Arbeitslosigkeit

Ausgerechnet: Inflation entwertet Arbeitslosengeld

Leere Hosentaschen als Symbolbild für degressives Arbeitslosengeld

Für die rund 330.000 Betroffenen im Land hat das teils drastische Folgen. Denn das Ausbleiben der Reform kostet betroffene Familien jeden Monat einen Patzen Geld. Ihre Arbeitslosenunterstützung wird auch weiterhin nicht and die Inflation angepasst.

Besserung ist keine in Sicht

Konkret heißt das: Wer dieses Jahr im Jänner gekündigt worden ist, hat heute im Dezember rund 16 Prozent weniger Arbeitslosengeld zur Verfügung als zu Beginn der Arbeitslosigkeit. Für die durchschnittliche arbeitslose Person mit einem Arbeitslosengeld von nur knapp über 1000 Euro bedeutet das einen Wertverlust von rund 180 Euro, im Dezember allein. Und es kommt noch drastischer: Der Wertverlust für Betroffene tritt ja nicht nur einmal auf, sondern jeden Monat aufs Neue. Summiert man den Kaufkraftverlust für das ganze Jahr 2022, hat eine durchschnittliche arbeitslose Person bereits rund 1400 Euro verloren. Besserung ist keine in Sicht: Die Inflation wird auch 2023 hoch bleiben, betroffene Familien sind auch kommendes Jahr mit weiteren Wertverlusten konfrontiert.

Kochers Theorie umstritten

Damit hat der Arbeitsminister – Energiekrise und anhaltend hohe Inflation sei Dank – genau das erreicht, was er für die geplante Reform bereits in petto hatte, nämlich ein degressives Arbeitslosengeld. Also ein Arbeitslosengeld, das mit der Dauer der Arbeitslosigkeit sinkt. Seine Theorie dahinter: Je geringer das Arbeitslosengeld, desto höher der Druck auf Arbeitslose und desto schneller presst man sie in einen neuen Job, auch wenn dieser vielleicht nicht so gut passt. Aber: Kochers Theorie ist in der Wissenschaft höchst umstritten. Teils finden Studien sogar positive Effekte, wenn das Arbeitslosengeld mit der Bezugsdauer steigt, und nicht sinkt. Auch erlaubt ein längerer oder höherer Bezug von Arbeitslosengeld ohne zu viel Druck, dass sich arbeitslose Menschen Jobs suchen, die besser zu ihnen passen und mit denen sie etwas mehr verdienen können. Umso wichtiger wäre es, dass das Arbeitslosengeld, so gering es ohnehin ist, zumindest seinen Wert hält und an die Inflation angepasst wird.

Viele andere Sozial- und Versicherungsleistungen passt die Regierungskoalition ab nächstem Jahr an die jährliche Inflation an. Familienbeihilfe, Studienbeihilfe, Sozialhilfe, Reha-Geld, und vieles mehr. Pensionen, Löhne und Gehälter werden sowieso jährlich erhöht. Nur beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe weigert sich die Bundesregierung und Beziehende schauen durch die Finger. Beim Arbeitslosengeld bleibt aufgrund ideologischer Scheuklappen die längst überfällige Inflationsanpassung aus. Betroffene Familien drohen in die Armut abzurutschen oder sind schon längst dort. 57 Prozent der Langzeitarbeitslosen sind armutsgefährdet. Das scheint politisch gewollt. Ökonomisch klug ist es nicht.

 

Dieser Text erschien zunächst in der Momentum-Kolumne "Ausgerechnet" bei ZackZack.

Arbeitslosengeld ist 16,4% weniger wert als zu Jahresbeginn

Arbeitslosengeld verliert an Wert

Die Inflation entwertet die immer weiter. Je länger eine Person arbeitslos ist, umso mehr sinkt die Kaufkraft ihres Arbeitslosengeldes. Wer als durchschnittliche arbeitslose Person Anfang des Jahres seinen Job verlor, kann sich heute um 16,4 Prozent weniger Güter und Dienstleistungen kaufen als noch zu Jahresbeginn. Etwas weniger als die Hälfte der verlorenen Kaufkraft geht auf den Abstieg in die Notstandshilfe zurück, etwas mehr als die Hälfte auf die Teuerung. Für eine arbeitslose Person mit einem mittleren Arbeitslosengeld von ursprünglich 1.070 Euro bedeutet das einen Verlust an Kaufkraft in Höhe von 176 Euro. Auch 2023 geht der Verlust an Kaufkraft weiter. Während Löhne und Gehälter genauso wie andere Sozial- und Versicherungsleistungen meist zum Jahreswechsel um die Inflation erhöht werden und so ihre Kaufkraft größtenteils behalten, geschieht das beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe nicht. Mit dem Aus der Arbeitslosenversicherungsreform ist auch die Inflationsanpassung der Notstandshilfe vorläufig vom Tisch.

Wertverlust des Arbeitslosengeldes heuer schon bei 16,4%

Der Wertverlust von 176 Euro beschränkt sich aber nur den Dezember. Schon während des gesamten Jahres 2022 hat die Inflation den Wert des Arbeitslosengeldes gemindert, jeden Monat etwas mehr. Der aufsummierte Wertverlust über das ganz Jahr hinweg beträgt daher für eine mittlere arbeitslose Person schon 1.345 Euro.

Kumulierter Wertverlust des Arbeitslosengeldes

Das mittlere Arbeitslosengeld lag 2021 in Österreich bei monatlich 1.070 Euro und damit deutlich unter der Armutsschwelle von 1.371 Euro. Am heftigsten trifft es Langzeitarbeitslose. 57 Prozent von ihnen sind armutsgefährdet. Das Institut empfiehlt das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe auf mindestens 70 Prozent des letzten Nettogehalts anzuheben, sowie das Arbeitslosengeld als auch die Notstandshilfe jedes Jahr um die Inflationsrate zu erhöhen.

Für Arbeitslose fällt die Teuerung zudem aktuell stärker aus als im Durchschnitt. Im Oktober betrug die Inflationsrate 11 Prozent, für den Warenkorb von Arbeitslosen jedoch bereits 11,3 Prozent. Die größten Preistreiber der Inflation sind Kosten für Energie, Wohnen und Lebensmittel. Das sind Ausgaben, die bei Arbeitslosen einen größeren Anteil ausmachen. Fast drei Viertel der Teuerung fallen für sie rein auf die kaum vermeidbaren Ausgabenbereiche zur Deckung der Grundbedürfnisse an. Für sie fällt die Teuerung daher höher aus.

Arbeitslosigkeit im November 2022 weiterhin gering

Arbeitslosenzahlen im November 2022

Die Arbeitslosenzahlen zeigen weiterhin ein erfreuliches Bild, die Arbeitslosigkeit sinkt. Im November waren rund 330.454 Menschen arbeitslos oder in Schulung. Das sind knapp 10% weniger als vor Beginn der Corona-Pandemie und 9,1% weniger als im Vorjahr. Frauen profitieren etwas stärker vom aktuellen Aufschwung, für sie war die Reduktion gegenüber dem November 2019 mit 10,8% am stärksten.

Erfreulicherweise ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit im gesamten Land zu erkennen, dennoch fällt er in manchen Bundesländern stärker aus als in anderen. Der Vergleich zum November 2019 zeigt einen besonders starken Rückgang in Kärnten und Niederösterreich. Am kleinsten fällt der Rückgang der Arbeitslosigkeit in Wien aus.

Auch die Langzeitarbeitslosigkeit ist weiterhin rückläufig. Das Niveau vor der Pandemie ist bereits unterschritten, im Vergleich zu den später 00er-Jahren ist sie jedoch weiterhin hoch. Im November 2022 waren 113.852 Menschen als langzeitarbeitslos gemeldet, während im Februar 2020 noch etwas über 131.000 Langzeitarbeitslose gemeldet waren.

Den Aufschwung am Arbeitsmarkt spüren alle Bevölkerungsschichten. Am stärksten ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit für jene Menschen mit einer Lehrausbildung, aber auch die Anzahl der Erwerbsarbeitslosen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben, ist um 7,2% gesunken. Am schwächsten war der Rückgang mit 4% unter jenen mit höherer Ausbildung.

Jakob Sturn

Oktober 2022: Weiterhin stabile Lage am Arbeitsmarkt

Arbeitslosenzahlen Oktober 2022

Die Lage am österreichischen Arbeitsmarkt ist weiterhin stabil. Im Oktober waren rund 320.000 Menschen erwerbsarbeitslos. Das sind 6,4 % weniger als im Vorjahr und 9,8 % weniger als vor drei Jahren vor Beginn der Corona-Pandemie. Bei Frauen ist der Rückgang etwas stärker.

Damit hält der Rückgang an Arbeitslosigkeit an: Im Drei-Jahres-Vergleich verringerte sich die Arbeitslosigkeit in Österreich um 8,5 % im September und um 6,4 % im August. Die Arbeitslosigkeit ist damit unter dem Vorkrisenniveau. Derzeit sind rund 35.000 Menschen weniger erwerbsarbeitslos als vor Beginn der Corona-Pandemie. Auch die Anzahl der langzeitarbeitslosen Menschen ist weiterhin leicht rückläufig. Damit liegt die Langzeitarbeitslosigkeit derzeit unter dem Wert vor der Corona-Pandemie – allerdings deutlich höher als in den späten 00er-Jahren. 

Erfreulicherweise zieht sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit durch die meisten Branchen hinweg. Lediglich im Gesundheitswesen und unter Ausländer:innen gab es einen leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit im Oktober.

Auch auf regionaler Ebene verzeichnen wir in allen Bundesländern sinkende Arbeitslosenzahlen. Allerdings mit beträchtlichen Unterschieden: in Kärnten ist der Rückgang mit 20,7 % am stärksten. In Wien ist er mit 2,3 % am schwächsten.

Positive Entwicklung am Arbeitsmarkt setzt sich fort

Arbeitslosigkeit im September 2022

Betrachtet man den Vergleich zum September 2019, fällt der Rückgang bei der Arbeitslosigkeit für Frauen, mit -9,5 Prozent, etwas stärker aus als bei den Männern. Insgesamt sind rund 30.000 Menschen weniger arbeitslos.

Über alle Bildungsgrade hinweg ist ein Rückgang zu beobachten, am deutlichsten doch bei Menschen mit Lehrausbildung. Darauf folgt der Rückgang bei Menschen mit Pflichtschulabschluss und bei jenen mit mittlerer Ausbildung.

Für Menschen mit und ohne gesundheitliche Einschränkung sinkt die Arbeitslosigkeit. Für In- und Ausländer:innen ist die Entwicklung jedoch sehr unterschiedlich. Im Vergleich zum September 2019 sind rund 6.600 Ausländer:innen mehr arbeitslos.

Im Bundesländer-Vergleich kann der kräftigste Rückgang im Vergleich zum September 2019 in Kärnten verzeichnet werden, ebenso in Salzburg und Niederösterreich ist die Veränderung deutlich.

Arbeitslosigkeit im August 2022 wieder gestiegen

Arbeitslosenzahlen 2022

Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt scheint unterbrochen. Im August 2022 waren 12.800 mehr Menschen als im Juli 2022 arbeitslos, die Arbeitslosenquote steigt auf 5,9%. Insgesamt sind aktuell 309.431 Menschen arbeitslos oder in Schulung. Der Anstieg um 12.800 Menschen ist im August auffällig hoch.

Auch bei der Langzeitarbeitslosigkeit ist die positive Entwicklung unterbrochen. Waren es vor der Corona-Pandemie noch 131.377 Langzeitarbeitslose, fällt diese Zahl im August 2022 auf 119.604. Damit verzeichnet das AMS aber einen Zuwachs im Vergleich zum Juli 2022 um 750 Langzeitarbeitslose.

Bei den Sektoren gibt es unterschiedliche Entwicklungen: Bei der Warenherstellung, dem Handel und der Gastronomie geht die Arbeitslosigkeit zurück. Bau-Branche und Gesundheitswesen erfahren einen Zuwachs an Arbeitslosen. Auffällig ist auch der starke Rückgang bei der Leiharbeit.

Arbeitsmarkt: Positive Entwicklung durch hohe Preise bisher nicht getrübt

Arbeitslosigkeit - Juli - 2022

Die Arbeitslosigkeit sinkt weiterhin in Österreich – die Entwicklungen am Arbeitsmarkt werden bisher nicht durch die hohen Preise getrübt. Im Juli sind insgesamt 296.647 Menschen arbeitslos oder in Schulung, das sind 28.559 weniger als vor der Corona-Krise.

Insgesamt sehen wir einen Rückgang um rund 47.000 Arbeitslose im Vergleich zum Vorjahresmonat. Bei den Frauen entwickelt sich die Arbeitslosigkeit etwas besser als bei Männern. Bei Frauen sinkt die Zahl der Arbeitslosen im Juli um 15.2 %, damit sind rund 25.356 weniger Frauen arbeitslos als im Juli 2021. Im Vergleich dazu sinkt die Anzahl an Männern ohne Beschäftigung im Juli um 21.936, ein Minus von 12.4 Prozent.

 

Im Juli 2022 geht die Arbeitslosigkeit weiter zurück.

Auch die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt weiterhin ab. Zwar liegt ihr Niveau mittlerweile unter dem Wert vor Pandemie-Beginn, dennoch sind weiterhin 118.858 Menschen in Österreich länger als ein Jahr ohne Job.

Auch über alle Sektoren hinweg beobachtet man einen Rückgang. Über 8.000 Arbeitslose weniger gibt es im Juli im Handel, das ist ein Rückgang um 16,7 Prozent. Auch in Beherbergung und Gastronomie sind über 6.000 Menschen weniger arbeitslos.

Eine Arbeitsmarktreform für Arbeitslose, nicht gegen sie

Schild mit der Aufschrift "Need a Job" als Symbol für Arbeitslosigkeit

Braucht es eine Arbeitsmarktreform? Natürlich. Für arbeitslose Menschen und nicht gegen sie. Deswegen räumen wir zunächst mit der Unterstellung auf, Menschen würden sich vor der Arbeit drücken. Wir wissen dank einer großen SORA-Studie, dass acht von zehn Arbeitslosen so schnell wie möglich wieder arbeiten wollen. Das zeigt sich auch daran, dass die Arbeitslosigkeit stetig sinkt – erstmals seit 2012 liegt die Zahl der Betroffenen wieder unter 300.000.

Dazu kommt: Die Arbeitslosenquote ist massiv verzerrt. In Österreich ist es gängige Praxis, Arbeitslose nach Saisonende beim Arbeitsmarktservice (AMS) zwischenzuparken. Eines von vier Unternehmen bedient sich dieser Praxis, wie eine Auswertung der AMS-Daten zeigt. Ein Achtel der Arbeitslosigkeit geht allein darauf zurück, belegen diese Zahlen. Das kostet die Allgemeinheit über eine halbe Milliarde Euro, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut berechnet hat. Anders gesagt: Wir alle bezahlen die „Hire&Fire“-Praxis, die nebenbei bemerkt für das Personal einen hohen Grad an Unsicherheit bedeutet. Die Betriebe hingegen ersparen sich lästige Sozialabgaben und Steuern in der „toten Zeit“. Solche unsolidarischen Betriebe sollten künftig mehr in den Arbeitslosentopf einzahlen. Das wäre eine längst überfällige Reform.

Ja, viele Betriebe suchen derzeit Personal. Dennoch ist der Katzenjammer aus Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung über den „Personalmangel“ eine Themenverfehlung. Es gibt nicht zu wenig Arbeitskräfte, sondern zu viele schlecht bezahlte Jobs mit prekären Arbeitsbedingungen. Jene Betriebe, die am lautesten über fehlendes Personal klagen, bieten oft Gehälter an der Unterkante der zulässigen Löhne laut Kollektivvertrag. Auf die naheliegende Idee, die Löhne zu erhöhen, um Mitarbeiter anzulocken, kommen nur wenige – insbesondere in der Gastronomie.

Im Zuge einer Arbeitsmarktreform für – nicht gegen – die Menschen müsste das AMS die Fähigkeiten und Wünsche der Arbeitssuchenden noch stärker berücksichtigen. Substandard-Jobs sollte das AMS erst gar nicht mehr vermitteln dürfen. Dabei helfen könnte ein staatlicher Mindestlohn von mindestens 1900 Euro, um Niedriglohnbranchen endlich aufzuwerten. Das würde den Beschäftigten auch gegen die Teuerung helfen. Denn bei Arbeitslosen schlägt die Teuerung besonders brutal zu, weil die Höhe sich ja vom Letztgehalt bemisst. So kann sich jemand, die oder der zu Beginn der Pandemie arbeitslos wurde, heute bereits um mindestens 14 Prozent weniger leisten, wie eine Berechnung des Momentum Instituts belegt.

Was vom Arbeitsminister, im AMS, von Wirtschaftslobbyisten diskutiert wird, ist das Gegenteil von alldem: eine Bezugssperre zu Beginn der Arbeitslosigkeit, Einschränkungen des Zuverdiensts bei Langzeitarbeitslosen, ein „degressives“ Arbeitslosengeld, das nach einer Erhöhung zu Beginn rasch sinkt. Als würde die Arbeitslosenhilfe nicht schon jetzt nach sechs Monaten auf die geringere Notstandshilfe sinken. Dieses viel beschworene „degressive Arbeitslosengeld“ ist längst Realität, neue Jobs schafft es nicht. Und gegen den Arbeitskräftemangel hilft es schon gar nicht.

 

Dieser Text erschien zunächst im "Profil" als Pro-Kommentar der Reihe "Cash&Clash".

Arbeitslosengeld: Marathon der Mittellosen

Leere Hosentaschen als Symbolbild für degressives Arbeitslosengeld


Wer arbeitslos ist, rennt derzeit einen Marathon gegen die steigenden Preise. Von einem Tag auf den anderen fehlt die Hälfte des Einkommens – in Branchen mit Trinkgeldern oft sogar noch mehr. Gerade in Zeiten der hohen Teuerung kann das schnell existenzbedrohend werden. Von der Regierung gibt es vor allem Einmalzahlungen, um Menschen, die besonders unter den steigenden Preisen leiden, über die Runden zu helfen. Das reicht vielleicht für einen Sprint bis zur nächsten Stromrechnung, bis zur nächsten Mieterhöhung. Der Preis-Marathon ist damit nicht zu bewältigen.

Ab kommendem Jahr sollen zwar bestimmte Sozialleistungen mit der Teuerung mitwachsen. Nur: Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gehören nicht dazu. Sie verlieren weiter an Wert. Dabei bekommen arbeitslose Menschen den Kaufkraftverlust der Unterstützungszahlungen ohnehin bereits kräftig zu spüren: Wer etwa zu Beginn der Pandemie arbeitslos wurde, kann sich heute um mindestens 14 Prozent weniger leisten als damals. Einerseits erhalten Arbeitslose nach einigen Monaten nur noch die geringere Notstandshilfe. Andererseits wertet die hohe Inflation das Arbeitslosengeld immer weiter ab. Umso länger die Arbeitslosigkeit dauert, umso höher der Kaufkraftverlust: Bei Menschen, die fünf Jahre oder länger arbeitslos sind, beträgt der Verlust bereits 18 Prozent.

In dieser Situation hält Arbeitsminister Kocher weiterhin am Ziel eines degressiven Modells fest. In der Theorie soll so der steile Abstieg vom Erwerbseinkommen zum Arbeitslosengeld abgeschwächt werden, indem der Bezug zu Beginn der Arbeitslosigkeit höher ausfällt. Nach einer gewissen Dauer soll die Unterstützungsleistung im Vergleich zu bisher aber sinken. Unter dem Vorwand des Arbeitsanreizes werden arbeitslose Menschen so eher gezwungen, jedes Arbeitsangebot anzunehmen – sei es noch so schlecht bezahlt, die Arbeitsbedingungen noch so mies. Nebeneffekt: nicht nur landen mehr Arbeitslose in prekären, schlecht bezahlten Jobs, auch wer einen Job hat, überlegt es sich zweimal, ihn mit Kritik an schlechten Arbeitsbedingungen aufs Spiel zu setzen.

Dabei fallen Unterstützungsleistungen für Arbeitslose schon alleine auf Grund der Inflation mit der Zeit ohnehin immer niedriger aus. Ein Arbeitslosengeld, das mit zunehmender Dauer abfällt, ist damit bereits Realität. Für arbeitslose Menschen bedeutet das einen enormen finanziellen Druck. Das gilt besonders für langzeitarbeitslose Menschen. Rund die Hälfte all jener, die mehr als ein Jahr arbeitslos sind, ist armutsgefährdet.

Dabei ist auch die Geschichte fehlender Anreize zum Arbeiten ein Märchen: Mehr als acht von zehn Arbeitslosen suchen so schnell wie möglich wieder eine neue Beschäftigung, zeigt eine vom Momentum Institut beauftragte SORA-Studie. Was arbeitslose Menschen bräuchten, wären Unterstützungszahlungen, die sie während der Jobsuche absichern. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe müssten dafür auch mit der Inflation mitwachsen – und zwar von einem armutsfesten Niveau aus. Mindestens 70 Prozent des letzten Nettogehalts wären dafür erforderlich. Gerade für langzeitarbeitslose Menschen wären zusätzlich öffentliche Beschäftigungsprogramme sinnvoll. Was sie definitiv nicht brauchen: vermeintliche Arbeitsanreize, die sie weiter in die Armut abdrängen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im "Kurier".

Arbeitslosengeld durch Inflation bereits degressiv

Sozialhilfe wurde gekürzt wegen Teuerungsbonus gekürzt. Aufstocker:innen betroffen. Man sieht eine leere, braune Geldtasche in Frauenhänden.

In ihrem Paket gegen die Teuerung hat die Bundesregierung angekündigt, manche Sozialleistungen automatisch mit der Teuerung mitwachsen zu lassen. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gehören nicht dazu. Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto höher der Kaufkraftverlust. Von der Entwertung besonders betroffen sind arbeitslose Eltern: Der Familienzuschlag verlor seit der letzten Erhöhung fast 40 Prozent an Kaufkraft.

Arbeitslosengeld verliert jährlich an wert. Wer seit 5 Jahren arbeitslos ist, erlitt einen Wertverlust von 18 Prozent.

Einerseits wertet die hohe Inflation das Arbeitslosengeld immer weiter ab. Andererseits fallen Arbeitslose nach einigen Monaten in die Notstandshilfe. Allein dadurch entsteht beim Grundbetrag ein Kaufkraftverlust von fünf Prozentpunkten. Liegt das Arbeitslosengeld über der Ausgleichszulage (1.030 Euro), fällt der Verlust durch die Notstandshilfe mit acht Prozentpunkten noch höher aus. Wer zu Beginn der Pandemie im März 2020 arbeitslos wurde, kann sich heute um mindestens 14 Prozent weniger leisten als damals. Das degressive Arbeitslosengeld, wie von Minister Kocher geplant, ist längst Realität. Für die mittlere arbeitslose Person, die eine Unterstützung von 992 Euro pro Monat erhält, bedeutet das einen Kaufkraftverlust von 136 Euro allein im Mai 2022. Über alle Monate seit Pandemiebeginn aufsummiert ergibt sich ein Kaufkraftverlust von 1.800 Euro.

Umso länger die Arbeitslosigkeit dauert, umso höher fällt der Verlust an Kaufkraft durch die Teuerung aus. Rund 90.000 Menschen sind länger als zwei Jahre arbeitslos, für sie beträgt die Entwertung 14 Prozent. Den 23.000 Personen, die fünf Jahre oder länger arbeitslos sind, fehlen bereits 18 Prozent. Um arbeitslose Menschen vor Armut abzusichern, sollten Arbeitslosengeld und Notstandshilfe auf mindestens 70 Prozent des letzten Nettogehalts angehoben werden. Damit dann keine schleichende Verarmung stattfindet, sollte Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ebenfalls jährlich um die Inflationsrate erhöht werden, so wie das die Bundesregierung für andere Sozialleistungen ab 2023 ankündigt.

Degressives Arbeitslosengeld ist längst Realität. Wer zu Beginn der Pandemie im März 2020 arbeitslos wurde, erilitt einen Werverlust von fast 14% im Mai 2022.

Besonders dramatisch fällt der Wertverlust für Arbeitslose mit Kindern aus. Sie haben zusätzlich zum Arbeitslosengeld Anspruch auf einen Familienzuschlag von 0,97 Cent pro Kind und Tag. Dieser Zuschlag wurde zuletzt vor 21 Jahren erhöht. Seit 2001 hat sich der Wert des Familienzuschlags um 36 Prozent reduziert. Für eine:n Arbeitslose:n mit zwei Kindern bedeutet das einen zusätzlichen Wertverlust von 20 Euro allein im letzten Monat Mai.

Familienzuschlag zum Arbeitslosengeld von 97c pro Kind pro Tag wurde seit 2001 nicht mehr erhöht. Seitdem hat es 36% an Wert verloren. Für eine:n Arbeitslose:n mit 2 Kindern bedeutet das 21 Euro weniger pro Monat

Unseren ausführlichen Policy Brief zum Thema Arbeitsmarktreform als PDF zum Download gibt es hier: