industrie (-3,5 Prozent) zu verzeichnen. Auch im Gesundheitswesen war ein leichter Rückgang von 2,1 Prozent zu verzeichnen.

Auch hinsichtlich der Bundesländer zeichnet sich ein recht differenziertes Bild. In vier der neun Bundesländer kam es zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Mit 2,9 Prozent fiel dieser in Salzburg am stärksten aus. Auf Platz zwei folgt die Steiermark mit einem Plus von 2,3 Prozent. Zu einem Rückgang kam es hingegen in den anderen fünf Bundesländern. Am deutlichsten war dieser in Niederösterreich (3,9 Prozent) und in Tirol (3,2 Prozent).

Sorgen bereiten auch die neuesten Zahlen im Bereich Jugendarbeitslosigkeit. Am stärksten stieg die Arbeitslosigkeit mit 5 Prozent bei den unter 25-Jährigen. Eine positive Entwicklung zeigt sich im Gegensatz dazu bei den über 49-Jährigen. Hier sank die Arbeitslosigkeit um rund 6 Prozent. 

Anhand der aktuellen Daten lässt sich der vielfach zitierte Arbeitskräftemangel nicht ablesen. Der Rückgang der offenen Stellen fiel mit 11.684 deutlich stärker aus als jener der erwerbsarbeitslosen Personen (1.933). Auf rund 335.000 Arbeitslose kamen im März nur etwa 113.000 offene Stellen. Demnach kommen auf eine offene Stelle rund drei Arbeitssuchende. Das sind 0,25 Personen mehr als noch im März 2022.

Der Fachkräftemangel ist auch hausgemacht

Schild in Auslage zur Mitarbeiter:innensuche als Symbolbild für den vermeintlichen Fachkräftemangel

Das Schreckgespenst des Fachkräftemangels geht um. Stellen bleiben unbesetzt, und schuld seien fehlende oder falsch ausgebildete Arbeitskräfte, heißt es. Da hilft nur eines: mit der Rot-Weiß-Rot-Karte Fachkräfte aus dem EU-Ausland auf den österreichischen Arbeitsmarkt holen. Das scheint zumindest der Status quo zu sein.

Aber was definiert eigentlich den Fachkräftemangel? In welchen Berufen es einen Fachkräftemangel gibt, definiert die Regierung derzeit mittels einer sogenannten Mangelberufsliste. Diese Liste wird jährlich aktualisiert und listet alle Berufe, bei denen auf eine offene Stelle weniger als 1,5 Erwerbsarbeitssuchende kommen. Ein einziger Faktor entscheidet also darüber, wo Mangel am Arbeitsmarkt besteht. Woran es tatsächlich hakt, ob die Bezahlung für diese Berufe vielleicht zu gering oder die Rahmenbedingungen zu schlecht sind, hält die Liste nicht fest. Oft verlassen Arbeitskräfte eine Branche aufgrund von schlechten Arbeitsbedingungen oder mangelhafter Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Stellen werden dann nicht besetzt, weil sie zu unattraktiv sind, und nicht zwingend, weil es einen Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften gibt.

Landet ein Beruf auf der Liste, können Unternehmen vereinfacht Menschen außerhalb der Europäischen Union rekrutieren. Vor fünf Jahren wurde zusätzlich eine regionale Mangelberufsliste eingeführt. Auf dieser Liste werden bundesländerspezifische Mangelberufe gelistet, selbst wenn für diesen Beruf österreichweit gar kein Mangel verzeichnet wird. Das hat dazu geführt, dass die Mangelberufsliste immer länger wird: Im Jahr 2022 waren bereits 126 Berufe angeführt, vor zehn Jahren waren es noch 26.

Was passiert, wenn Berufe für Menschen aus EU-Drittstaaten geöffnet werden? Für Unternehmen vergrößert sich der Pool an möglichen Arbeitskräften schlagartig. Gleichzeitig werden Unternehmen vom Verbesserungsdruck befreit, ihre Stellen attraktiver zu gestalten. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage greift normalerweise auch am Arbeitsmarkt: In der Theorie führt ein geringes Arbeitskräfteangebot bei großer Nachfrage zu steigenden Löhnen. Ein Blick auf die Lohnentwicklung der sogenannten Mangelberufe lässt aber erkennen: Da tut sich nix. In den Mangelberufen steigen die Löhne deutlich weniger als in anderen Berufen. Ziehen die Löhne nicht mit, ist ein Teil des Fachkräftemangels hausgemacht.

Eigentlich haben wir genug Leute im Land: In Österreich schlummert ein großes Arbeitskräftepotenzial. 370.000 Menschen waren im heurigen Februar arbeitssuchend oder in Schulung. Potenzial birgt sich auch bei den Teilzeit-Angestellten. Vor allem Frauen arbeiten aufgrund von Betreuungsaufgaben oft unfreiwillig in Teilzeit. Lassen wir sie mit der unbezahlten Sorgearbeit nicht länger alleine, können sie ihre Erwerbsarbeit ausweiten. Erhöht man die Erwerbsquote der 60- bis 64-Jährigen, bringen wir schnell 85.000 Personen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt.

Es ist nicht die Aufgabe der Politik jede Stelle in Betrieben zu besetzen, sondern die der Unternehmen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

Fachkräftepotenziale heben

Fachkräftemangel Momentum Institut

Immer wieder lesen wir von Unternehmen, die Probleme bei der Besetzung offener Stellen haben. Der Fachkräftemangel als Verantwortlicher ist fest verankert in der wirtschaftspolitischen Berichterstattung. Einer wissenschaftlichen Definition unterliegt der Begriff des Fachkräftemangels nicht, allerdings einer gesetzlichen. Berufe, in denen es weniger als 1,5-mal so viele Arbeitslose wie offene Stellen gibt, werden vom Gesetzgeber als Mangelberuf klassifiziert. Für Bewerber:innen auf Mangelberufe gelten erleichterte Zuzugsbestimmungen für Angehörige aus EU-Drittstaaten. Damit wird der Pool an potenziellen Arbeitskräften vergrößert und Unternehmen werden von einem Verbesserungsdruck befreit. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen wäre aber in vielen Mangelberufen dringend notwendig, denn oft liegt der Grund für Rekrutierungsschwierigkeiten beim Unternehmen selbst. So müssten die Löhne in jenen Berufen, in denen besonders schwer Personal zu finden ist, eigentlich stark steigen. Der neue Policy Brief des Momentum Institut zeigt allerdings das Gegenteil. Die Löhne in Mangelberufen sind im Beobachtungszeitraum von 2016 bis 2021 weniger stark gestiegen als der Durchschnitt aller Löhne.

Der Policy Brief des Momentum Institut zum Fachkräftepotenzial als Download:

Lohnentwicklung in Mangelberufen

Arbeitskräftepotenzial besser ausschöpfen

Von einem Mangel an potenziellen Arbeitskräften kann derzeit keine Rede sein. Das Arbeitskräftepotenzial ist nach wie vor enorm. Unter Einbindung aller Altersgruppen, der Erwerbsarbeitslosen sowie von Frauen am Arbeitsmarkt, wird ein immenses Potenzial nicht ausgeschöpft. Österreich ist weit von Vollbeschäftigung entfernt. Auch wenn die Arbeitslosenquote nach einem Peak während der Pandemie nun wieder rückläufig ist, befinden wir uns dennoch in einer Phase von hoher Arbeitslosigkeit. In den 70ern und 80ern gab es Arbeitslosenquoten von unter zwei Prozent. Im Jahr 2022 war sie inklusive Schulungsteilnehmer:innen mit 7,8 Prozent rund viermal so hoch. Rund 335.000 Menschen waren im Jahr erwerbsarbeitslos oder in Schulung und standen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Das sind rund siebenmal so viele Menschen wie zu Beginn der 1970er-Jahre.

Arbeitslosenquote seit 1970

Frauen in Mangelberufen unterrepräsentiert

Ein Blick auf die Geschlechterverteilung in den ausgewählten Mangelberufen lässt zudem erkennen, dass eine ungleiche Geschlechterverteilung Ursache für Rekrutierungsschwierigkeiten darstellen kann. Nur etwa ein Drittel der Beschäftigten in Mangelberufen sind Frauen. So befinden sich beispielsweise Berufe wie Hilfsarbeiter im Bau und Bergbau oder Maschinenmechaniker auf der bundesweiten Mangelberufsliste, jeweils mit einem Männeranteil von über 97 Prozent. Auf der anderen Seite sind weiblich dominierte Berufe wie Pflegeberufe auf der Mangelberufsliste vertreten. Als Betreuungskräfte im Gesundheitswesen arbeiten zum Zeitpunkt der Analyse lediglich 15 Prozent Männer.

Frauen- und Männeranteil in Mangelberufen

Handlungsempfehlungen

Die wenig differenzierte Diskussion um den Fachkräftemangel, verfälscht die Wahrnehmung zwischen einem tatsächlichen Mangel an Spezialist:innen und Berufen, die aufgrund schlechter Entlohnung und Arbeitsbedingungen schlicht unattraktiv (geworden) sind. Um einerseits dieser Differenzierung ge- recht zu werden, und andererseits einen Mangel an Spezialist:innen in Zukunftsjobs zu verhindern, empfiehlt das Momentum Institut mehrere Maßnahmen:

  • Reform der Mangelberufliste
  • Ausbau der Kinder- und Altenbetreuung
  • Ausbildungsoffensive für Greenjobs
  • Bessere Vermittlung von Erwerbsarbeitslosen
Marie Hasdenteufel

Arbeitslosigkeit noch am sinken

Das Bild zeigt zwei Personen bei einem Vorstellungsgespräch

Der österreichische Arbeitsmarkt steht nach wie vor gut da, die Arbeitslosigkeit ist auch im vergangenen Monat gesunken. Das belegen die aktuellen Arbeitslosenzahlen. Die Arbeitslosenquote lag im Februar 2023 bei sieben Prozent. Schulungsteilnehmer:innen sind in dieser Zahl miteinbegriffen. Im Vergleich zum Februar des Vorjahres bedeutet das einen Rückgang von 0,3 Prozentpunkten.

Die aktuellen Zahlen legen allerdings nahe, dass sich die Situation in den kommenden Monaten allmählich wieder verschlechtern könnte. Die Zahl der arbeitslosen Männer ist im Februar bereits leicht gestiegen.

Steigende Zahlen bei den jungen Arbeitslosen

Deutlich gestiegen ist außerdem die Zahl der jungen Arbeitslosen. Konkret waren bei den Unter-25-Jährigen 4,1 Prozent mehr Arbeitslose zu verzeichnen als noch im Februar 2023. Das ist auch deswegen problematisch, weil sich Arbeitslosigkeit in der Jugend besonders negativ auf das spätere Erwerbsleben auswirkt. Diese Entwicklung gilt es unbedingt im Auge zu behalten. Mit zunehmendem Alter ist hingegen auch ein stärkerer Rückgang bei den Arbeitslosenzahlen zu beobachten. Bei den 25- bis 49-Jährigen betrug dieser ein Prozent, bei den Über-49-Jährigen 6,4 Prozent.

Negative Entwicklung in der Baubranche

Wie bereits im Jänner war die Baubranche auch im Februar die einzige Branche, bei der ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen war. Während die Zahlen beispielsweise im Handel 3,9 Prozent niedriger waren also noch im Februar des Vorjahres, sind sie in der Baubranche um satte vier Prozent gestiegen. Dass im Winter saisonbedingt weniger gebaut wird, ist bei diesen Zahlen schon berücksichtigt. 

Mehr als drei Arbeitssuchende pro offener Stelle

Ein Mangel an potenziellen Arbeitskräften lässt sich anhand der Zahlen nicht ablesen. Rund 370.000 Arbeitslosen standen im Februar rund 110.000 offene Stellen gegenüber. Auf eine offene Stelle kommen daher im Durchschnitt 3,32 Arbeitssuchende und damit 0,15 mehr, als noch im Februar 2022.

Langzeitarbeitslosigkeit stagniert

Während die Langzeitarbeitslosigkeit mit Beginn der Corona-Krise in die Höhe schoss, sank die Zahl der Betroffenen seither deutlich. Allerdings stagnieren die Zahlen seit Mitte 2022 auf hohem Niveau. So sind aktuell rund 30 Prozent aller arbeitslosen Menschen langzeitarbeitslos.

Arbeitslosigkeit geht weiterhin zurück

Das Bild zeigt Stellenausschreibungen in einer Zeitschrift

Auch im neuen Jahr trotzt der Arbeitsmarkt den trüben Wirtschaftsprognosen. Dieser Trend lässt sich an den ersten Arbeitslosenzahlen für das Jahr 2023 ablesen. Werden jene Arbeitslosen, die sich zum Zeitpunkt der Erhebung in Schulungsmaßnahmen des AMS befanden, mitberücksichtigt, waren im Jänner 2023 rund 390.000 Personen arbeitslos, etwa 15.000 weniger als im Jänner des Vorjahres. Die Arbeitslosenquote lag damit vergangenen Jänner bei 9,3 Prozent. Von dieser positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt profitierten Frauen etwas stärker als Männer. Bei ihnen betrug der Rückgang der Arbeitslosen ganze 6,6 Prozent, bei Männern nur 1,7 Prozent.

Der in der jüngeren Vergangenheit vielfach beschworene Arbeitskräftemangel lässt sich anhand dieser Daten nicht erkennen. Die Zahl der offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist sogar leicht gesunken. Auf eine offene Stelle kamen im Jänner 2023 durchschnittlich 3,6 arbeitslose Personen. 

Positive Entwicklung auch auf regionaler Ebene und bei Langzeitarbeitslosen

Die positive Situation am Arbeitsmarkt spiegelt sich auch auf regionaler Ebene wider. So konnte in allen Bundesländern ein weiterer Rückgang der Arbeitslosenzahlen verzeichnet werden. Dieser fiel in Tirol (7,7 Prozent) und Niederösterreich (7,6 Prozent) am deutlichsten aus. Auch bei den Langzeitarbeitslosen lässt sich ein rückläufiger Trend feststellen. Hier sank die Zahl der Betroffenen weiter, wenn auch in einem geringeren Ausmaß als in den vergangenen Monaten. Über die letzten beiden Monaten hinweg scheint sich die Zahl bei rund 115.000 Langzeitarbeitslosen eingependelt zu haben. Vergleicht man die Zahl der Langzeitarbeitslosen mit Februar 2020, zeigt sich, dass damit aktuell über 16.000 Personen weniger langzeitarbeitslos sind als noch vor Ausbruch der Covid-19-Krise. 

Junge Arbeitslose profitieren nicht vom Trend

Von der insgesamt positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt profitieren allerdings nicht alle. So stieg bei den unter 25-Jährigen die Zahl der Arbeitslosen. Rund 1.400 Arbeitslose mehr waren hier im Jänner 2023 zu verzeichnen, was einem Plus von 2,4 Prozent entspricht. Erfreulicher ist hingegen der Trend bei den Arbeitslosen über 49 Jahre. Hier kam es zu einem deutlichen Rückgang von 7,9 Prozent. Wirft man einen Blick auf die unterschiedlichen Branchen, zeigt sich außerdem, dass die Zahl der Arbeitslosen in der Baubranche angewachsen ist. Konkret stieg sie um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In allen anderen Branchen war die Zahl der Arbeitslosen hingegen rückläufig.

Arbeitslose sitzen in der Armutsfalle 

Arbeitslosigkeit - Juli - 2022

Eilig hatte es Arbeitsminister Martin Kocher seit Amtsantritt nicht. 15 Monate bastelte er an einer großen Reform des Arbeitslosengeldes. Gereicht hat es nicht einmal für ein Reförmchen: Letzte Woche wurde das Projekt endgültig abgeblasen. Dabei rollt eine Teuerungswelle durchs Land, die wir in dem Ausmaß seit Jahrzehnten nicht gesehen haben. Allein in den letzten drei Monaten verzeichnete die Statistik Austria den höchsten Mietanstieg seit Beginn der Aufzeichnungen. Das bereitet Familien in der Mittelschicht zu Recht schlaflose Nächte, wer auf Arbeitssuche ist, geht da in die Knie.  

Arbeitslose Menschen gehören in Österreich traditionell zu den Ärmsten. Das ist politisch durchaus gewollt. Wer seinen Job verliert, steht über Nacht nur noch mit rund der Hälfte seines Einkommens da. Nur knapp über 1.000 Euro hat ein arbeitsloser Mensch im Schnitt im Monat, das ist weit unter der Armutsgrenze, die hierzulande bei fast 1.400 Euro liegt. Nun kommt die Teuerung obendrauf. Wer Anfang des Jahres gekündigt wurde, kann sich heute, kein Jahr später, durch den Verlust an Kaufkraft des Arbeitslosengeldes um fast 200 Euro weniger pro Monat leisten. Was bleibt über, als Schulden zu machen oder Rechnungen zu schieben? Jeder vierte arbeitslose Mensch ist mit seiner Miete im Rückstand. Besonders schwierig ist es für alle, die bereits länger als ein Jahr arbeitslos sind. 6 von 10 Langzeitarbeitslosen leben an oder unter der Armutsgrenze. In der Armutsfalle sitzen arbeitslose Menschen übrigens selten allein. Über 400.000 Kinder in Österreich, die in Armut aufwachsen, können davon ein Lied singen. Das alles beschreibt eine Armut, die wir politisch selbst schaffen. Eine Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 70 Prozent ist bitter nötig. Die meisten anderen Sozialleistungen werden nun ja auch regelmäßig automatisch an die Teuerung angepasst. 

Dass es anders geht, zeigt ein Leuchtturmprojekt in Niederösterreich. Die kluge Idee des lokalen AMS dort: Statt Arbeitslosigkeit finanzieren wir lieber Arbeit. Alle, die länger als neun Monate auf Jobsuche sind, bekommen eine bezahlte Stelle angeboten. Arbeit gibt es genug: In der Gemeinde, im Sozialbereich, in der Verwaltung. Niemand ist gezwungen, das Angebot anzunehmen, fast ausnahmslos alle tun es. Wer es nicht tut, schafft es in den meisten Fällen einfach gesundheitlich nicht mehr. Ein Teilnehmer des Projekts war länger als drei Jahre arbeitslos, verschickte in dieser Zeit mehr als 600 Bewerbungen. Die Hoffnung auf einen Job hatte er längst aufgegeben. Heute arbeitet er in der Gemeindebibliothek. Die positiven Ergebnisse lassen sich aber nicht nur am Einzelfall ablesen: Durch das Projekt ist die Langzeitarbeitslosenquote um 60 Prozent gesunken. Die gesamte Arbeitslosenquote um rund 20 Prozent. Wenn der Arbeitsminister Ideen sucht, für einen weiteren Reformanlauf: Es gibt genügend. 

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im "Kurier".