Die Coronakrise

Die wichtigsten Geschichten über die Folgen der Corona-Pandemie auf unser Leben.

Abstiegskampf: Warum der Wirtschaftseinbruch in Österreich im europäischen Vergleich so stark war

Es ist nicht nur der Tourismus. Das ist die Grundaussage des neuen Policy Briefs von Oliver Picek und Alexander Huber. Der überdurchschnittliche Wirtschaftseinbruch Österreichs im vierten Quartal, aber auch im gesamten Jahr 2020 lässt sich nämlich nur zum Teil durch den vergleichsweise hohen Anteil des Tourismus am österreichischen Bruttoinlandsprodukt erklären. Besseres Pandemiemanagement - vor allem im Sommer und Frühherbst - hätte den Einbruch nämlich deutlich abgedämpft. Um 6,6% brach Österreichs Wirtschaft im Jahr 2020 ein, nur sieben der 28 betrachteten europäischen Länder weisen noch schlechtere Zahlen auf. 

Zwar ist der Tourismusanteil an der gesamten Wertschöpfung in Österreich mit 5,7% im europäischen Vergleich sehr hoch. Das allein reicht jedoch nicht als Erklärung für den überdurchschnittlichen Wachstumseinbruch. Vielmehr sind es auch die Strenge und Konsequenz der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen, die Anzahl der Lockdown-Tage, oder die Entwicklung der Corona-Todeszahlen, welche sich signifikant auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken. Hätte Österreich sein Pandemiemanagement lediglich so betrieben wie der europäische Durchschnitt, hätte uns dies 2,4 Milliarden Euro weniger gekostet.

Das Missmanagement in den Sommermonaten und im Frühherbst hat wesentlich zu den verheerenden Konjunkturzahlen im vierten Quartal beigetragen. So hat Österreich in den letzten drei Monaten des Jahres 59 Tage im weichen oder harten Lockdown verbracht. Der überdurchschnittliche Wirtschaftseinbruch im vierten Quartal lässt sich zu 46% auf das Pandemiemanagement zurückführen. Lediglich 29% trug der hohe Tourismusanteil bei.

Wie sich diese Zahlen errechnen und wieso andere europäische Länder wirtschaftlich besser durch das Krisenjahr gekommen sind gibt es im neuen Policy Brief von Oliver Picek und Alexander Huber nachzulesen!

Österreichische Corona-Hilfen im Gender-Check

Frauen sind in der Corona-Mittel Verteilung benachteiligt

Die finanziellen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Krise begünstigen Unternehmen, ArbeitnehmerInnen, Familien und Gemeinden. Sie profitieren in unterschiedlichem Ausmaß von den Hilfen. Eine Gender-Budgeting Analyse zeigt, dass die Mittel auch Männer und Frauen unterschiedlich stark unterstützen.

Von den bis 2024 mit insgesamt EUR 58,03 Mrd. dotierten analysierten Corona-Hilfen kommen nur 42,4 % Frauen zugute. Von den Personen, die über die Verwendung dieser Mittel für sich selbst oder für andere entscheiden können, sind sogar nur 39,8 % weiblich. In absoluten Werten heißt das, dass Männer bis 2024 über EUR 11 Mrd. mehr entscheiden, als Frauen. 

Dotierte Mittel bis 2024: Wie viel Frauen bekommen und über wie viel sie entscheiden

Betrachtet man die bisher verfügbaren Daten für 2020/2021 zu bereits bezahlten und genehmigten Staatshilfen von EUR 26,04 Mrd., profitieren Frauen allgemein mit 43,5%. Die Entscheidungsmacht über die Gelder liegt zudem aktuell nur rund zu einem Drittel (36,2%) in Händen von Frauen. Die Gender-Budgeting Analyse zeigt, dass die Corona-Hilfen in Österreich zwischen Männern und Frauen nicht gleich aufgeteilt werden. Wie es zu dieser Diskrepanz zwischen den Geschlechtern kommt, ist ausführlich im Policy Brief, der unten zum Download bereitgestellt ist, erklärt.

Ausbezahlte bzw. genehmigte Mittel: Wie viel Frauen bekommen und über wie viel Geld sie entscheiden

Politische Handlungsempfehlungen des Momentum Instituts:

  • Bessere Berücksichtigung der von Frauen dominierten Bereichen im Rahmen bestehender Förderinstrumente, z.B. Trinkgeldersatz in der Gastronomie, Ausgleichszahlungen für Einkommensverluste geringfügig Beschäftigter
  • Erhöhung der Löhne im staatlichen Einflussbereich für ArbeitnehmerInnen in systemrelevanten Berufen bzw. in Berufen mit hohem Frauenanteil
  • Mehr Frauen auf Führungs- bzw. Entscheidungsebenen, z.B.: verpflichtende Quoten für Frauen in Führungspositionen, zumindest repräsentativ zum Beschäftigungsanteil in den jeweiligen Branchen
  • Datenlage für geschlechterspezifische Forschung verbessern, z.B. regelmäßige Veröffentlichung von genauen Geldflüssen der Corona-Maßnahmen an Männer und Frauen

Den Policy Brief und die detaillierte Beschreibung der Maßnahmen gibt es hier zum Download:

 

Anna Hehenberger

Sparsam dank Corona?

Erspartes

Wegen Corona ist in Deutschland die Sparquote von elf auf 16 Prozent gestiegen. 100 Milliarden Euro mehr als im Jahr davor wurden dort 2020 auf die Seite gelegt, wie Medien berichteten. Wir ersparen uns etwas, weil wir unser Geld Lockdown-bedingt nicht mehr ausgeben können? Manch einer, war zu lesen, weiß gar nicht, was er mit dem Geld für den ausgefallenen Bali-Urlaub anstellen soll. Sauna? Ein neues Auto?

Die Realität ist leider etwas komplizierter. Wer über ein hohes Einkommen verfügt, kann viel davon für nicht unbedingt Nötiges ausgeben, für Urlaube, Restaurants, Shopping-Ausflüge. In der Krise fällt davon einiges weg. Gleichzeitig kommen Bezieher höherer Einkommen besser durch die Krise: sie verlieren weniger oft den Job, sind seltener in Kurzarbeit. Ihnen bleibt tatsächlich mehr Geld übrig.

Anders sieht es bei der breiten Mehrheit der Menschen aus. Über 500.000 Menschen sind arbeitslos, mehr als 450.000 in Kurzarbeit. Die Kurzarbeit ist zu Recht viel gelobt, aber auch mit ihr gibt es für die Beschäftigten empfindliche Einkommenseinbußen. In der Gastronomie, in der Trinkgeld eine wichtige Rolle spielt, ist das Einkommens-Minus in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit noch höher. Hier ist zu wenig Geld da, um die Bedürfnisse zu decken. Jede zweite Familie mit normalem Einkommen hat keine Ersparnisse mehr, 8 von 10 Arbeitslosen kommen mit ihrem Geld nicht aus. 

Schließlich verrät die Sparquote auch etwas über die Erwartungen von Menschen: wer etwa fürchtet, den Job zu verlieren, legt eher etwas auf die Seite. 

Das ist nachvollziehbar, das Problem insgesamt ist aber: im Wirtschaftskreislauf sind die Ausgaben des einen die Einnahmen des Nächsten. Die nicht ausgegebenen Euros fehlen, der Konjunkturmotor stottert. Deswegen ist der Staat gefordert, Konsumausgaben zu stützen. Etwa über ein – zumindest befristet – höheres Arbeitslosengeld. Über ökologische Konsum-Gutscheine, oder indem er selbst Jobs schafft. In Pflege, Bildung, Justiz ist dafür aktuell hoher Bedarf. Denn wenn sowohl Private als auch der Staat sparen, ist ein Wirtschaftsaufschwung nach Corona schlicht unmöglich.

 

Gastkommentar für die Kleine Zeitung, 17.02.2021

Gemeinsam statt kopflos

Die EU hat in der Coronakrise Lösungskompetenz bewiesen

Heute ist es soweit. Die EU-Arzneimittelbehörde wird früher als gedacht über die Zulassung der ersten beiden Corona-Impfstoffe entscheiden. Damit können EU-BürgerInnen voraussichtlich ab 27. Dezember geimpft werden. Das zeugt von einem erfolgreichen Paradigmenwechsel. Zu Beginn der Pandemie gingen in der Union noch überall die Schlagbäume hinunter und die europäische Politik suchte ihr Heil im Nationalen.

Nach diesem Schock gelobten die Gesundheitsminister Besserung. Die Europäische Kommission stellte hohe Summen aus dem EU-Forschungsbudget für die Bekämpfung der Pandemie und zur Impfstoffentwicklung zur Verfügung. Die Minister schlossen zusammen Verträge mit den Pharmafirmen ab. Das war nicht einfach, denn grundsätzlich fällt die Gesundheitspolitik in den Kompetenzbereich der Nationalstaaten. Die EU raufte sich aber zusammen und besann sich nach einigem Hin und Her darauf, ihre geballte Einkaufsmacht in die Waagschale zu werfen, um sich ausreichend Impfstoff für ihre 450 Millionen BewohnerInnen zu sichern. Die Verteilung zwischen den Mitgliedstaaten wurde nach einem fairen Schlüssel solidarisch und für alle zeitgleich organisiert.

Davon profitiert auch Österreich. Bei einem “Jeder-Gegen-Jeden” hätte die kleine Alpenrepublik im globalen Wettlauf um die begehrten Impfstoffe schlechte Chancen gehabt. Wenn es darauf ankommt, funktioniert die viel gescholtene Europäische Union also durchaus - solidarisch, auch im Interesse der kleinen Mitgliedstaaten. Das zeigt auch der historische Kompromiss am EU-Gipfel vor einer Woche über das 1,8 Billionen Euro schwere Haushalts- und Konjunkturpaket. Ohne Einigung wäre die EU nicht nur ohne Budget, sondern auch ohne 750 Milliarden Euro an Hilfen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau dagestanden. Eine Hiobsbotschaft für von der Pandemie schwer getroffene Länder wie Italien oder Spanien.

Während das Krisenmanagement der EU mittlerweile funktioniert, herrscht in Österreich Planlosigkeit. Nachdem die Bundesregierung im Spätsommer wochenlang einem exponentiellen Wachstum bei den Neuinfektionen tatenlos zugesehen hatte, zog sie im November die Notbremse und verhängte einen zweiten harten Lockdown. Allerdings erst, als die Neuinfektionen pro Kopf den höchsten Wert weltweit erreicht hatten. Das vielbeschworene Contact-Tracing war zu diesem Zeitpunkt längst zusammengebrochen. Überstürzt organisierte und schlecht kommunizierte Massentests, an denen sich gerade einmal ein Viertel der Bevölkerung beteiligte, halfen bei der Aufklärung des Infektionsgeschehens wenig.

Nun stecken wir mitten in der zweiten Welle. Der Kanzler fabuliert bereits von einer möglichen dritten Welle und hat sehr kurzfristig einen neuen harten Lockdown ab dem 26. Dezember verkündet. Trotzdem gibt es über Weihnachten erneut Lockerungen der Regeln zu den sozialen Kontakten, die ohnehin nur mehr Experten überblicken. Von der Europäischen Union könnte Bundeskanzler Kurz jedenfalls eines lernen: Wie man trotz widriger Umstände diese Krise nüchtern und lösungsorientiert managt, indem man zusammen- statt gegeneinander arbeitet.

 

Ganzjährige Teststrategie kostet halb so viel wie dritter Lockdown

Labor
  • Teststrategie & Contact-Tracing mit Kosten von EUR 3,4 Mrd. für ganzes Jahr
  • Nur 41% des Schadens eines neuen 6-wöchigen Lockdowns
  • 9.000 zusätzliche Arbeitsplätze für Contact-Tracer

 

Eine intelligente Massentest-Strategie kombiniert mit einem massiven Ausbau des Contact-Tracing käme für ein ganzes Jahr auf Kosten von EUR 3,4 Mrd. Das wäre weniger als 1% der jährlichen Wirtschaftsleistung. Ein harter Lockdown würde dagegen alleine bei einer Dauer von 6 Wochen die österreichische Volkswirtschaft mit EUR 8,3 Mrd. schädigen. Das zeigen Berechnungen von Wirtschaftsforschungsinstituten zum zweiten Lockdown. Hinzu kämen in diesem Fall noch staatliche Hilfszahlungen in Milliardenhöhe.

Die epidemiologische Effektivität einer neuen Teststrategie und eines funktionierenden Contact-Tracings müssen qualifizierte Gesundheitsexperten beurteilen. Geht man aber davon aus, dass damit ein neuer Lockdown verhindert werden kann, ist die Kosten-Nutzen Rechnung eindeutig positiv. “Mit nur einem Bruchteil der finanziellen Aufwände, die ein oder mehrere neuerliche Lockdowns verursachen würden, könnte zusätzlicher Schaden für die heimische Wirtschaft und hunderttausende Beschäftigte verhindert werden“, analysiert Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Instituts.

Testen und Tracen statt Lockdown

Regelmäßige Massentests und ein funktionierendes Contact-Tracing wären im Vergleich nicht nur kostengünstiger, sondern hätten auch einen positiven Effekt auf den Arbeitsmarkt. Angesichts von gegenwärtig 457.000 Arbeitslosen könnte die öffentliche Hand in großem Maßstab “Contact-Tracer” anstellen. Bei einem monatlichen Bruttolohn von EUR 2.000 Euro ließen sich mit EUR 500 Mio. 13.000 Vollzeit-Stellen finanzieren, die dem WHO-Contact Tracing-Rechner zufolge täglich bis zu 2.100 positive Tests betreuen und abarbeiten können. Derzeit gibt es nur rund 4.000 Contact-Tracer, manche davon in Teilzeit. Der Teststrategie liegt folgende Annahme zugrunde: Würde die Hälfte der österreichischen Bevölkerung zusätzlich 1 Jahr lang alle 4 Tage auf das Virus getestet, fielen bei EUR 7 pro Test dafür Kosten von EUR 2,9 Mrd. an.

 

Lage bleibt angespannt

Wie dringend notwendig der „Wiederaufbau“ des im Herbst kollabierten Contact-Tracings ist, verdeutlicht ein Blick auf die aktuelle Situation (Stand 04.12.): Derzeit verzeichnet Wien mit 50% noch die höchste Aufklärungsquote bei den Neuinfektionen im Bundesländervergleich. Am anderen Ende der Skala rangieren Niederösterreich mit 11%, Vorarlberg mit 9% und Salzburg mit gerade einmal 8% an aufgeklärten Fällen. Die Effektivität der Kontakt-Nachverfolgung hängt jedoch nicht nur von der Anzahl der Contact-Tracer pro 100.000 Einwohner ab, sondern auch davon, ob diese dafür in Vollzeit eingesetzt werden können. Auch die Kooperationsbereitschaft der Bevölkerung ist essentiell.

Trotz der besorgniserregend niedrigen Aufklärungsquoten planen die Bundesländer nur relativ wenig zusätzliches Personal für das Contact-Tracing. Zwar wollen die meisten in den kommenden Wochen neu einstellen und manche zusätzlich temporäre Unterstützung vom Bundesheer anfordern. Konkret geplant sind jedoch bundesweit vorerst nur 351 Stellen. “Für ein effektives Contact-Tracing wird das hinten und vorne nicht reichen. Die öffentliche Hand sollte daher in großem Maßstab zusätzliches Personal einstellen”, empfiehlt Picek.

Wer soll das bezahlen?

Wie finanzieren wir die Krise?

Einhundert Milliarden Euro. Mindestens. Das könnte uns die Krise insgesamt kosten, rechnete das Nachrichtenmagazin “profil” kürzlich vor. Eine schier unvorstellbare Summe. Allein heuer kalkuliert der Finanzminister mit einem Budgetdefizit von zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Für 2021 sieht es ähnlich düster aus.

Egal, wie viel Geld es am Ende genau sein wird, Corona sprengt alle Dimensionen. Im Moment finanzieren wir die Kosten über die Aufnahme neuer Kredite. Und das ist gut so. In der aktuellen Ausnahmesituation muss der Staat mit massiven Hilfen die Wirtschaft vor dem Totalabsturz bewahren. Österreich als wohlhabendes Land kann sich das leisten, zumal es noch nie so günstig war, Kapital aufzunehmen. Im aktuellen Negativ-Zinsumfeld bezahlen Investoren die Republik sogar dafür, ihr Geld leihen zu dürfen.

Dennoch fabulieren die Gralshüter des Nulldefizits bereits davon, schon im nächsten Jahr die Staatsausgaben wieder zurückzufahren – etwa bei Pensionen, Gesundheit oder Pflege. Nichts wäre fataler für die wirtschaftliche Erholung als vorschnelles Sparen. Der deutsche Ökonom Jens Südekum analysiert diesen Ansatz folgendermaßen: Das sei wie mit Vollgas aus einem Tal herausfahren zu wollen, um dann mitten am Berg eine Vollbremsung hinzulegen. Wir werden aus dem wirtschaftlichen Tal der Tränen aber nicht herauskommen, wenn wir auf halbem Weg stehenbleiben. Auch die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds sehen das so.

Mittelfristig führt somit kein Weg an einer Verbreiterung der Einnahmen vorbei. Höhere Steuern auf Arbeit und Konsum wären allerdings Gift für die Konjunktur. Erbschafts- und Vermögenssteuern würden dagegen dem Wirtschaftskreislauf bisher brach liegende Mittel zuführen und jährliche Mehreinnahmen von bis zu acht Milliarden Euro lukrieren. Bei einem Freibetrag von einer Million Euro träfen sie auch die meisten „Häuslbauer“ nicht – im Gegensatz zu den wirklich Vermögenden.

 

Teures Experiment Umsatzersatz endgültig beenden

UnternehmerInnen
  • Rund EUR 1 Mrd. Zusatzkosten für Gastronomie & Hotellerie im Dezember
  • 50% Umsatzersatz für geschlossene Betriebe bedeutet immer noch Überförderung
  • Gesamtkosten steigen potenziell auf bis zu EUR 7 Mrd.
  • Fixkostenzuschuss im Dezember wäre bessere Lösung
  • Endgültiges Ende des Umsatzersatzes zum 1.1.2021 notwendig

 

Die Regierung plant im Zuge der schrittweisen Lockerungen Gastronomie und Hotellerie über Weihnachten bis 6. Jänner 2021 geschlossen zu halten. Anders als im November soll den betroffenen Betrieben für den Dezember nicht mehr 80%, sondern 50% des Umsatzes ersetzt werden. Bemessungsgrundlage soll wiederum der Vorjahresumsatz in diesem Monat sein. „Nach unseren Berechnungen würde die Verlängerung des Umsatzersatzes für Gastronomie und Hotellerie im Dezember somit zusätzlich rund EUR 1 Mrd. kosten“, sagt Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Instituts. Damit könnten auch die Gesamtkosten des Umsatzersatzes auf EUR 7 Mrd. ansteigen, sofern wie angekündigt auch der Großhandel einen Teil seiner Umsätze refundiert bekommt.

Gewinne für Hoteliers

Umsatzerlöse der Betriebe erwirtschaften neben einem Gewinn vor allem die Ausgaben für angefallene Kosten. Bei geschlossenen Betrieben fallen Personalkosten, Wareneinsatz, sowie andere variable Kosten jedoch größtenteils weg. „Für ein durchschnittlich gut gehendes Hotel mit normalerweise rund 10% Gewinn (vom Umsatz) kann ein 50%-Ersatz des Umsatzes bei behördlicher Schließung noch immer einen sehr ordentlichen Gewinn von bis zu 20% des Umsatzes bedeuten. Voraussetzung ist, dass das Hotel die variablen Personal- und Materialkosten während der Schließung herunterfahren kann. Die tatsächlich anfallenden Fixkosten betragen dann nur rund 30% des Umsatzes“, rechnet Picek vor. Die Gewinne vieler Hoteliers könnten im November und Dezember somit im Vergleich zum Vorjahr trotz Schließung steigen. “Hoteliers Gewinne zu bezahlen, sei es auch nur für einzelne Monate, ist nicht Aufgabe des Staates”, so Picek.

Wirtschaftliche Vernunft gebietet Ende des Umsatzersatzes

Insgesamt hat sich der Umsatzersatz als pauschales Instrument erwiesen, das wenig treffsicher, äußerst ineffizient und extrem teuer ist. Der Überförderung ganzer Branchen unter Ausklammerung marktwirtschaftlicher Grundprinzipien wurde damit Vorschub geleistet. Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss, aber auch Umsätze beispielsweise aus dem Take-Away-Verkauf nicht gegenzurechnen, hat die Überförderung verschärft.

“Einfach mit der Gießkanne alle zu bedienen kann nicht das Ziel staatlicher Wirtschaftshilfen sein, auch nicht während Corona”, sagt Picek und ergänzt: “Das Momentum Institut würde eine endgültige Abschaffung des Umsatzersatzes daher sehr begrüßen. Er wird nämlich immer mehr zu einem Fass ohne Boden. Jeder greift jetzt in den staatlichen Geldkoffer. Der Umsatzersatz gehört deshalb schleunigst abgestellt”, empfiehlt Picek.

Deutschland hat diesen Schritt bereits gesetzt und schafft ihn mit 1. Jänner 2020 zugunsten des treffsicheren Fixkostenzuschusses ab. “Österreich sollte diesem Beispiel folgen und auch während eines möglichen dritten Lockdowns keine Wiedereinführung des Umsatzersates andenken”, meint Picek.

2. Lockdown: Arbeitslosigkeit steigt wieder

Steigende Arbeitslosenzahlen

In den neuen Arbeitslosenzahlen für den November macht sich der Kontrollverlust über Corona und der 2. Lockdown bereits massiv bemerkbar. Gegenüber dem Vormonat stieg die Arbeitslosigkeit um rund 33.000 Personen auf über 457.000 Menschen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat nahm der Anstieg der Arbeitslosigkeit erstmals wieder zu. Die Arbeitslosenquote (inkl. SchulungsteilnehmerInnen) lag im November bei 10,9%.

Die Corona-bedingte Arbeitslosigkeit stieg innerhalb eines Monats stark um über 20.000 auf 91.247 Personen. Im November 2020 waren damit um rund 25% mehr Menschen arbeitslos oder in Schulung als im November 2019. Eine nach wie vor katastrophale Lage am Arbeitsmarkt. Steigende Zahlen bei der Kurzarbeit haben höhere Arbeitslosenzahlen verhindert. Mit 276.370 Personen in Kurzarbeit sind das knapp 80.000 mehr als vor 2 Wochen. Bisher konnten Kurzarbeit und der (sehr teure) Umsatzersatz die negativen Arbeitsmarkteffekte des 2. Lockdowns dämpfen.

Betrachtet man die Entwicklung der Arbeitslosigkeit differenziert nach verschiedenen Branchen, so zeigt sich der stärkste Anstieg wenig überraschend in der Gastronomie (plus 43%), gefolgt vom Verkehrsbereich mit plus 40% und dem Handel mit plus 29%.

Eine weitere Betrachtung der Entwicklung nach Altersgruppen zeigt, wie stark die Krise die Mitte der Gesellschaft trifft. In der Gruppe der 25-49-Jährigen, also während der Haupterwerbstätigkeit, stieg der Arbeitslosigkeit am stärksten.

Wir erwarten eine saisonal steigende Arbeitslosigkeit bis in den Jänner. Wie stark die Infektionszahlen sinken und wie sehr eine Lockerung der gesundheitlichen Maßnahmen möglich ist, wird die entscheidende Frage für die Entwicklung der Corona-Arbeitslosigkeit sein.

Schulschließungen: Vermeidbares Übel

Schulschließungen: Vermeidbares Übel

Alle Experten haben vor einer zweiten Corona-Welle gewarnt. Nun ist sie da und Österreich tut – gelinde gesagt – überrascht. Viel mehr als „Macht’s halt die Fenster auf“ ist Bildungsminister Fassmann zur Frage, wie man die Schulen sicher offen halten hätte können, leider nicht eingefallen.

Während Gastronomie und Veranstalter an ausgeklügelten Sicherheitskonzepten gefeilt haben, herrschte im Bildungsministerium Untätigkeit. Mit dem Ergebnis, dass heute zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres flächendeckende Schulschließungen kommen.

Für die Kinder ist es aber alles andere als egal, ob sie zu Hause festsitzen oder in die Schule können. Insbesondere jene aus ärmeren Familien und jüngere Kinder treffen die Schulschließungen hart. Erstere deshalb, weil sich ihre Eltern oft schwer damit tun, sie beim Lernen zu unterstützen und oft nicht einmal das Geld für einen Computer da ist. Jüngere Kinder, weil die kognitiven Fähigkeiten und das Lernverhalten primär im Kindergarten- und Volksschulalter ausgebildet werden.

Die Fehlzeiten in der Schule führen zu lebenslangen Lohneinbußen von bis zu 200 Euro im Monat.

Wer die Schulen schließt, schließt für die Ärmsten und Jüngsten die Türen in die Zukunft.

Schulschließungen sollten daher nur die Ulimata ratio der Pandemiebekämpfung sein.

Dabei hätte es genügend Ideen gegeben, um die Schulen offenzuhalten. Luftfilter, CO2-Messgeräte oder ausreichende Schutzmasken für alle, wären nur drei Möglichkeiten.

Auch die Organisation der Schule hätte man zum Schutz Aller verbessern können: Warum nicht den Schulbeginn staffeln oder auf Hybrid-Unterrichtsformen umstellen, damit nicht alle Schüler gleichzeitig und die ganze Zeit in die Schule müssen?

All das hätte wahrscheinlich nicht vollständig verhindert, dass sich nicht trotzdem ein paar Schüler mit Corona infizieren. Aber es hätte geholfen, die Ansteckungskurve abzuflachen und so einen generellen Schul-Lockdown abzuwenden.

 

Über 500.000 Arbeitsplätze durch steigende Infektionen & zweiten Lockdown potentiell bedroht

Das Wort "Lockdown" aus Scrabblesteinen geformt

Wieviele Jobs sind durch die Explosion der Infektionszahlen und den zweiten Lockdown im November bedroht? 132.000 Arbeitsplätze sind unmittelbar stark gefährdet und weitere 383.000 indirekt und somit teilweise in Gefahr. Das besagt eine Schnellanalyse des Momentum Instituts.

Nimmt man den ersten Lockdown sowie die geplanten Schließungen als Maßstab, sind rund 132.000 Jobs akut gefährdet. Diese befinden sich in den drei von den Schließungen am stärksten betroffenen Wirtschaftsbranchen Gastronomie & Hotellerie, Kunst & Unterhaltung, und sonstige Dienstleistungen (inklusive z.B. Kosmetik- und Massagestudios).

Wie schon im Lockdown ab Mitte März werden wichtige Branchen indirekt betroffen sein - beispielsweise durch die Zurückhaltung der KonsumentInnen oder weniger Aufträge. Dadurch sind weitere rund 383.000 Arbeitsplätze indirekt gefährdet, vor allem in dem Bereichen Handel, Industrie sowie Verkehr.

'Ein zweiter Lockdown trifft den Arbeitsmarkt wieder extrem hart. Er könnte über 500.000 Jobs kosten, falls die Unternehmen das Instrument der Kurzarbeit diesmal weniger nutzen', stellt Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Instituts, fest.

Das Momentum Institut empfiehlt daher eine Anhebung des Arbeitslosengelds auf zumindest 70% der Nettoersatzrate, weil die Zahl der offenen Stellen im November erneut rapide zusammenschrumpfen wird. Des Weiteren kann eine verordnete Senkung der notwendigen Mindestarbeitszeit für Kurzarbeit (Phase 3) in besonders betroffenen Branchen die Jobverluste begrenzen.

Rund 94.000 Arbeitsplätze sind in einer Reihe weiterer Branchen zwar relevant, aber diesmal potenziell weniger betroffen als im Frühjahr. Der Unklarheit, mit der Baufirmen auf dem letzten Lockdown verschiedentlich reagiert haben, dürfte diesmal wegfallen.

Die Schätzung des Momentum Instituts stützt sich auf Erfahrungen aus dem 1.Lockdown kombiniert mit einer ersten Einschätzung des 2. Lockdowns. Als gefährdete Jobs gezählt haben die WirtschaftsforscherInnen Arbeitsplätze, die im 1. Lockdown (April) verschwanden, aber bis September von den Betrieben wieder besetzt wurden. Das inkludiert Arbeitslose, die wieder eingestellt wurden, sowie knapp über die Hälfte der KurzarbeiterInnen (55%), wenn die tatsächlich ausgefallene Arbeitszeit aus den Abrechnungen der Kurzarbeit berücksichtigt wird. So werden in der konservativen Berechnung nur Arbeitsplätze gezählt, die entweder schon einmal verloren gegangen sind oder nur aufgrund der Kurzarbeit erhalten geblieben sind.

'Die knapp 400.000 Arbeitslosen vor Corona sowie 70.000 Corona-Arbeitslose sind in der Rechnung der aktuell bedrohten Jobs gar nicht enthalten', erläutert Oliver Picek.

Mit dem Auslaufen des ersten Lockdowns haben die Betriebe hundertausende Beschäftigte aus der Kurzarbeit zurückgeholt und Zehntausende Arbeitslose wiedereingestellt. Dennoch blieben knapp 70.000 Arbeitslose mehr als vor dem Lockdown arbeitslos (im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres) und rund 160.000 KurzarbeiterInnen weiterhin auf reduzierter Arbeitszeit (tatsächliche Abrechnungen des AMS, Stand August).

Oliver Picek