Die Coronakrise

Die wichtigsten Geschichten über die Folgen der Corona-Pandemie auf unser Leben.

500 Tage Corona: Wie kam Österreich durch die Krise?

Masken auf Wäscheleine_Corona

Vor 500 Tagen, am 25.2.2020, wurde in Österreich erstmals eine Person positiv auf das Coronavirus getestet. Seitdem sind hierzulande über 10.000 Menschen in Verbindung mit Corona verstorben, Überlebende haben vielfach noch mit Langzeitfolgen (Long Covid) zu kämpfen. Die Gesundheitskrise hat auch eine beispiellose Wirtschaftskrise ausgelöst. In Österreich schrumpfte die reale Wirtschaftsleistung im Vorjahr um 6,3 Prozent und die Arbeitslosigkeit lag zuletzt immer noch fast 20 Prozent über dem Wert vor der Krise. Nach der Entspannung der gesundheitlichen Situation in den letzten Wochen und den weitreichenden Öffnungsschritten lässt sich nun erstmals ein Art Krisenbilanz ziehen. Im Vergleich mit 37 OECD-Ländern schneidet Österreich dabei nur mittelmäßig ab.

Erste Corona-Krisenbilanz: Covid Misery Index

Als Maßzahl berechnet das Momentum Institut den "Covid Misery Index", welcher Auskunft über das durch die Coronakrise verursachte Elend in den einzelnen Ländern gibt. Der Index setzt sich dabei aus zwei gesundheitlichen (Infizierte, Todesfälle) und zwei wirtschaftlichen (Wachstumseinbruch, Arbeitslosigkeit) Komponenten zusammen. Die einzelnen Länder erhalten in der Folge eine Note zwischen eins und fünf, wobei jene mit Beurteilung eins gut und jene mit Beurteilung fünf vergleichsweise schlecht abschneiden.

Der Covid Misery Index berücksichtigt je zwei gesundheitliche und wirtschaftliche Variablen. Insgesamt schnitt Österreich mit einer Note von 3,03 schlechter ab als der Großteil der OECD-Länder.

Österreich unter OECD-Durchschnitt

Am besten schneiden Südkorea, Neuseeland und Australien ab. Diese Länder verfolgten bislang allesamt eine Strategie der Niedriginzidenzen (auch bekannt als Zero-Covid Strategie). Dies ermöglichte bereits früh weitreichende Öffnungsschritte, die wirtschaftlichen Folgen hielten sich dadurch in Grenzen. Die Erfolge dieser Länder stehen in starkem Kontrast zur in Europa vielfach vertretenen Ansicht, bei den Corona-Maßnahmen ginge es stets um ein Abwägen gesundheitlicher und wirtschaftlicher Interessen. Mit einer Note von 3,03 schneidet Österreich schlechter ab als der OECD-Durchschnitt. Getrieben ist dies vor allem von der schlechten Entwicklung in den Bereichen Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt.

Vergleicht man die Zahlen aus dem ersten Quartal 2021 mit jenen aus dem Vorkrisenjahr 2019, schrumpfte Österreichs Wirtschaft seither um 7,5 Prozent. Nur vier Länder schnitten noch schlechter ab. Auch die Arbeitslosigkeit liegt in Österreich trotz Kurzarbeit noch immer fast 20 Prozent über dem Vergleichswert aus dem Jahr 2019. 

Wege aus der Corona-Krise

Dementsprechend schwierig gestaltet sich auch die Rückkehr auf den Vorkrisenwachstumspfad des Bruttoinlandsproduktes. Prognosen der OECD und der heimischen Forschungsinstitute WIFO und IHS ergeben, dass die wirtschaftliche Erholung in Österreich vergleichsweise langsam vorangeht. Die Rückkehr zum Vorkrisenniveau des Bruttoinlandsproduktes wird demnach erst Mitte 2022 erfolgen. Die USA haben dieses Niveau dank massiver Konjunkturprogramme bereits im Frühjahr wieder erreicht. An den Vorkrisenwachstumspfad wird die österreichische Wirtschaft frühestens 2023 wieder anschließen können.

Für einen Weg aus der Krise, der auch den Vielen zugutekommt, empfiehlt das Momentum Institut folgende Maßnahmen:

  • Gerechte Verteilung der Krisenkosten durch Erhöhung der Körperschaftssteuer oder Corona-Gewinnsteuer
  • Nutzen des günstigen Zinsumfeldes für expansive fiskalpolitische Maßnahmen
  • Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent und Hereinnahme von Ein-Personen-Unternehmen (EPU) in die Arbeitslosenversicherung
  • Ausbau des öffentlichen Sektors in den Bereichen Klima, Pflege, Justiz und Bildung. 

 

Den Policy Brief zu 500 Tagen Corona in Österreich und eine detaillierte Beschreibung der vorgeschlagenen Maßnahmen gibt es hier zum Download:

Vermögenssteuern? Ja bitte!

Großes Luxusanwesen am Meer

Es klingt ein wenig, als wären wir im falschen Film. Mitten in der größten Krise seit Jahrzehnten explodieren neben Armut und Arbeitslosigkeit auch ausgerechnet die Vermögen der Superreichen. Deren Vermögenszuwächse haben sich vom realen Wirtschaftsgeschehen offenbar völlig entkoppelt. Das gilt nicht nur für Jeff Bezos, dessen schwindelerregender Reichtum sich auf 200 Milliarden Euro fast verdoppelte.

Die steigende Vermögenskonzentration war auch vor der Pandemie problematisch. Dank großzügiger Finanzspritzen, niedriger Steuerlast und der als Nebeneffekt der Rettungspakete florierenden Finanzmärkte hat sich die Schieflage aber noch einmal deutlich verstärkt. Auch in Österreich sind Milliardäre in der Krise reicher geworden. Mit ein Grund dafür: hierzulande wurde bei Unternehmenshilfen geklotzt statt gekleckert – in manchen Branchen wurden dabei direkt Dividendenzahlungen an die EigentümerInnen subventioniert. Während Hilfen nun verlängert werden und das Konjunkturpaket ebenso zum großen Teil aus Subventionen für Firmen besteht, sollen jene, die Corona-bedingt ihren Job verloren haben, künftig am besten noch weniger Arbeitslosengeld bekommen.

Mit Vermögenssteuern aus der Krise

Wann, wenn nicht jetzt ist also die Zeit für einen stärkeren Beitrag von großen Vermögen? Wir kämpfen mit der schwersten Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg, die überdies (Hallo, Mutationen!) noch nicht gesichert vorbei ist. Sogar in der Finanzkrise konnte mit der Banken-Abgabe zumindest teilweise dafür gesorgt werden, dass die Lasten gerechter verteilt wurden.

Zu trennen gilt es freilich zwei Modelle: einmalige Vermögensabgaben wie jene in Deutschland 1952, die über 30 Jahre abbezahlt werden konnte. Die jährliche Belastung lag bei 1,67 Prozent, konnte also leicht aus Erträgen finanziert werden. Oder die dauerhafte Einführung von fairen Steuern auf Vermögen und Vermögenserträgen, wie sie etwa auch die OECD seit Jahren empfiehlt. Denn hierzulande besteuern wir Einkommen aus menschlicher Arbeit hoch, jenes auf Kapital niedrig. Und wer in der Geburtslotterie gewonnen hat und eine Erbschaft erhält, zahlt dafür gar keine Steuern, selbst wenn es um Millionen oder Milliarden geht.

Gegen all diese Vorschläge lautet die übliche Erwiderung: es wäre schlecht für die Unternehmen. Das private Vermögen wäre ja schließlich in Unternehmen gebunden. Das ist aber ein vorgeschobenes Argument. Erstens steckt bei weitem nicht alles Vermögen in Unternehmensanteilen, sondern eben auch in Immobilien, Yachten, Kunstsammlungen und so weiter. Zweitens ist Kapital in Unternehmen ja gerade mit dem Ziel veranlagt, Erträge zu generieren, aus denen dann auch eine Vermögenssteuer bezahlt werden kann. Zudem profitieren die Eigner großer Vermögen auch von steuerlichen „Gestaltungsmöglichkeiten“, von denen Durchschnittsverdiener nur träumen können. Das gilt für Unternehmensgewinne, die mitunter in Steuersümpfe verschoben werden, wo sie wenig oder kaum besteuert werden, bis zur Gegenrechnung von Spekulationsverlusten mit Einkommen.

Vermögenssteuern sind nur ein Teil der Lösung

Und zuletzt: Wäre es wirklich unverhältnismäßig oder schwer verkraftbar,  wenn der Staat sich über ein paar Jahre so viel Vermögenssteuer holt, dass beispielsweise Dietrich Mateschitz dann 26 statt 27 Milliarden schwer ist?

Umgekehrt ist es eher so, dass selbst die weitreichendsten Vorschläge für Vermögenssteuern das Problem der zunehmenden Vermögenskonzentration nicht lösen. Sie verhindern nicht, dass einige wenige ein immer größeres Stück des Kuchens bekommen, er macht die Dynamik nur (leicht) langsamer. Das verursacht auch ein demokratisches Problem: denn Superreiche können sich alles kaufen – von Einfluss über Lobby-Vereine, persönlichen Zugang zu Politik bis zu Fernsehsendern und anderen Medien, die dann mit aller ökonomischer Macht die eigene politische Meinung verbreiten.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im DER STANDARD.

Wer die Corona Hilfe bekommt und wer die Rechnung bezahlt

Taschenrechner und ein ausgestreckter Zeigefinger auf eine Rechnung

Wer die Corona-Hilfen bezahlt, wenn das Steuersystem unverändert bleibt

Von der Corona Hilfe profitiert größtenteils der Unternehmenssektor. UnternehmerInnen, Bauern und Kunstschaffende erhalten mehr als jeden zweiten Euro der Krisengelder. Fast 8 von 10 Euro der Krisenkosten bezahlen werden aber ArbeitnehmerInnen, (persönlich einkommensteuerpflichtige) Selbstständige & KonsumentInnen über Abgaben auf Arbeit und allgemeinen Konsum1 – sofern das Steuersystem so bleibt wie es ist. Steuern auf Vermögen, Vermögenszuwächse und Unternehmensgewinne2 werden nicht einmal jeden zehnten Euro der Rechnung begleichen, obwohl die Privatvermögen der UnternehmerInnen im großen Stil durch Wirtschaftshilfen erhalten und Unternehmensinsolvenzen vermieden werden.

Gegenüberstellung der Corona-Maßnahmen und ihrer Bezahlung durch die Aufkommensstruktur unseres aktuellen Steuersystems

Die ursprünglichen wirtschaftlichen Corona-Hilfsmaßnahmen hatten das Ziel, Unternehmer:innen & Arbeitnehmer:innen vor existenzbedrohenden Einkommensverlusten zu bewahren und die Betriebe am Leben zu erhalten, um ein Durchstarten nach der Pandemie zu ermöglichen. Mit dem Umsatzersatz beschritt die Bundesregierung aber verstärkt den Weg, pauschal große Summen an Fördergeldern an Betriebe verschiedener Branchen auszuschütten – unabhängig vom tatsächlichen individuellen Schaden durch die Pandemie. Auch Branchen, die nachweislich den Schaden aus dem ersten Lockdown mehr als aufholen konnten, wie Baumärkte, Elektrogeschäfte und Möbelhäuser, erhielten so staatliche Wirtschaftsförderung, die direkt ihren Gewinn erhöht.

Mehr als bisher stellt sich die Frage, ob die Profiteure dieser Hilfen auch jene sein werden, die sie in Zukunft abbezahlen. Dafür hat das Momentum Institut die bereits ausgegebenen und künftig geplanten Corona-Hilfen 2020-2024 auf die Gruppen „Unternehmen und Landwirt:innen“, „Arbeitnehmer:innen“, und "Öffentliche Investitionen, Klima, Rest" aufgeteilt und der Steuerstruktur gegenübergestellt. Die gesamten Einnahmen des Staates des Jahres 2019 können als Vorhersage dienen, wer die Hilfen abbezahlen wird, sobald sich die Wirtschaft wieder erholt hat und das Steuersystem in seiner bisherigen Form bestehen bleibt.3

Wer erhält die Corona-Hilfen?

Sieht man sich im Detail an, wer von den Hilfen profitiert, ergibt sich ein ungleiches Bild: Mehr als die Hälfte (56 %) der bereits ausgegebenen und künftig eingeplanten Mittel4 geht an Unternehmen. Die größten Kostenblöcke für diese Gruppe sind auf der Ausgabenseite die von der COFAG abgewickelten Mittel wie der Fixkostenzuschuss und der Umsatzersatz, die gemeinsam mit EUR 12 Mrd. im Budgetrahmen bis 2024 vermerkt sind. Auf der Einnahmenseite fallen vor allem steuerliche Erleichterungen ins Gewicht, wie zum Beispiel die degressive Abschreibung (EUR 3,46 Mrd.), der Verlustrücktrag (EUR 3 Mrd.), die Umsatzsteuersenkung inkl. Verlängerung für Gastronomie und Beherbergung (EUR 2,46 Mrd.). Insgesamt werden für Unternehmen EUR 42,09 Mrd. bereitgestellt (davon EUR 41,58 Mrd. an Unternehmer:innen, EUR 0,33 Mrd. an Landwirt:innen, EUR 0,18 Mrd. an Künstler:innen). Auf Arbeitnehmer:innen-Seite stehen zum Beispiel 75% der Corona-Kurzarbeit (EUR 14,25 Mrd.) und die Senkung der Einkommenssteuer (EUR 8,3 Mrd.). Alle Maßnahmen für Arbeitnehmer:innen zusammen ergeben rund EUR 25,98 Mrd. der Kategorie „Öffentlich, Klima, Rest“ werden EUR 7,52 Mrd. (ausschließlich ausgabenseitig) zugeteilt.

Gesamtübersicht über die Corona Hilfen und ihre Empfänger:innen

Das Ausgangsdokument für die Auflistung der Maßnahmen, die neben den ausgaben- auch die einnahmenseitigen Maßnahmen miteinbezieht, ist die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch den Budgetdienst, ergänzt um Berichte des Finanzministeriums und des Budgetdiensts als auch die Parlamentskorrespondenz bis zu den Beschlüssen des 17. Juni 2021.5 Das Momentum Institut hat eine Aufteilung der Maßnahmen auf die verschiedenen Gruppen vorgenommen, die im Detail in den Tabellen unterhalb dokumentiert ist. Im Dokument des Budgetdienst werden die ausgabenseitigen Maßnahmen mit ihrem geplanten Budgetrahmen für 2020-2024 erfasst. Der Budgetrahmen enthält sowohl bisher getätigte Ausgaben als auch künftig geplante Ausgaben, die zu einem späteren Zeitraum wirksam werden dürften. Bei den einnahmenseitigen Maßnahmen wird die kumulierte finanzielle Auswirkung auf den Staatshaushalt von 2020-2024 herangezogen.

Die Zuordnung der einzelnen Maßnahmen zu den einzelnen Gruppen ergibt sich in den allermeisten Fällen eindeutig. Von allen größeren Posten kommt lediglich die Kurzarbeitsbeihilfe beiden Gruppen (Arbeitnehmer:innen und Unternehmer:innen) zugute. Als beschäftigungserhaltendes Instrument haben wir die Kurzarbeit mit 75% der eingeplanten Mittel zum größten Teil den Arbeitnehmer:innen zugeteilt. Die restlichen 25% werden der Gruppe der Unternehmen zugerechnet. Letztere profitieren von der Kurzarbeit einerseits, weil durch die Möglichkeit zur Kurzarbeit Kündigungen vermieden werden, die finanziell mit der Weiterzahlung der Löhne während einzuhaltenden mehrwöchigen Kündigungsfristen verbunden wären (sowie die Auszahlung von aufgestautem Urlaub und Überstunden). Andererseits ermöglicht sie den Unternehmer:innen eine jederzeitige schnelle Wiederaufnahme der Produktion mit den bestehenden eingespielten Teams. Die Arbeitnehmer:innen profitieren dagegen durch eine höhere Nettoersatzrate ihrer letzten Einkommen im Vergleich zum niedrigen Arbeitslosengeld sowie eine (nur einmonatige) Jobsicherheit nach Abschluss der Kurzarbeit.

Wer bezahlt die Corona-Hilfen?

Das Jahr 2020 führt zu sinkenden Steuereinnahmen. Geht man jedoch davon aus, dass die Corona-Krise 2022 überwunden sein wird, dann kehren die Steuereinnahmen wieder auf ihr ursprüngliches Niveau zurück. Vor allem aber die Struktur des österreichischen Abgabensystems ist durch Corona doppelt problematisch. Schon bisher waren die vermögensbezogenen Abgaben im internationalen Vergleich niedrig. Im OECD-Durchschnitt tragen vermögensbezogene Steuern rund 5,6 % zum gesamten Steueraufkommen bei. In Österreich sind es nur 1,3 %. Die Steuern auf Arbeit hingegen sind im internationalen Vergleich recht hoch: Die OECD-Länder heben im Durchschnitt rund 35,97% Steuern auf das Arbeitseinkommen ein, während der Anteil in Österreich bei 47,91% liegt.6 1993 wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, 2008 die Erbschaftssteuer, und 2005 die Körperschaftssteuer gesenkt. Fast 8 von 10 Euro der Krisenkosten bezahlen werden aber Arbeitnehmer:innen, (persönlich einkommensteuerpflichtige) Selbstständige & Konsument:innen über Abgaben auf Arbeit und allgemeinen Konsum7 – sofern das Steuersystem so bleibt wie es ist. Die derzeitige Steuerstruktur bedeutet, dass vor allem Arbeitnehmer:innen, kleine und mittlere Selbstständige, sowie Konsument:innen die Corona-Krise bezahlen werden. Die steuerlichen Beiträge der Vermögenden sowie großer Konzerne werden jedoch eine untergeordnete Rolle spielen, obwohl deren steuerliche Leistungsfähigkeit nach wie vor hoch ist. Viele große Firmen und deren BesitzerInnen profitierten 2020 außerdem von Staatshilfen in Millionenhöhe. Die Kurzarbeit nimmt Personalkosten für Monate während der Lockdowns ab. Der Fixkostenzuschuss, in kleinerem Ausmaß der Umsatzersatz, der Verlustersatz, Stundungen, usw. helfen, die Kosten während der Krise zu drücken. Gerettet bzw. gestützt werden hier neben den Unternehmen an sich vor allem das Privatvermögen der Eigentümer:innen. Als Hauptprofiteur:innen dieser Hilfen empfiehlt es sich, nach der Krise auch von diesen Steuerzahler:innen einen höheren Betrag als bisher einzufordern. Der kann über eine Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Vermögenszuwächse, Steuern auf Grund, Boden und Immobilien, oder eine höhere Körperschaftssteuer erfolgen. Nur so wird das Steuersystem nach Corona auf eine ausgeglichenere Beitragsbasis gestellt und eine Doppelbelastung der Arbeitnehmer:innen, Selbstständigen und Konsument:innen verhindert.

Übersicht über die einnahmeseitigen Corona-Hilfen

 

 

Übersicht über ausgabenseitigen Corona Hilfen

1 Einkommens- und Lohnsteuern, Sozialversicherungsbeiträge, Umsatzsteuer

2 Körperschaftsteuer (GmbHs, AGs)

3 Allenfalls könnte der Beitrag der Unternehmen noch geringer ausfallen, wenn das Aufkommen der Körperschaftssteuer in den nächsten Jahren niedriger ausfällt.

4 Stand 02.11.2020 (Auflistung des Budgetdienst) ergänzt um die Beschlüsse bis inkl. 17.06.2021 (Nationalratsbeschlüsse)

5 Aktuelle Beschlüsse abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/AKT/BS30/
Berichte des Finanzministeriums über die Monatserfolge: https://www.bmf.gv.at/themen/budget/das-budget/budget-2021.html
Publikationen des Budgetdienstes zum Budgetvollzug und der COVID-19 Berichterstattung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/BUDG/BUDGETVOLLZUG/VOLLZUGSANALYSEN/Archiv/index.shtml

6 Der Vergleich basiert auf der Arbeitseinkommensbesteuerung einer Single-Person mit Durchschnittsgehalt ohne Kinder. Details unter: https://stats.oecd.org/index.aspx?DataSetCode=TABLE_I7.

7 Einkommens- und Lohnsteuern, Sozialversicherungsbeiträge, Umsatzsteuer

Oliver Picek

Corona-Hilfen: Staat als Melkkuh statt Abgabenmonster?

Kuh auf Weide

Solidarität ist keine Einbahnstraße. Das sollten bei der Rückzahlung der Corona-Hilfen auch die Unternehmer bedenken. Denn sie und ihre Vertretungen haben den Staat in der Corona-Krise neu für sich entdeckt. Bisher sollte er rank und schlank sein, um das Geschäft nicht mit Abgaben, Arbeitszeitgesetzen oder Verbraucherschutz-Regeln zu vermiesen.  

In der Krise durfte der Staat rasch anwachsen. Vom „gefräßigen Abgabenmonster“ wurde er zur „Melkkuh“. Zwar ging es bei manchen Wirtschaftstreibenden um die eigene Existenz. Bei vielen aber auch nur um die Höhe ihrer Gewinne. Die staatlichen Subventionen für Unternehmen explodierten auf über 18 Milliarden Euro. Nach 4 Mrd. im Vorkrisenjahr 2019. Mit knapp 5% der Wirtschaftsleistung ist das knapp viermal so viel, wie Deutschland letztes Jahr für seine Unternehmen ausgab, und mehr als doppelt so viel wie der EU-Schnitt. „Koste es, was es wolle“ galt tatsächlich für Unternehmer.

Corona-Hilfen auch für Krisengewinner

Niemand zweifelt die Sinnhaftigkeit von Unternehmenshilfen grundsätzlich an. Die Subventionen waren aber ein Sieb mit zu vielen Löchern. Meist bekamen alle etwas, unabhängig vom konkreten Schaden. Bei denen, die sie wirklich benötigten, kamen sie dagegen häufig nicht oder zu spät an. Möbelketten, Baumärkte, Elektronik-Riesen hatten im Gesamtjahr kaum Umsatzverluste, weil die Konsumenten sofort nach dem Lockdown-Ende ihre Geschäfte leerkauften. Sie erhielten trotzdem Hundertausende, teils Millionen Euro. Skischulen, Wettbüros, oder Hotels wurden seit November mit Umsatzersatz, Ausfallsbonus und Fixkostenzuschuss großzügig mit Geld versorgt. Viele stiegen ausgezeichnet aus, weil ihre Kosten bei zugesperrtem Betrieb nur den Bruchteil eines normalen Jahres ausmachen. Große Konzerne wiederum haben staatliche Hilfen erhalten und Mitarbeiter gekündigt, während sie Dividenden an die Eigentümer auszahlten

Aktuelle Vorschläge setzen das Füllhorn für Unternehmen fort: Mit der Senkung des Arbeitslosengeldes soll der Lohndruck nach unten intensiviert werden, ein Niedriglohnsektor künftig für geringe Lohnkosten sorgen. Die geplante, massive Senkung von Unternehmenssteuern kommt noch dazu.  

Sonderstuer für Unternehmen

Solche Ideen sprengen just den gesellschaftlichen Zusammenhalt, von dem Unternehmens-Eigner und Reiche während der Krise massiv profitierten. Zu befürchten ist, dass die (unvernünftigen) europäischen Budgetregeln schon bald Spar-Druck erzeugen. Niedrige Beiträge aus Unternehmensgewinnen bedeuten dann entweder eine hohe Steuerlast auf Arbeit oder einen Abbau des Sozialstaats.  

Gerecht wäre im Gegenteil, wenn sich auch Reiche und Unternehmen an Bezahlung der Krisenkosten beteiligen würden. Etwa, indem eine Sondersteuer für überförderte Betriebe zu viel bezahlte Subventionen wieder zurückholt. Und indem Instrumente für betroffene Branchen ausschließlich am entstandenen Schaden orientiert sind. Und nicht zuletzt sollten wir den eigentlichen Pandemieverlierern – kleine Selbstständige, für die im Förderdschungel kein Platz war, Arbeitslose, KurzarbeiterInnen – zielsicher Hilfe zukommen lassen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Wiener Zeitung.

Corona brachte Explosion an Unternehmenssubventionen

Banknoten

In keinem anderen Land der EU wurden im Jahr 2020 gemessen am BIP so viele Subventionen an Unternehmen ausbezahlt wie in Österreich. Die hohe Gesamtsumme bedeutet aber nicht, dass auch wirklich allen geholfen wird. Stattdessen ist es teilweise zu Überforderungen kommen.

Fast 5% des österreichischen BIP gingen im Jahr 2020 als Subventionen an Unternehmen. Das liegt weit über dem EU-Durchschnitt von 2%, wie aus Daten der AMECO-Datenbank hervorgeht. Auch in Deutschland waren es nur 1,3% - fast ein Viertel im Vergleich zu Österreich.

In absoluten Zahlen wurde so ein Rekordhoch von 18,2 Mrd. EUR an Unternehmen gegeben - 4,3-mal so viel wie im Vorjahr. Die Unternehmenssubventionen waren damit rund 12-mal so hoch wie Ausgaben für Umweltschutz, und etwa gleich hoch wie Ausgaben für den gesamten Bildungssektor (19.4 bzw. 1,6 Mrd EUR in 2020 laut Statistik Austria).

Österreichs Anti-Krisen-Programm forciert Unternehmen

Die Daten der Unternehmensförderung beinhalten laut Statistik Austria die zahlreichen Corona-Hilfen, die an österreichische Unternehmen geflossen sind - wie etwa Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz und Kurzarbeitsgelder. Nicht enthalten sind hingegen Steuerstundungen und Garantiezahlungen, die indirekt subventionieren bzw. erst in den kommenden Jahren fällig werden. Laut Budgetdienst-Vollzugsanalyse wurden von Januar-Dezember 2020 (Stand Mai 2021) Kurzarbeitshilfen von rund 5,5 Mrd. EUR ausbezahlt. Von den 18,2 Mrd. EUR ging der Großteil also tatsächlich an die Unternehmen selbst.

Die Zahlen und allen voran der EU-Vergleich zeigen, dass Österreichs Anti-Krisen-Programm einseitig auf Unternehmenshilfen aufgebaut ist, während Hilfen für Arbeitnehmer:innen im Verhältnis zu kurz kommen. Das zeigt eine Analyse des Momentum-Instituts, wonach nur etwas mehr als ein Drittel der Corona-Hilfen an Arbeitnehmer:innen und Familien geht, während mehr als jeder zweite von zehn Euros an Unternehmen und Landwirt:innen fließt. Und das obwohl die Kosten zu 76% von Abgaben auf Arbeit und Konsum finanziert werden.

Arbeitslosigkeit in Corona-Krise: Extreme Unterschiede nach Einkommen

Arbeiter:in

Die Corona-Krise traf bei weitem nicht alle gleich. Während die obersten Einkommen weder zu Beginn der Krise noch fast ein Jahr danach viel von der Krise mitbekommen haben, ist die Arbeitsmarktsituation für viele im unteren Bereich der Einkommensverteilung immer noch dramatisch. Sie waren von Beginn an von viel höherer Arbeitslosigkeit betroffen und auch weitaus häufiger in Kurzarbeit. Damit einher geht auch ein Einkommensverlust, der im Falle von Arbeitslosigkeit einen Einbruch von bis zu 45 % bedeuten kann.

Betrachtet man die Gruppe der Personen, die Ende Februar 2020 unselbständig beschäftigt waren, zeigt sich, dass vor dem Arbeitsmarkt nicht alle gleich sind. Die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt haben vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen getroffen. Hier hat kurz nach Krisenbeginn beinahe jede zehnte Person ihren Job verloren. Ganz oben, bei den bestverdienendsten zehn bis zwanzig Prozent wurde weniger als einer von hundert Menschen arbeitslos. Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist dabei um das 17-fache erhöht.

Zu den vulnerableren Gruppen im unteren Bereich der Einkommensverteilung, die kurz nach Krisenbeginn arbeitslos wurden gehören vor allem Frauen, jüngere Menschen und nicht-österreichische Staatsbürger:innen. Wenig überraschend, denn diese Gruppen sind ohnehin verstärkt in den unteren Einkommenszehnteln zu finden. Ausgehend von ihrem Anteil an den Beschäftigten vor der Krise, wurden allerdings neben ausländischen Staatsbürger:innen und Jüngeren zu Beginn der Krise vor allem Männer arbeitslos.

Betrachtet man nicht nur die Arbeitslosen, sondern auch alle weiteren Personen, die ca. eineinhalb Monate nach Krisenbeginn nicht mehr unselbständig beschäftigt waren, ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Betroffenheit von der Krise variiert stark nach Einkommenshöhe – bei den niedrigeren Einkommen waren Ende April bis zu einem Drittel der unselbständig Beschäftigen in Kurzarbeit. Inklusive Personen, die sich vom Arbeitsmarkt zurückzogen (Ausbildung, Karenz, aber vor allem Versicherungslücken) und Pensionierungen war im unteren Bereich der Verteilung beinahe die Hälfte aller Personen von der Krise betroffen – im obersten Zehntel nur eine von sechs.

Verfolgt man die vor Krisenbeginn unselbständig Beschäftigten weiter bis Jänner 2021 (letztverfügbarer Datenzeitpunkt), bleibt die Situation für die unteren Einkommen weiterhin dramatisch. Über den Sommer zeigte sich ein leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit, bei den Geringverdiener:innen waren aber immer noch um die 6 % arbeitslos. Im Winter stieg die Arbeitslosigkeit bedingt durch die Lockdowns wieder und lag im Jänner 2021 sogar leicht über den Werten des Rekordmonats April 2020. Die Kurzarbeit ging stark zurück, dafür erhöhte sich die Zahl der Personen, die sich vom Arbeitsmarkt zurückzogen. Bei den höheren Einkommen waren das vor allem Österreicher:innen, die in Pension gingen – bei den unteren Einkommen hauptsächlich Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft, die in ihre Heimatländer zurückkehrten.

Die Anzahl der Arbeitslosen in den einzelnen Monaten muss sich nicht automatisch aus den gleichen Personen zusammensetzen. Bei den Geringverdiener:innen waren jedoch viel mehr Personen (beinahe) über den gesamten Beobachtungszeitraum arbeitslos als bei Personen mit höherem Einkommen. Niedrigverdiener:innen sind generell viel stärker von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als der Rest. Das hat sich auch in der Corona-Krise wieder deutlich gezeigt. Solange die Arbeitsmarktsituation angespannt bleibt und die Arbeitslosigkeit weiterhin über dem Vorkrisenwert liegt, ist eine Anhebung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengelds wichtig. Ebenso wäre eine generelle Anhebung des Arbeitslosengelds sinnvoll. Denn die enormen Einkommenseinbußen für Menschen mit ohnehin geringem Einkommen behindern neben der schwierigen individuellen Situation durch schwächelnde Konsumausgaben auch eine schnelle Erholung der Wirtschaft.

Schulschließungen: Corona-Pandemie beeinflusst besonders Arbeitszeit von Müttern

Leeres Klassenzimmer_Schulschließungen

Die Corona-Pandemie und die dadurch zusätzlich notwendige Kinderbetreuung drohen jahrzehntelange Fortschritte bei der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen rückgängig zu machen. Bestehende Geschlechterrollen in Bezug auf die Aufteilung von unbezahlter Arbeit in Haushalten können dadurch verstärkt werden. Ein neuer Policy Brief des Momentum Institut untersucht, wie sich die Schulschließungen unterschiedlich auf die wöchentliche Arbeitszeit von Frauen und Männern ausgewirkt hat. Die Ergebnisse der Analyse werden in größerem Detail im Working Paper Hanzl und Rehm (2021) diskutiert.

Rolle von Schulschließungen während der Corona-Pandemie

Die Maßnahmen gegen die Corona-Krise haben den Bedarf an Kinderbetreuung zuhause deutlich erhöht: Schulen und Kindergärten wurden geschlossen, Großeltern können wegen des Gesundheitsrisikos nicht mehr aushelfen. Der Bürobetrieb hingegen wurde kaum eingeschränkt. Für Eltern führt das zu einer Mehrfachbelastung, denn neben der üblichen Erwerbsarbeit müssen nun auch die Kinder betreut werden. Aufgrund dieser Umstände blieb und bleibt arbeitenden Eltern oft nichts anderes übrig, als ihre Arbeitszeit anzupassen.

Mütter reduzierten ihre Arbeitszeit während Schulschließungen stärker als Väter

Daten zeigen, dass sowohl Frauen als auch Männer ihre Arbeitszeit vor allem in den ersten Monaten der Pandemie im Frühjahr 2020 stark reduzierten. Obwohl sich die Arbeitszeiten rund um Juli 2020 herum für alle Gruppen stabilisiert haben, steigt der Unterschied der Arbeitsstunden zwischen Müttern und Vätern in Zeiten von Schulschließungen besonders. Die Wochenarbeitszeit von Müttern sank zwischen März 2020 und März 2021 im Durchschnitt um 22 Prozent bzw. rund 6 Stunden, wenn Schulen geschlossen waren. Im Gegensatz dazu veränderten Väter ihre Arbeitszeit wegen der Schulschließungen nicht.

Auswirkungen der Schulschließungen auf Geschlechtergerechtigkeit in Österreich

Die Ergebnisse dieser Analyse deuten stark darauf hin, dass die zusätzlichen Kinderbetreuungspflichten die bezahlte Arbeitszeit nach Geschlecht unterschiedlich beeinflusst haben. Mütter haben ihre Arbeitszeit reduziert, während die Arbeitszeit von Vätern nach der ersten Schockphase weitgehendunverändert blieb. Somit verstärkte die COVID-19-Pandemie vor allem mittelfristig die traditionelle Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit innerhalb der Haushalte in Österreich.

Für die ohnehin im internationalen Vergleich nachhinkende Geschlechtergerechtigkeit in Österreich kann diese Entwicklung zusätzliche negative Auswirkungen haben: Diese reichen von einer Erhöhung des Gender Pay Gaps über den Gender Pension Gap bis hin zur perpetuierten Unterrepräsentation von Frauen in Spitzenpositionen. Denn die geringere Arbeitszeit und häufigeren Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit von Frauen im Vergleich zu Männern haben sich durchwegs als wichtige Erklärungsfaktoren für all diese wirtschaftlichen Nachteile erwiesen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die COVID-19-Maßnahmen in Österreich diese Trends verschärften. Durch Schulschließungen scheinen somit die politischen Entscheidungsträger:innen Frauen dazu gezwungen zu haben, zu Hause zu bleiben, um ihre Kinder zu betreuen.

Handlungsempfehlungen:

  • Sicherstellung von sicheren, flächendeckenden, umfassenden und kostenlosen Kinderbetreuungsmöglichkeiten
  • Rechtsanspruch auf Elternteilzeit bei vollem Lohnausgleich
  • Gerechtere Verteilung der Arbeitszeit: Einführung einer 30-Stunden-Woche

EU Wiederaufbauplan: Was hat sich geändert?

Bleistift

Österreich hat seinen EU Wiederaufbauplan vor etwa drei Wochen bei der Europäischen Kommission eingereicht. Vor ein paar Tagen erschien die deutschsprachige Version des „Comeback-Plans". Auch diese Version zeigt: Nur 4 Prozent des Investitionsvolumens sind wirklich neu. Der Rest ist zur einen Hälfte bereits umgesetzt oder in Umsetzung, und zur anderen Hälfte schon im Regierungsprogramm verankert. Eine später Arbeitsbeginn und der daraus entstehende Zeitdruck dürften die Kreativität abgetötet haben. Als Konsequenz wird weniger Geld als möglich für neue, zusätzliche, die Wirtschaft belebende Projekte eingesetzt. Das erhöht den Erwartungsdruck auf den Rest des „Comeback-Plans“ noch mehr. Denn ein zweites Konjunkturpaket, das diesen Namen verdient, fehlt bisher schmerzlich, um Österreichs Wirtschaft tatsächlich zu einem Comeback zu verhelfen.

Eine vermeintlich neue Maßnahme im EU Wiederaufbauplan

Vergangenes Wochenende erschien erstmals die deutschsprachige Fassung des österreichischen EU Wiederaufbauplans (deutsch: "Aufbau- und Resilienzplan 2020-2026"). Unter allen angeführten Maßnahmen fand sich dabei eine neue, im Themenblock "Resilienz durch Reformen". Hinter der "neuen Maßnahme" verbergen sich drei Gesetzesnovellen, die - ähnlich wie 96% der anderen Maßnahmen - bereits umgesetzt oder beschlossen sind. Demnach dienen nun 52% der Maßnahmen bereits als Mittelausstattung oder Aufstockung von bereits in Umsetzung befindlichen Ausgaben (zum Teil coronabedingt), oder als Ausgaben, mit denen Projekte aus dem Regierungsprogramm umgesetzt werden sollen (44%). In absoluten Zahlen sind so nur 5 der geplanten Investitionsprojekte tatsächlich gänzlich neue Ideen.

CO2-Effekte bleiben im Wiederaufbauplan nun außen vor

Ein zweiter Punkt, der in der deutschen Ausgabe explizit fehlt, sind die Angaben zur CO2-Reduktion, die der Plan bringen soll. Der ursprüngliche Wiederaufbauplan hätte eine Absenkung des CO2-Ausstoßes um 20 Mio. Tonnen vorgesehen. Das hätte eine 115-mal effizientere CO2-Senkung als jene im nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) vorausgesetzt. In der offiziell eingereichten Version ist nur mehr von einem “Sinken im Einklang mit den Klimazielen” die Rede.

Auswirkungen des Wiederaufbauplans auf Wirtschaftswachstum, Arbeitsmarkt und Digitalisierung

Auch bietet der deutsche Plan konkrete Angaben zu den oben genannten Größen. Das zunächst nicht bezifferte reale BIP soll im eingereichten Plan in fünf Jahren um 0,91% steigen, die Beschäftigung um 0,54%. Von einem Aufbauprogramm wäre aber durchaus mehr zu erwarten. Ausgebremst wurde auch das Hochgeschwindigkeitsinternet: Während der geleakte Plan einen Anstieg der Anschlüsse auf 70% vorsah, plant die offizielle Version nur einen Anstieg auf 50%. Auch Investitionen für die Produktion von E-Antrieben der Zukunft im Ausmaß von 50 Mio. sind nicht mehr im Plan enthalten.

Nichts geändert hat sich hingegen an der Verteilung der EU-Gelder. Mehr als die Hälfte des eingereichten Fördervolumens von 4,5 Mrd. Euro fließt in die Infrastruktur, 28% gehen an Unternehmen, während bei Arbeitnehmer:innen und Familien lediglich 17% landen sollen. 

Am Fazit ändert sich auch nach der Veröffentlichung der finalen Fassung nichts: wenig Kreativität bei den geplanten Maßnahmen. Zudem lässt die Regierung konkrete Zahlen in Sachen CO2-Reduktion vermissen.

Hier findet ihr die ganze Studie zum Wiederaufbauplan:

Alexander Huber

Arbeitslose: Warten reicht nicht

AMS-Gebäude Wien

Am Freitag ist der Tag der Arbeitslosen. Gibt es dazu gute Nachrichten? Im Wochentakt verringert sich die Zahl der Arbeitslosen leicht. Ja, es wird besser, vor allem im Verhältnis zum Lockdown-Jahr 2020, mit dem die aktuellen Werte meist verglichen werden.

Dennoch sind aktuell 434.000 Menschen ohne Job. (Für weitere 487.000 gibt es zwar keine Arbeit, aber dank des Kurzarbeitsmodell zumindest einen größeren Teil des früheren Gehalts). Und während sich Regierung und auch viele Wirtschaftsforscher Optimismus demonstrieren, haben wir dieser Tage Prognosen nach Brüssel gemeldet, die ernüchternd sind: Das Vor-Corona-Niveau an Arbeitslosen soll erst 2024 erreicht werden.

Daraus ergeben sich zwei Dinge: Die erste Sache ist, dass wir aufhören sollten, Arbeitslose zu bekämpfen, wenn wir doch Arbeitslosigkeit verringern wollen. Wie aktuelle Auswertungen des Momentum Instituts zeigen, erhält jeder zweite Arbeitslose in Österreich weniger als 978 Euro im Monat. Und das nur 12x im Jahr. Damit lebt jeder zweite arbeitslose Mensch (und seine Familie) am oder - schlimmer noch - unter dem Existenzminimum. Arbeitslose sind die großen Verlierer der Corona-Krise. Sie büßten fast die Hälfte ihres Nettoeinkommens ein. Große Hilfspakete? Fehlanzeige. Für die Arbeitslosen gibt es stattdessen wohlmeinende Ratschläge. Im Westen seien ja Jobs da. Dabei gibt es überall in Österreich um ein Vielfaches mehr Arbeitslose als offene Stellen. Selbst in Oberösterreich kommen auf eine Stelle drei Arbeitssuchende.

Die zweite Ableitung ist, dass unsere Konjunkturspritzen offenbar zu klein sind, wenn selbst die Regierung in ihrer Prognose davon ausgeht, dass viele der heute Arbeitslosen erst in drei Jahren wieder einen Job haben werden. Wir brauchen mehr Investitionen – der EU-Wiederaufbaufonds wäre dafür eine Chance gewesen. Hören wir auf, öffentliche Beschäftigung als Übel zu sehen: im Gesundheitsbereich und in der Bildung braucht es dringend mehr Jobs. Die Menschen dafür gibt es.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Kleinen Zeitung.

Arbeitslosigkeit kam 2020 in der Mitte der Gesellschaft an

Schreibmaschine mit Curriculum Vitae

Am 30. April ist Tag der Arbeitslosen. Anders als in „normalen“ Jahren bekommen Arbeitslose in der Corona-Krise verstärkt Aufmerksamkeit. Arbeitslosigkeit ist nicht mehr so stark nur ein Phänomen, das Menschen mit geringem Einkommen betrifft, wie Auswertungen des Momentum Instituts zeigen.

Daten des AMS für die Arbeitslosen 2020 zeigen die Verteilung des Einkommens vor der Arbeitslosigkeit, das zur Berechnung der Arbeitslosenleistungen herangezogen wird. Die Hälfte der Arbeitslosen im Jahr 2020 verdiente weniger als 1.975 Euro pro Monat brutto vor ihrer Arbeitslosigkeit. Im Vergleich: Die Hälfte aller unselbständig Erwerbstätigen verdiente 2019 weniger als 2.165 Euro pro Monat. „Hier zeigt sich, dass relativ zu vor der Corona-Krise auch viele Besserverdienende arbeitslos wurden. Arbeitslosigkeit ist verstärkt in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“, analysiert Mattias Muckenhuber, Ökonom beim Momentum Institut.

Verteilung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe

Betrachtet man die Arbeitslosenleistungen des AMS, die die Arbeitslosen im Jahr 2020 bekommen haben, zeigt sich, dass diese trotz höherer Anzahl an ehemals Besserverdiener:innen immer noch sehr niedrig sind. So bekommt die Hälfte der Arbeitslosen nur 978 Euro netto pro Monat (12 Mal im Jahr), nur ein Zehntel bekommt über 1.325 Euro netto pro Monat. Im Gegensatz dazu betrug das mittlere Nettogehalt der unselbständigen Beschäftigten im Jahr 2019 1.880 Euro netto pro Monat (ebenfalls 12 Mal im Jahr, inkl. anteilige Sonderzahlungen wie 13. Und 14. Gehalt). „Für viele Arbeitslose bedeutet der Verlust des Arbeitsplatzes beinahe eine Halbierung ihres Gehalts, mehr als die Hälfte der Arbeitslosen muss mit unter 1.000 Euro netto pro Monat auskommen.“ Das ist nur etwas mehr als im Jahr 2019 (927 Euro).

„Ein Unterschied in der Höhe der Arbeitslosenleistung zeigt sich nicht nur zwischen Männern und Frauen, wobei letztere im Mittel über 100 Euro netto pro Monat weniger bekommen.“, so Muckenhuber. „Auch Notstandshilfebezieher:innen bekommen – trotz Anhebung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengelds – weniger als Arbeitslosengeldbezieher:innen. Das deutet darauf hin, dass Besserverdienende eher kürzer arbeitslos sind.“

Betrachtet man die Arbeitslosenleistungen nach Branche zeigt sich: In allen Branchen bis auf Erziehung/Unterricht gibt es einen Gender Gap. Muckenhuber: „Die Ursachen für die Gender Gaps bei den Arbeitslosenleistungen liegen jedoch schon in der Einkommenslücke am Arbeitsmarkt. Die höhere Teilzeitquote der Frauen sowie deren geringere Entlohnung sorgt nicht nur während der Erwerbstätigkeit, sondern auch im Falle von Arbeitslosigkeit für ein geringeres Einkommen.“

Weiters zeigt sich, dass Personen in den Branchen Information/Kommunikation und Finanz-/Versicherungsdienstleistungen die höchsten Arbeitslosenleistungen bekommen, wobei diese vor allem durch arbeitslosengeldbeziehende Männer getrieben werden. Danach folgen die Branchen Bau und Warenherstellung. Im Mittelfeld befinden sich die Branchen Öffentliche Verwaltung, Handel sowie Kunst/Kultur. Am niedrigsten sind die Arbeitslosenleistungen in den Branchen Beherbergung/Gastronomie, Gesundheit, und Erziehung/Unterricht.

Zuletzt zeigen sich auch bei den Arbeitslosenleistungen nach dem Alter starke Unterschiede zwischen Männern und Frauen. „Auch hier spiegeln die Unterschiede stark die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt wider.“, so Muckenhuber. „Ab 25 Jahren bleiben die Arbeitslosenleistungen insgesamt in etwa auf dem selben Niveau. Betrachtet man jedoch Männer und Frauen getrennt, sieht man, dass die Arbeitslosenleistungen der Männer im Alter zunehmen, während die der Frauen ab 45 wieder geringer werden.“

Das im internationalen Vergleich niedrige österreichische Arbeitslosengeld führt dazu, dass die Hälfte der Arbeitslosen weniger als 978 Euro netto pro Monat an Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bekommt, ein Fünftel sogar weniger als 695 Euro. „Eine Erhöhung des Arbeitslosengelds ist einerseits aus Sicht der Betroffenen wichtig, damit die Einkommenseinbußen nicht so stark ausfallen.“, erklärt Muckenhuber. „Andererseits spricht auch volkswirtschaftlich viel dafür, die Arbeitslosenleistungen zu erhöhen. Gerade in einer Krise führt der Einkommensverlust vieler Arbeitsloser zu einer geringeren Nachfrage und in weiterer Folge zu einer schwächeren und langsameren Erholung der Wirtschaft.“