Arbeitslosigkeit

Arbeitslose pro offener Stelle: große regionale Unterschiede

AMS Gebäude

Mit den Öffnungen der vergangenen Monate und dem Wirtschaftsaufschwung konnte sich der Arbeitsmarkt erholen: Die Arbeitslosenzahlen sinken. Mit über 100.000 offenen Stellen Anfang August zeigt sich, dass der Aufschwung kräftig ausfällt. Wie viele Arbeitslose auf eine offene Stelle kommen, variiert allerdings stark im regionalen Vergleich: In Ostösterreich kommen wesentlich mehr Arbeitslose auf eine offene Stelle als im Westen des Landes. Der österreichische Durchschnitt liegt aktuell bei drei Arbeitslosen pro offener Stelle.

Jobsuche für Arbeitslose in Wien und dem Burgenland am schwierigsten

Am schwersten haben es arbeitslose Menschen bei der Jobsuche in Wien und dem Burgenland (Eisenstadt-Umgebung und Oberwart). Danach folgen zwei niederösterreichische Bezirke (Gänserndorf und Baden). Von jenen 20 Bezirken, in denen die meisten Arbeitslosen auf eine offene Stelle kommen, liegen nur zwei in der Steiermark (Graz (Stadt) und Bruck-Mürzzuschlag) sowie jeweils einer in Vorarlberg (Feldkirch) und Kärnten (Klagenfurt Land). Die Bundesländer Salzburg und Tirol sind nicht vertreten.

Wo es Arbeitslose sehr schwer haben

 Bezirkim BundeslandArbeitslose pro offene Stelle

Arbeitslose

Offene Stellen
1

Wien

Wien9,5154.760

16.356

2

Eisenstadt-Umgebung

Burgenland

9,3

1.424

153
3

Oberwart

Burgenland

8,2

2.350

285
4

Gänserndorf

Niederösterreich

7,3

4.892

666
5

Baden

Niederösterreich

7,3

6.848

940
6

Neunkirchen

Niederösterreich

5,8

3.694

642
7

Hollabrunn

Niederösterreich

5,7

1.673

295
8

Wiener Neustadt (Land)

Niederösterreich

5,0

2.724

550
9

Mattersburg

Burgenland

4,8

1.430

297
10

Bruck an der Leitha

Niederösterreich

4,4

3.709

836
11

Neusiedl am See

Burgenland

4,3

2.359

545
12

Gmünd

Niederösterreich

4,2

1.087

257
13

Sankt Pölten(Land)

Niederösterreich

4,2

4.206

1.007
14

Stadt Steyr

Oberösterreich

4,1

2.382

574
15

Oberpullendorf

Burgenland

4,1

1.201

296
16

Graz(Stadt)

Steiermark

4,0

12.311

3.091
17

Bruck-Mürzzuschlag

Steiermark

3,7

3.917

1.048
18

Feldkirch

Vorarlberg

3,7

3.618

969
19

Eisenstadt(Stadt)

Burgenland

3,7

596

160
20

Klagenfurt Land

Kärnten

3,5

2.127

610
 

01.08.2021, Quelle: AMS

    

 

Weniger offene Stellen pro Arbeitslose im Westen Österreichs

Offene Stellen und Arbeitslose halten sich eher in der Mitte und im Westen des Landes die Waage. Die einzigen sechs Bezirke mit weniger Arbeitslosen als offenen Stellen sind Tamsweg (Salzburg) und Hermagor (Kärnten) sowie Wels-Land (OÖ), Kitzbühel (Tirol), Zell am See (Salzburg), und Grieskirchen (OÖ). In allen anderen Bezirken Österreichs gibt es jedoch teils deutlich mehr Arbeitslose als offene Stellen.

 

Wo sich Arbeitslose und offene Stellen die Waage halten

 

Bezirk

im Bundesland

Arbeitslose pro offene Stelle

Arbeitslose

Offene Stellen

1

Tamsweg

Salzburg

0,7349254
2

Hermagor

Kärnten

0,7285211
3

Wels-Land

Oberösterreich

0,91.9361.732
4

Kitzbühel

Tirol0,91.025958
5

Zell am See

Salzburg

0,91.5791.493
6

Grieskirchen

Oberösterreich

1,01.2501.240
7

Reutte

Tirol1,1459482
8

Waidhofen an der Ybbs(Stadt)

Niederösterreich

1,1172189
9

Salzburg-Umgebung

Salzburg

1,12.7022.989
10

Kirchdorf

Oberösterreich

1,11.1911.334
11

Rohrbach

Oberösterreich

1,2708846
12

Scheibbs

Niederösterreich

1,2622746
13

Sankt Johann im Pongau

Salzburg

1,21.3921.670
14

Gmunden

Oberösterreich

1,22.0352.500
15

Liezen

Steiermark

1,21.4351.787
16

Ried

Oberösterreich

1,31.3161.704
17

Vöcklabruck

Oberösterreich

1,32.8753.732
18

Landeck

Tirol1,3521680
19

Murau

Steiermark

1,3339454
20

Lienz

Tirol1,4607844
 

01.08.2021, Quelle: AMS

    

 

Geteiltes Land bei der Corona-Arbeitslosigkeit

Im regionalen Vergleich zeigen sich auch hier große Unterschiede. Die coronabedingte Arbeitslosigkeit sinkt zwar insgesamt, dennoch sind mit Ende Juli 2021 noch 18.733 Personen mehr arbeitslos als Ende Juli vor zwei Jahren (vor Corona). Einzig Kärnten hat in allen politischen Bezirken die Corona-Arbeitslosigkeit mehr als abgebaut. Tirol und Vorarlberg sind in jedem Bezirk noch über dem Ausgangsniveau vor der Pandemie. Alle anderen Bundesländer weisen regional unterschiedliche Entwicklungen auf.

In vier Bezirken liegt die durch Corona verursachte zusätzliche Arbeitslosigkeit über ein Fünftel höher im Vergleich zu vor der Krise: In Tirol (Schwaz +31%, Innsbruck Stadt und Land je +24%) und im burgenländischen Rust (+21%). Tamsweg (-26%) und Horn (-20%) ließen die Pandemie am Arbeitsmarkt am weitesten hinter sich.

Wo die Arbeitslosigkeit niedriger ist als vor Corona

 

Wo die Arbeitslosigkeit höher ist als vor Corona

 

Bezirk

im Bundesland

Arbeitslosigkeit  Bezirk

im Bundesland

Arbeitslosigkeit
1

Tamsweg

Salzburg

-25,9 % 1

Schwaz

Tirol

+31,6 %
2

Horn

Niederösterreich

-19,6 % 2

Innsbruck-Land

Tirol

+24,4 %

3

Lienz

Tirol

-16,8 % 3

Innsbruck-Stadt

Tirol

+23,6 %
4

Gmünd

Niederösterreich

-16,3 % 4

Rust(Stadt)

Burgenland

+20,5 %
5

Hermagor

Kärnten

-13,7 % 5

Kitzbühel

Tirol

+17,3 %
6

Feldkirchen

Kärnten

-12,2 % 6

Wien 21.,Floridsdorf

Wien+17,0 %
7

Zwettl

Niederösterreich

-11,5 % 7

Imst

Tirol

+16,9 %
8

Freistadt

Oberösterreich

-10,5 % 8

Feldkirch

Vorarlberg

+14,5 %
9

Murau

Steiermark

-10,4 % 9

Wien  1.,Innere Stadt

Wien+ 13,7 %
10

Spittal an der Drau

Kärnten

-10,4 % 10

Neusiedl am See

Burgenland

+ 13,3 %
11

Liezen

Steiermark

-9,2 % 11

Bruck-Mürzzuschlag

Steiermark

+13,1 %
12

Grieskirchen

Oberösterreich

-8,8 % 12

Wien 23.,Liesing

Wien+13,0 %
13

Waidhofen an der Thaya

Niederösterreich

-8,4 % 13

Schärding

Oberösterreich

+12,6 %
14

Wiener Neustadt(Land)

Niederösterreich

-8,0 % 14

Wien 10.,Favoriten

Wien+11,8 %
15

Perg

Oberösterreich

-7,9 % 15

Wien 14.,Penzing

Wien+11,2 %
16

Waidhofen an der Ybbs(Stadt)

Niederösterreich

-7,8 % 16

Wien 22.,Donaustadt

Wien+10,8 %
17

Rohrbach

Oberösterreich

-7,7 % 17

Reutte

Tirol

+10,6 %
18

Sankt Pölten(Stadt)

Niederösterreich

-7,5 % 18

Eisenstadt(Stadt)

Burgenland

+10,4 %
19

Südoststeiermark

Steiermark

-7,2 % 19

Weiz

Steiermark

+10,3 %
20

Güssing

Burgenland

-6,3 % 20

Bludenz

Vorarlberg

+10,3 %

Quelle: AMS, eigene Berechnung; Ende Juli 2021 im Vergleich zu Ende Juli 2019

 

Muss die EZB ihre Geldpolitik ändern?

Europäische Zentralbank (EZB)_Inflation

Und fast schon täglich grüßt das Inflations-Murmeltier. Droht eine gefährliche Teuerungsspirale? “Die Situation ist ernster, als die Statistik zeigt”, sagt der Experte. Ein aktueller Befund, nach der Corona-Krise? Fast. Die Warnung stammt aus dem Jahr 2016. Die rapide steigende Inflation sei unausweichlich, das Ende der Währung nah, behaupteten monetaristische Ökonomen. Vor stark zunehmender Inflation wurde auch schon 2011/12 und 2015 gewarnt. Währenddessen sank die Inflationsrate von 3,3 Prozent 2011 auf 1,5 Prozent im letzten Vor-Corona-Jahr 2019.

Kein Grund zur Panik vor Inflation

Wann kommt es überhaupt zu Inflation? Wenn mehr Güter und Dienstleistungen nachgefragt werden, als angeboten werden können und Firmen ihre Produktion selbst mit Vorlauf nicht mehr erweitern können. Hohe Inflationsraten sahen wir auch in den 1970ern, als aufgrund geopolitischer Konflikte das davor spottbillige Öl auf einmal teuer wurde. Hohe Preis- und daraus folgend Lohnerhöhungen trugen zu einer Lohn-Preis-Spirale bei. Aktuell sehen wir nichts davon. Wenn die Pandemie überwunden ist, worin soll dann der Mangel bestehen? An Arbeitskräften, an Rohstoffen? Wir sehen von sehr niedrigem Niveau wieder steigende Energiepreise, aber sicher keinen Mangel. Auch keinen an Rohstoffen, deren Preise eher zeigen, dass viel Kapital auf der Suche nach Rendite ist.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass in Österreich die Inflation in den meisten Jahren seit 1945 über heutigen Werten lag. Auch in den letzten Jahren lag sie oft unter dem EZB-Ziel von 2%. Zieht man die Inflation von den etwa am Sparbuch gezahlten Zinsen ab, war ein Ertrag gegen null eher die Regel als die Ausnahme. Panik ist also unangebracht.

Lieber um Arbeitslose sorgen

Inflation für sich selbst ist wenig problematisch. Schwierig wird es nur, wenn die Löhne nicht mit der Entwicklung Schritt halten. Das ist bei den niedrigeren Einkommen in Österreich schon seit Jahren ein Problem: die Reallöhne stagnieren – bestenfalls. Mit ein Grund für die niedrigen Reallöhne ist die Arbeitslosigkeit. Sie blieb in den letzten Jahren auch bei brummender Wirtschaft hoch. Für die Arbeitslosen und ihre Familien ist es eine existenzielle Frage, mit der Hälfte des Einkommens auskommen zu müssen.

Zu diesem Thema hört man zu wenig, zur Inflationsangst hingegen sehr viel - oft von Menschen, die einem Investments, etwa in Gold, verkaufen möchten. Auch hilft die Inflationsangst, Stimmung gegen höhere öffentliche Ausgaben zu machen. Die sind aber notwendig, um den Wirtschaftsmotor zu starten und für einen Aufschwung zu sorgen, der stark genug ist, um Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren. Die USA machen gerade vor, dass ein riesiges Konjunkturprogramm für Dynamik sorgt.

Hören wir stattdessen einseitig auf die Inflations-Besorgten und erhöhte die EZB die Zinsen, bezahlen wir dafür mit einem abgewürgten Aufschwung und noch höherer Arbeitslosigkeit. Wem der Wohlstand der vielen ein Anliegen ist, kann das nicht wollen. Zudem sollten wir nicht vergessen: nichts untergräbt Vertrauen in die Demokratie mehr, als fortdauernd hohe Arbeitslosigkeit.

 

Dieser Text erschien zunächst in leicht abgewandelter Form im "Profil" in einer Pro-Kontra-Gegenüberstellung.

Mythos Arbeitskräftemangel

Personal im Gastronomiebetrieb_Arbeitskräftemangel

Mehr als 100.000 offene Jobs gibt es aktuell in Österreich. Der öffnungsgetriebene Wirtschaftsaufschwung steht in den Startlöchern. Die Unternehmen wären bereit. Was fehlt? Die notwendigen Fachkräfte. In den Medien liest man von Gastronomiebetrieben, die typischerweise „händeringend“ nach Arbeitskräften suchen, aber nicht bereit sind, in Knochenjobs mehr als das Mindest-Kollektivertragsgehalt zu zahlen. In Folge werden Arbeitslose, die sich lieber nach einem besser bezahlten Angebot umsehen, pauschal als arbeitsunwillig verurteilt.

Unsichere Arbeitsbedingungen

Bei der Debatte herrscht vielerorts Aufklärungsbedarf. Oft wird von Fachkräftemangel gesprochen, wo es gar keinen gibt. Denn beispielsweise Kellner:innen werden in der Gastronomie vor allem ohne fachliche Ausbildung gesucht. Andererseits liegt bei mehr als 13.000 arbeitslosen Kellner:innen im Vergleich zu 6.000 offenen Stellen objektiv kein Mangel vor. Eher rächt sich aktuell, dass Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe ihre Mitarbeiter:innen nach Beginn der Krise auf die Straße gesetzt haben, statt sie zur Kurzarbeit anzumelden. Gleichzeitig kommen tausende Saisonarbeiter:innen aus den östlichen Nachbarstaaten, auf die Österreichs Tourismus offenbar stark angewiesen ist, nicht im erwarteten Ausmaß zurück. Ihnen blieb wenig übrig, als sich seit dem Frühling 2020 andere Jobs suchen.

Wie kann man die offenen Gastrojobs jetzt noch besetzen? Ein erster Schritt wäre es, sich der Wirkung von Angebot und Nachfrage zu besinnen: Wer schwer Mitarbeiter:innen findet, muss die Löhne zu erhöhen. Monetäre Anreize sind aber nicht alles, was für Arbeitnehmer:innen zählt. Genauso wichtig wäre wohl eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Kellner:innen können etwa jederzeit unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist gekündigt werden – Angestellte erst mindestens vier Wochen nach dem Monatsletzten. Außerdem müssen, da hat Hotelier und Ex-Neos-Abgeordneter Sepp Schellhorn ganz recht, Möglichkeiten gefunden werden, um Arbeitskräfte ganzjährig anzustellen. Denn in der Branche werden Arbeitnehmer:innen gerne in der Nebensaison beim AMS zwischengeparkt. Das führt neben den starken individuellen Einkommenseinbußen und hoher Fluktuation auch zu hohen Kosten für die Allgemeinheit. 

Investieren statt sanktionieren

Braucht es mehr Druck auf Arbeitslose oder soll man sie, wie Arbeitsminister Kocher es formuliert, „mit Sanktionen motivieren“? Eingesparte variable Kosten haben in Kombination mit teils üppigen Unternehmenshilfen vielen Unternehmen auch im Krisenjahr Gewinne beschert. Nun wäre es an der Zeit, in die Mitarbeiter:innen zu investieren.

Das Arbeitslosengeld zu senken, ist mit Sicherheit die schlechteste Option. Kein Betrieb hat viel Freude mit Mitarbeiter:innen, die durch Existenzängste in einen Beruf gedrängt werden, den sie so gar nicht ausüben wollen. Im schlimmsten Fall ziehen sich Menschen dadurch aus dem Arbeitsmarkt zurück. Und jedenfalls würde ein weiteres Senken des in Österreich ohnehin niedrigen Arbeitslosengelds die Armutsgefahr für Arbeitslose vergrößern. Das sollte eigentlich niemand wollen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

Bäckereibranche: hoher Druck, niedriges Gehalt

Verkäufer:innen in der Bäckereibranche

Unternehmer:innen der Bäckereibranche beklagen, kein Verkaufspersonal zu finden. Ein Blick auf Gehalt und Arbeitsbedingungen der Bäckerei-Arbeiter:innen lässt mögliche Gründe dafür erkennen: Der Kollektivvertrag des Bäckergewerbes liegt stark unter jenem des Handels, wo für ähnliche Tätigkeiten mehr bezahlt wird. Gleichzeitig setzen minimale Kündigungsfristen und fordernde Arbeitszeiten Arbeitnehmer:innen unter Druck.

Deutliche Gehaltsunterschiede zwischen Bäckereien und Handel

Eine Analyse von aktuell 136 offenen Stellen in der AMS-Datenbank „alle Jobs“ zeigt einen deutlichen Unterschied der Gehälter zwischen Bäckereien (91 offene Stellen) und großen Handelsketten mit Backshops (45 offene Stellen). Während viele Bäckereien und Back-Filialen ihren Verkäufer:innen nur Gehälter zwischen 1.500 und 1.600 Euro bieten, liegen Handelsketten bei 1.700 Euro und darüber.  

Ein:e Mitarbeiter:in bei einem großen Handelsunternehmen im Backshop-Verkauf verdient laut aktueller Stellenausschreibung brutto 1.700/Monat, also im Jahr 23.800. Ein:e Mitarbeiter:in bei einer Bäckerei im Verkauf verdient mit rund 1.550 Euro im Monat 2.100 Euro weniger brutto im Jahr - ein Netto-Gehaltsunterschied von 1.464,38 Euro/Jahr.

Kollektivverträge der Branche hinken hinterher

Der Unterschied liegt unter anderem auch daran, dass der Kollektivvertrag der Bäckereien deutlich jenem des Handels hinterherhinkt. Der wesentlich bessere Handels-Kollektivvertrag sieht als Einstiegsgehalt für Hilfskräfte ohne Ausbildung 1.606 Euro vor, für Regalbetreuung/Verkauf 1.661 Euro, und für anspruchsvollere Tätigkeiten (Kassa mit Lehre) zumindest 1.714 Euro. In der Praxis reicht jedoch trotzdem meist ein Pflichtschulabschluss aus.

Das spiegelt sich in den Stellenausschreibungen wider: Für die Supermarktkette Billa Plus werden im Backshop aktuell 47 Stellen mit genau 1.700 Euro inseriert. Spar (3 Stellen) bezahlt zwischen 1.740 und 1.900 Euro. Nur die Supermarktkette Penny bezahlt für ihre 5 Stellen mit 1.553 Euro unterdurchschnittlich.

37 Bäckereien zahlen noch weniger als die Supermarktkette Penny. Insgesamt 61 Bäckereien zahlen unter 1.600 Euro brutto/Monat. Nur 30 Bäckereien zahlen über 1.600 Euro. Der schlechtere Kollektivvertrag für Bäckereien sieht für Mitarbeiter:innen außerhalb der Produktion (Ladner:in) 1.500,76 Euro Einstiegsgehalt vor (nach einem Dienstjahr 1.547,34). Der Stundenlohn beträgt im ersten Dienstjahr somit unter 9 Euro (8,99). Eine Bereitschaft zur Überzahlung wird bei allen Stellen zumindest laut Stelleninserat angeboten.

Weiterer Druck durch Arbeitsbedingungen

Trotz des niedrigen Gehalts verlangt die Bäckereibranche einiges von ihren Arbeitnehmer:innen ab: unter anderem frühe Öffnungszeiten, Sechstagewoche und Kassa-Verantwortung. Gleichzeitig sind Bäckerei-Arbeiter:innen extrem kurzen Kündigungsfristen von nur einem Tag ausgesetzt, die sich deutlich von den sechs Wochen im Handel unterscheiden.

Auch gegeben der Bedingungen ist es aus Sicht der Arbeitnehmer:innen also durchaus rational, auf ein besseres Jobangebot zu warten und weiterzusuchen, wenn ihnen aktuell nur eines vorliegt, das unter dem Marktlohn bezahlen würde. Dass Bäckereien, die deutlich unter dem offenbar marktüblichen Lohn bezahlen, zu wenige Mitarbeiter:innen finden, ist daher keine Überraschung.

Corona-Hilfen: Staat als Melkkuh statt Abgabenmonster?

Kuh auf Weide

Solidarität ist keine Einbahnstraße. Das sollten bei der Rückzahlung der Corona-Hilfen auch die Unternehmer bedenken. Denn sie und ihre Vertretungen haben den Staat in der Corona-Krise neu für sich entdeckt. Bisher sollte er rank und schlank sein, um das Geschäft nicht mit Abgaben, Arbeitszeitgesetzen oder Verbraucherschutz-Regeln zu vermiesen.  

In der Krise durfte der Staat rasch anwachsen. Vom „gefräßigen Abgabenmonster“ wurde er zur „Melkkuh“. Zwar ging es bei manchen Wirtschaftstreibenden um die eigene Existenz. Bei vielen aber auch nur um die Höhe ihrer Gewinne. Die staatlichen Subventionen für Unternehmen explodierten auf über 18 Milliarden Euro. Nach 4 Mrd. im Vorkrisenjahr 2019. Mit knapp 5% der Wirtschaftsleistung ist das knapp viermal so viel, wie Deutschland letztes Jahr für seine Unternehmen ausgab, und mehr als doppelt so viel wie der EU-Schnitt. „Koste es, was es wolle“ galt tatsächlich für Unternehmer.

Corona-Hilfen auch für Krisengewinner

Niemand zweifelt die Sinnhaftigkeit von Unternehmenshilfen grundsätzlich an. Die Subventionen waren aber ein Sieb mit zu vielen Löchern. Meist bekamen alle etwas, unabhängig vom konkreten Schaden. Bei denen, die sie wirklich benötigten, kamen sie dagegen häufig nicht oder zu spät an. Möbelketten, Baumärkte, Elektronik-Riesen hatten im Gesamtjahr kaum Umsatzverluste, weil die Konsumenten sofort nach dem Lockdown-Ende ihre Geschäfte leerkauften. Sie erhielten trotzdem Hundertausende, teils Millionen Euro. Skischulen, Wettbüros, oder Hotels wurden seit November mit Umsatzersatz, Ausfallsbonus und Fixkostenzuschuss großzügig mit Geld versorgt. Viele stiegen ausgezeichnet aus, weil ihre Kosten bei zugesperrtem Betrieb nur den Bruchteil eines normalen Jahres ausmachen. Große Konzerne wiederum haben staatliche Hilfen erhalten und Mitarbeiter gekündigt, während sie Dividenden an die Eigentümer auszahlten

Aktuelle Vorschläge setzen das Füllhorn für Unternehmen fort: Mit der Senkung des Arbeitslosengeldes soll der Lohndruck nach unten intensiviert werden, ein Niedriglohnsektor künftig für geringe Lohnkosten sorgen. Die geplante, massive Senkung von Unternehmenssteuern kommt noch dazu.  

Sonderstuer für Unternehmen

Solche Ideen sprengen just den gesellschaftlichen Zusammenhalt, von dem Unternehmens-Eigner und Reiche während der Krise massiv profitierten. Zu befürchten ist, dass die (unvernünftigen) europäischen Budgetregeln schon bald Spar-Druck erzeugen. Niedrige Beiträge aus Unternehmensgewinnen bedeuten dann entweder eine hohe Steuerlast auf Arbeit oder einen Abbau des Sozialstaats.  

Gerecht wäre im Gegenteil, wenn sich auch Reiche und Unternehmen an Bezahlung der Krisenkosten beteiligen würden. Etwa, indem eine Sondersteuer für überförderte Betriebe zu viel bezahlte Subventionen wieder zurückholt. Und indem Instrumente für betroffene Branchen ausschließlich am entstandenen Schaden orientiert sind. Und nicht zuletzt sollten wir den eigentlichen Pandemieverlierern – kleine Selbstständige, für die im Förderdschungel kein Platz war, Arbeitslose, KurzarbeiterInnen – zielsicher Hilfe zukommen lassen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

Arbeitslosigkeit in Corona-Krise: Extreme Unterschiede nach Einkommen

Arbeiter:in

Die Corona-Krise traf bei weitem nicht alle gleich. Während die obersten Einkommen weder zu Beginn der Krise noch fast ein Jahr danach viel von der Krise mitbekommen haben, ist die Arbeitsmarktsituation für viele im unteren Bereich der Einkommensverteilung immer noch dramatisch. Sie waren von Beginn an von viel höherer Arbeitslosigkeit betroffen und auch weitaus häufiger in Kurzarbeit. Damit einher geht auch ein Einkommensverlust, der im Falle von Arbeitslosigkeit einen Einbruch von bis zu 45 % bedeuten kann.

Betrachtet man die Gruppe der Personen, die Ende Februar 2020 unselbständig beschäftigt waren, zeigt sich, dass vor dem Arbeitsmarkt nicht alle gleich sind. Die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt haben vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen getroffen. Hier hat kurz nach Krisenbeginn beinahe jede zehnte Person ihren Job verloren. Ganz oben, bei den bestverdienendsten zehn bis zwanzig Prozent wurde weniger als einer von hundert Menschen arbeitslos. Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist dabei um das 17-fache erhöht.

Zu den vulnerableren Gruppen im unteren Bereich der Einkommensverteilung, die kurz nach Krisenbeginn arbeitslos wurden gehören vor allem Frauen, jüngere Menschen und nicht-österreichische Staatsbürger:innen. Wenig überraschend, denn diese Gruppen sind ohnehin verstärkt in den unteren Einkommenszehnteln zu finden. Ausgehend von ihrem Anteil an den Beschäftigten vor der Krise, wurden allerdings neben ausländischen Staatsbürger:innen und Jüngeren zu Beginn der Krise vor allem Männer arbeitslos.

Betrachtet man nicht nur die Arbeitslosen, sondern auch alle weiteren Personen, die ca. eineinhalb Monate nach Krisenbeginn nicht mehr unselbständig beschäftigt waren, ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Betroffenheit von der Krise variiert stark nach Einkommenshöhe – bei den niedrigeren Einkommen waren Ende April bis zu einem Drittel der unselbständig Beschäftigen in Kurzarbeit. Inklusive Personen, die sich vom Arbeitsmarkt zurückzogen (Ausbildung, Karenz, aber vor allem Versicherungslücken) und Pensionierungen war im unteren Bereich der Verteilung beinahe die Hälfte aller Personen von der Krise betroffen – im obersten Zehntel nur eine von sechs.

Verfolgt man die vor Krisenbeginn unselbständig Beschäftigten weiter bis Jänner 2021 (letztverfügbarer Datenzeitpunkt), bleibt die Situation für die unteren Einkommen weiterhin dramatisch. Über den Sommer zeigte sich ein leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit, bei den Geringverdiener:innen waren aber immer noch um die 6 % arbeitslos. Im Winter stieg die Arbeitslosigkeit bedingt durch die Lockdowns wieder und lag im Jänner 2021 sogar leicht über den Werten des Rekordmonats April 2020. Die Kurzarbeit ging stark zurück, dafür erhöhte sich die Zahl der Personen, die sich vom Arbeitsmarkt zurückzogen. Bei den höheren Einkommen waren das vor allem Österreicher:innen, die in Pension gingen – bei den unteren Einkommen hauptsächlich Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft, die in ihre Heimatländer zurückkehrten.

Die Anzahl der Arbeitslosen in den einzelnen Monaten muss sich nicht automatisch aus den gleichen Personen zusammensetzen. Bei den Geringverdiener:innen waren jedoch viel mehr Personen (beinahe) über den gesamten Beobachtungszeitraum arbeitslos als bei Personen mit höherem Einkommen. Niedrigverdiener:innen sind generell viel stärker von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als der Rest. Das hat sich auch in der Corona-Krise wieder deutlich gezeigt. Solange die Arbeitsmarktsituation angespannt bleibt und die Arbeitslosigkeit weiterhin über dem Vorkrisenwert liegt, ist eine Anhebung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengelds wichtig. Ebenso wäre eine generelle Anhebung des Arbeitslosengelds sinnvoll. Denn die enormen Einkommenseinbußen für Menschen mit ohnehin geringem Einkommen behindern neben der schwierigen individuellen Situation durch schwächelnde Konsumausgaben auch eine schnelle Erholung der Wirtschaft.

Was passiert mit den Kurzarbeitern?

AMS Gebäude

Die Situation am Arbeitsmarkt und das niedrige Arbeitslosengeld Österreichs bedeuten nichts Gutes für Betroffene.

Die Ökonomen scheinen sich weitgehend einig zu sein. Die Impfung und die Wiederöffnung der Wirtschaft kommen. Die weitreichende Kurzarbeit müsse mit dem vorläufigen Ende der Pandemie eingeschränkt werden, die Wirtschaft sich selbst tragen. Das hat einen wahren Kern. Der Staat kann nicht auf ewig schrumpfende Branchen stützen.  

Das „Problem“ löst sich aber von selbst. Noch heuer wird sich abzeichnen, wie sehr manche Branchen unter den Folgen von Corona leiden werden – etwa die Luftfahrt oder der Kongresstourismus. Hier werden die Unternehmen Jobs streichen - egal wie streng oder großzügig das neue Kurzarbeitsmodell sein wird.  

Ein wichtiger Aspekt wird oft übersehen: Werden mit dem Auslaufen der Kurzarbeit alle, die nun geschützt sind, einen neuen Job finden? Wohl kaum. Die Arbeitslosigkeit wird bis 2024 höher bleiben als vor der Corona-Krise, wie die Bundesregierung zuletzt nach Brüssel meldete.  

Österreichs Wirtschaft leidet unter chronischem Jobmangel. Schon vor Corona fanden 400.000 Arbeitslose keinen Job. Mit Krise verschlimmerte sich die Situation. Zwischenzeitlich glich der Arbeitsmarkt einer brutalen Version des Sesseltanz-Spiels aus der Volksschule. Um eine offene Stelle „tanzten“ reihum zehn Arbeitslose, bis der Unternehmer die Musik stoppt und nur einen davon nimmt. Mit den Öffnungen werden zwar etwas mehr Sessel dazugestellt, aber von genug Arbeitsplätzen bleiben wir meilenweit entfernt. Übrig bleiben oft die „langsamsten Tänzer“ – Ältere, schon länger Arbeitslose, oder Menschen mit gesundheitlichen Problemen. Ihre Arbeitsmarktchancen gehen schnell in die Nähe des Nullbereichs. Schuld daran ist die schwache wirtschaftliche Entwicklung in Europa seit mehr als einem Jahrzehnt. Die Erholung nach Corona wird aus heutiger Sicht zu klein ausfallen, um das zu ändern.

Also wartet auf viele die Arbeitslosigkeit? Das verheißt nichts Gutes. Denn das österreichische Arbeitslosenversicherungssystem ist für die Absicherung länger Arbeitsloser nicht gut ausgelegt. Im Vergleich mit unseren skandinavischen Vorbildern zahlt der Staat schon am Anfang viel weniger und – inklusive Sozialleistungen – selbst bei andauernder Arbeitslosigkeit etwas weniger. Kurzarbeiter verdienten schon bisher nur 80-90% ihres eigentlichen Einkommens. Werden sie arbeitslos, erhalten sie nur mehr die Hälfte. Wer schnell einen Job findet, kann das verkraften. Für den Großteil der aktuell 200.000 Langzeitarbeitslosen ist das länger nicht mehr der Fall. Ihre Armutsgefährdung ist bedrückend hoch.  

Angesichts des tristen Ausblicks für die nächsten Jahre müsste das Auslaufen der Kurzarbeit mit einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes verbunden werden. Es wäre sozialpolitisch das Mindeste, was die Bundesregierung zur finanziellen Absicherung der Menschen tun könnte, solange die Wirtschaft weiter schwächelt. Es wäre auch anständig.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

Arbeitslose: Warten reicht nicht

AMS-Gebäude Wien

Am Freitag ist der Tag der Arbeitslosen. Gibt es dazu gute Nachrichten? Im Wochentakt verringert sich die Zahl der Arbeitslosen leicht. Ja, es wird besser, vor allem im Verhältnis zum Lockdown-Jahr 2020, mit dem die aktuellen Werte meist verglichen werden.

Dennoch sind aktuell 434.000 Menschen ohne Job. (Für weitere 487.000 gibt es zwar keine Arbeit, aber dank des Kurzarbeitsmodell zumindest einen größeren Teil des früheren Gehalts). Und während sich Regierung und auch viele Wirtschaftsforscher Optimismus demonstrieren, haben wir dieser Tage Prognosen nach Brüssel gemeldet, die ernüchternd sind: Das Vor-Corona-Niveau an Arbeitslosen soll erst 2024 erreicht werden.

Daraus ergeben sich zwei Dinge: Die erste Sache ist, dass wir aufhören sollten, Arbeitslose zu bekämpfen, wenn wir doch Arbeitslosigkeit verringern wollen. Wie aktuelle Auswertungen des Momentum Instituts zeigen, erhält jeder zweite Arbeitslose in Österreich weniger als 978 Euro im Monat. Und das nur 12x im Jahr. Damit lebt jeder zweite arbeitslose Mensch (und seine Familie) am oder - schlimmer noch - unter dem Existenzminimum. Arbeitslose sind die großen Verlierer der Corona-Krise. Sie büßten fast die Hälfte ihres Nettoeinkommens ein. Große Hilfspakete? Fehlanzeige. Für die Arbeitslosen gibt es stattdessen wohlmeinende Ratschläge. Im Westen seien ja Jobs da. Dabei gibt es überall in Österreich um ein Vielfaches mehr Arbeitslose als offene Stellen. Selbst in Oberösterreich kommen auf eine Stelle drei Arbeitssuchende.

Die zweite Ableitung ist, dass unsere Konjunkturspritzen offenbar zu klein sind, wenn selbst die Regierung in ihrer Prognose davon ausgeht, dass viele der heute Arbeitslosen erst in drei Jahren wieder einen Job haben werden. Wir brauchen mehr Investitionen – der EU-Wiederaufbaufonds wäre dafür eine Chance gewesen. Hören wir auf, öffentliche Beschäftigung als Übel zu sehen: im Gesundheitsbereich und in der Bildung braucht es dringend mehr Jobs. Die Menschen dafür gibt es.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Kleinen Zeitung.

Arbeitslosigkeit kam 2020 in der Mitte der Gesellschaft an

Schreibmaschine mit Curriculum Vitae

Am 30. April ist Tag der Arbeitslosen. Anders als in „normalen“ Jahren bekommen Arbeitslose in der Corona-Krise verstärkt Aufmerksamkeit. Arbeitslosigkeit ist nicht mehr so stark nur ein Phänomen, das Menschen mit geringem Einkommen betrifft, wie Auswertungen des Momentum Instituts zeigen.

Daten des AMS für die Arbeitslosen 2020 zeigen die Verteilung des Einkommens vor der Arbeitslosigkeit, das zur Berechnung der Arbeitslosenleistungen herangezogen wird. Die Hälfte der Arbeitslosen im Jahr 2020 verdiente weniger als 1.975 Euro pro Monat brutto vor ihrer Arbeitslosigkeit. Im Vergleich: Die Hälfte aller unselbständig Erwerbstätigen verdiente 2019 weniger als 2.165 Euro pro Monat. „Hier zeigt sich, dass relativ zu vor der Corona-Krise auch viele Besserverdienende arbeitslos wurden. Arbeitslosigkeit ist verstärkt in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“, analysiert Mattias Muckenhuber, Ökonom beim Momentum Institut.

Verteilung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe

Betrachtet man die Arbeitslosenleistungen des AMS, die die Arbeitslosen im Jahr 2020 bekommen haben, zeigt sich, dass diese trotz höherer Anzahl an ehemals Besserverdiener:innen immer noch sehr niedrig sind. So bekommt die Hälfte der Arbeitslosen nur 978 Euro netto pro Monat (12 Mal im Jahr), nur ein Zehntel bekommt über 1.325 Euro netto pro Monat. Im Gegensatz dazu betrug das mittlere Nettogehalt der unselbständigen Beschäftigten im Jahr 2019 1.880 Euro netto pro Monat (ebenfalls 12 Mal im Jahr, inkl. anteilige Sonderzahlungen wie 13. Und 14. Gehalt). „Für viele Arbeitslose bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes beinahe eine Halbierung ihres Gehalts, mehr als die Hälfte der Arbeitslosen muss mit unter 1.000 Euro netto pro Monat auskommen.“ Das ist nur etwas mehr als im Jahr 2019 (927 Euro).

„Ein Unterschied in der Höhe der Arbeitslosenleistung zeigt sich nicht nur zwischen Männern und Frauen, wobei letztere im Mittel über 100 Euro netto pro Monat weniger bekommen.“, so Muckenhuber. „Auch Notstandshilfebezieher:innen bekommen – trotz Anhebung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengelds – weniger als Arbeitslosengeldbezieher:innen. Das deutet darauf hin, dass Besserverdienende eher kürzer arbeitslos sind.“

Betrachtet man die Arbeitslosenleistungen nach Branche zeigt sich: In allen Branchen bis auf Erziehung/Unterricht gibt es einen Gender Gap. Muckenhuber: „Die Ursachen für die Gender Gaps bei den Arbeitslosenleistungen liegen jedoch schon in der Einkommenslücke am Arbeitsmarkt. Die höhere Teilzeitquote der Frauen sowie deren geringere Entlohnung sorgt nicht nur während der Erwerbstätigkeit, sondern auch im Falle von Arbeitslosigkeit für ein geringeres Einkommen.“

Weiters zeigt sich, dass Personen in den Branchen Information/Kommunikation und Finanz-/Versicherungsdienstleistungen die höchsten Arbeitslosenleistungen bekommen, wobei diese vor allem durch arbeitslosengeldbeziehende Männer getrieben werden. Danach folgen die Branchen Bau und Warenherstellung. Im Mittelfeld befinden sich die Branchen Öffentliche Verwaltung, Handel sowie Kunst/Kultur. Am niedrigsten sind die Arbeitslosenleistungen in den Branchen Beherbergung/Gastronomie, Gesundheit, und Erziehung/Unterricht.

Zuletzt zeigen sich auch bei den Arbeitslosenleistungen nach dem Alter starke Unterschiede zwischen Männern und Frauen. „Auch hier spiegeln die Unterschiede stark die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt wider.“, so Muckenhuber. „Ab 25 Jahren bleiben die Arbeitslosenleistungen insgesamt in etwa auf dem selben Niveau. Betrachtet man jedoch Männer und Frauen getrennt, sieht man, dass die Arbeitslosenleistungen der Männer im Alter zunehmen, während die der Frauen ab 45 wieder geringer werden.“

Das im internationalen Vergleich niedrige österreichische Arbeitslosengeld führt dazu, dass die Hälfte der Arbeitslosen weniger als 978 Euro netto pro Monat an Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bekommt, ein Fünftel sogar weniger als 695 Euro. „Eine Erhöhung des Arbeitslosengelds ist einerseits aus Sicht der Betroffenen wichtig, damit die Einkommenseinbußen nicht so stark ausfallen.“, erklärt Muckenhuber. „Andererseits spricht auch volkswirtschaftlich viel dafür, die Arbeitslosenleistungen zu erhöhen. Gerade in einer Krise führt der Einkommensverlust vieler Arbeitsloser zu einer geringeren Nachfrage und in weiterer Folge zu einer schwächeren und langsameren Erholung der Wirtschaft.“

Alternative Fakten am Arbeitsmarkt?

AMS-Gebäude Wien

Die leichte Aufstockung der Notstandshilfe auf das Arbeitslosengeld war ein richtiger Schritt der Bundesregierung. Doch sie ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, weil die Situation auf dem Arbeitsmarkt dramatischer ist als öffentlich verkündet.

Minus 19 Prozent. War das ein Aprilscherz? Am gleichen Tag, an dem ein harter Lockdown in der Ostregion in Kraft trat, freute sich Arbeitsminister Kocher über „konstant positive Zahlen seit Wochen“, feierte gar die gesunkenen Zahlen von Februar auf März sowie jene im Vergleich zum katastrophalen Monat des Vorjahrs, als Corona ausbrach. Beide Vergleiche muten eigen an. Erinnern gar leicht an „Alternative Fakten“, die Ex-Präsident Trump gerne für seine Argumentation präsentierte. Den ersten Vergleich – Februar auf März – macht niemand, weil die Arbeitslosigkeit jedes Jahr zum Sommer hin sowieso sinkt. Der zweite Vergleich mit der Rekordarbeitslosigkeit des ersten Lockdowns zeugt nicht gerade von einem ambitionierten Ziel. Genauer betrachtet sieht die Situation am Arbeitsmarkt alles andere als rosig aus. Die Zahl der Corona-bedingten Arbeitslosen liegt bei 88.000 Menschen und damit höher als vor der zweiten Welle im Herbst.

Tatsächlich ist es aber viel schlimmer. Die Krise am Arbeitsmarkt erreicht aktuell dort ihren Höhepunkt, wo zu wenig hingeschaut wird: Ende März zählt das Land über 190.000 Langzeitarbeitslose. Noch nie waren in Österreich so viele Menschen länger als ein Jahr auf Jobsuche. Darin enthalten sind 150.000 Menschen, die beim AMS als arbeitslos registriert sind. Knapp um die Hälfte mehr seit Ausbruch der Pandemie. Dazu kommen aber noch rund 40.000 Langzeitarbeitslose, die an Schulungen teilnehmen. Sie werden in der regulären Monatsstatistik des AMS unter den Tisch gekehrt, die Zahl kleiner gerechnet.

Alleine von Februar auf März erhielten knapp 10.000 Menschen zusätzlich den Stempel „langzeitarbeitslos“ verpasst. Es wurde der größte Anstieg innerhalb eines Monats seit Beginn der Aufzeichnungen 2004. Im April werden noch einmal Tausende folgen, die inmitten des ersten Lockdowns ihre Arbeit verloren haben. Der Arbeitsmarkt ist ein brutaler Sesseltanz geworden, fünf bis zehn Arbeitslose auf eine offene Stelle. UnternehmerInnen suchen sich die leistungsfähigsten, jüngsten und billigsten MitarbeiterInnen. Deshalb bleiben Menschen über 55 Jahren, oder mit gesundheitlichen Problemen, oder weniger langer formaler Ausbildung tendenziell arbeitslos. Doch die Langzeitarbeitslosigkeit kommt mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft an. Wie das Virus kann die stigmatisierende Bezeichnung alle treffen, die sich nicht durch einen krisenfesten Job in Sicherheit wiegen können. Denn die stärksten Zuwachsraten fanden im Alter zwischen 25 und 44 Jahren statt. Und erstmals erfuhr auch der Westen des Landes einen Schub.

WirtschaftsforscherInnen betrachten Langzeitarbeitslosigkeit als das größte Problem auf dem Arbeitsmarkt. Sieben von zehn Langzeitarbeitslosen gelten als armutsgefährdet, die psychische und finanzielle Belastung ist enorm. Arbeitslose fühlen sich verstärkt von der Gesellschaft ausgeschlossen, neigen zu Depressionen, leiden dreimal so oft unter schlechter Gesundheit. Der Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit ist schwierig und dauert extrem lange – das zeigt die Zeit vor Corona. Trotz drei Jahren Aufschwung ging die Zahl der Langzeit-Arbeitslosen nur wenig zurück. Ohne zusätzliche Maßnahmen wird ein Abbau kaum gelingen. Die Bundesregierung braucht daher dringend einen Masterplan – für jetzt und für die Zeit des Aufschwungs.

Umschulungen sind zwar sinnvoll, garantieren aber keinen Arbeitsplatz danach. Und wer ernsthaft glaubt, mit einer Reform des Arbeitslosengeldes oder teuren Kombilohn-Modellen nach der Krise zehntausende Arbeitsplätze aus dem Nichts herbeizaubern zu können, übt sich in Realitätsverweigerung.

Bis dahin hilft ohnehin nur ein höheres Arbeitslosengeld, das auch die Notstandshilfe mit nach oben zieht. Oder zumindest regelmäßige weitere Einmalzahlungen wie es sie 2020 gab. Arbeitslose sollten nicht für Versäumnisse bei der Impfstoffbeschaffung zu bezahlen haben.

Die Lage ist trist, aber nicht hoffnungslos. Die Bundesländer und das AMS führen derzeit mehrere beispielhafte Projekte durch, die aktiv Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen. 1.000 Menschen wurden inklusive neuer Jobs als Verwaltungshilfen zur Unterstützung an Schulen vermittelt. Das AMS Niederösterreich führt ein Experiment in Marienthal durch, bei dem jedem Langzeitarbeitslosen ein staatlicher oder privater Job angeboten wird. Die Aktion 20.000 schuf tausende öffentliche Arbeitsplätze in Gemeinden und Vereinen. Sie wurde zweimal positiv wissenschaftlich evaluiert, was gerade Martin Kocher eigentlich überzeugen müsste. Wenn man der Langzeitarbeitslosigkeit wirklich den Kampf ansagen will, wird die Regierung nicht um eine öffentliche Beschäftigungsaktion herumkommen.

Die zusätzliche Arbeitskraft wird auch dringend gebraucht: Österreich hat im internationalen Vergleich eher wenig staatliches Personal: all unsere skandinavischen Vorbilder liegen deutlich darüber. Der Bedarf an Personal in der Pflege, Gesundheit, an Schulen, im Klimaschutz, und in der öffentlichen Verwaltung wie der Justiz ist seit Jahren bekannt. Langzeitarbeitslose könnten dort, wo die Qualifikation stimmt, verpflichtend bevorzugt eingestellt werden. Höchste Zeit, loszulegen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in DER STANDARD.