Die Coronakrise

Die wichtigsten Geschichten über die Folgen der Corona-Pandemie auf unser Leben.

Warum wir ein konkretes Impfziel brauchen

Impfung

Die Corona-Krise hat Österreich noch immer stark im Griff. Was Hoffnung verschafft und den Weg aus der Krise beschleunigen kann, ist die rasche Beschaffung und effiziente Verteilung von Impfstoffen. Zum Stichtag 26.4.2021 wurden in Österreich laut Gesundheitsministerium exakt 2.863.389 Impfdosen verteilt, bei rund 27% davon handelte es sich bereits um die zweite Dosis und somit die Vollimmunisierung.

Bis die gesamte „impfbare Bevölkerung“ (Personen ab 16 Jahren – etwa 7,5 Millionen Österreicher:innen) zumindest erstgeimpft ist, wird es jedoch noch einige Zeit dauern. Trotzdem sollten wir uns ein konkretes Impf-Ziel setzen, bevor wir zu viele Lockerungsschritte setzen. Als Anhaltspunkt kann man hier die Situation in Israel heranziehen: Dort sind bis dato (Stand 27.4.) rund 58% der Bevölkerung erstgeimpft. Fast alle davon (94%) haben auch schon die zweite Dosis erhalten. Betrachtet man die Daten zum israelischen Impffortschritt genauer, fällt ganz klar auf: Die Impfung zeigt Wirkung. Wie man in der Grafik unten erkennt, nahm die Zahl der Neuinfektionen sehr stark mit der Zahl der verabreichten Impfungen ab. Bei Erreichung der Erst-Durchimpfungsrate von 55% gab es einen regelrechten „Impf-Knick“ bei den Infektionszahlen. Israel hatte diese Marke schon Mitte März erreicht.

55% als erstes – aber nicht absolutes – Ziel

Wie lange braucht Österreich nun noch, bis dieser erste Zielwert erreicht werden könnte? Anfang dieser Woche (Stand: 26.4.) waren nur rund 23% der Bevölkerung erstgeimpft. Wenn wir mit derselben Geschwindigkeit weiterimpfen, brauchen wir für das Ziel noch einige Wochen:

Unter Berücksichtigung der Liefermengen bis KW 18 laut Impfdashboard des Gesundheitsministeriums, sowie Liefermengen für Mai und Juni laut Kurier (Daten einer „Anfrage ans Gesundheitsministerium“), sollten wir die 55%-Erstimpfungs-Schwelle von 4,9 Millionen Österreicher:innen am 17.Juni erreichen. Zum selben Datum wären bei gleichbleibendem Trend rund 4 von 10 geimpften Personen vollimmunisiert.

Die Berechnung geht jedoch davon aus, dass – gleich wie im April – etwa 70% der erwarteten Impfdosen für Erstimpfungen verwendet werden, während die restlichen 30% für Vollimmunisierungen dienen. Das Datum ist somit eventuell sogar noch etwas überschätzt, da in den laufenden Wochen von einer leichten Zunahme an Zweitimpfungen ausgegangen werden kann.

Die Kurzanalyse des Impffortschritts Österreichs zeigt uns also einerseits, dass kein Weg, der uns aus der Pandemie bringen kann, am schnellstmöglichen Durchimpfen der Bevölkerung vorbeiführt. Andererseits hat Österreich noch einiges an Arbeit vor sich: Die Durchimpfung hin zur Impfrate, die einen erhofften „Impf-Knick“ in den Infektionszahlen ähnlich jenem in Israel bringen soll, dauert bei aktuellen Lieferzahlen eher optimistisch geschätzt noch rund 7 Wochen. Österreich sollte sich also vor konkreten Versprechungen, die aufgrund unsicherer Liefermengen eventuell nicht eingehalten werden können, zurückhalten. Stattdessen sollten wir uns – etwa betreffend Öffnungs- und Lockerungsschritten – an konkreten, sinngemäßen Zielen orientieren. Klar sein muss dabei: 55% Erstimpfungsrate könnte als erstes Ziel gelten, die Pandemie und ihre Folgen werden damit jedoch noch nicht besiegt sein.

Geld ohne Gegenleistung?

Kundgebung für Erhalt des MAN-Werk in Steyr.

Staatsbeteiligungen sind niemals eine Lösung! Das ist aktuell die politische Devise vom Wirtschaftsministerium abwärts. Wichtig ist, zu bedenken: es handelt sich dabei um eine ideologische Festlegung, nicht um einen Erfahrungswert.

Denn Ideologie steht einer pragmatischen Wirtschaftspolitik im Weg. Ein Beispiel: die Bankenrettung nach der Finanzkrise 2008. Während Österreich seine Banken mit öffentlichen Kreditspritzen wieder aufpäppelte, haben (ausgerechnet!) Länder wie die USA und die Schweiz sich nicht mit ideologischen Beschränkungen aufgehalten, die Notenbank bzw. der Staat beteiligten sich an den Banken. Wie auch schon Norwegen und Schweden in den 90er Jahren. Das Resultat waren Gewinne für die öffentliche Hand, weil die Allgemeinheit nicht nur Geld lieh, sondern auch an der Wertsteigerung nach der Krise beteiligt war. In Österreich kostete die Bankenrettung hingegen über 10 Milliarden Euro – selbst nach Abzug der eigens geschaffenen Bankenabgabe. 

Bei der Corona-bedingten Rettung der AUA, aber auch in der Art und Weise, wie die staatliche Hilfsgesellschaft COFAG aufgestellt ist, wird deutlich: das System scheint auf die Verstaatlichung von Verluste und Privatisierung von Gewinnen ausgelegt.  Bedingungen stellen wir keine, anders als etwa in Frankreich, bei dem mit öffentlichem Geld auch Klima-Auflagen mitkommen.

Während staatliche Hilfsgelder sprießen, schütten Unternehmen hohe Dividendenzahlungen an ihre Eigentümer aus. Das gilt übrigens auch für jenen MAN-Konzern, der das profitable Lkw-Werk in Steyr nun möglichst billig loswerden will und sich an eigene Versprechungen nun partout nicht mehr erinnern möchte.

Dass die Sanierung von strauchelnden Unternehmen mit Staatsbeteiligungen funktionieren kann, zeigen auch andere Beispiele. Die staatliche GBI, damals liebevoll „Pleiteholding“ genannt, sanierte mit öffentlichem Geld Unternehmen, rettete tausende Arbeitsplätze und profitierte eben auch von der Erholung. Etwa bei den ATB-Motorenwerken im steirischen Spielberg. Die GBI wurde dann von der schwarz-blauen Regierung aufgelöst. 

Letzten Endes geht es um eine simple Frage: wie wichtig sind der Politik Arbeitsplätze? Wie ernst nehmen wir den Klimaschutz? Und: beschränkt sich unsere Krisen-Bekämpfung darauf, privaten Eigentümern (MAN gehört indirekt zum Großteil der Milliardärsfamilie Porsche-Piech) große Mengen an Steuergeld zu überantworten, ohne dafür auf eine Gegenleistung im Sinne der Allgemeinheit zu bestehen?

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar in der Kleinen Zeitung.

EU-Wiederaufbauplan: Nur 4% sind neu

Bleistift und Papier

Österreich hat seinen Wiederaufbauplan bei der Europäischen Kommission eingereicht. Nur 4 Prozent des Investitionsvolumens sind wirklich neu. Der Rest ist zur einen Hälfte bereits umgesetzt oder in Umsetzung und zur anderen Hälfte schon im Regierungsprogramm verankert. Eine später Arbeitsbeginn und der daraus entstehende Zeitdruck dürften die Kreativität abgetötet haben. Als Konsequenz wird weniger Geld als möglich für neue, zusätzliche, die Wirtschaft belebende Projekte eingesetzt. Das erhöht den Erwartungsdruck auf den Rest des „Comeback-Plans“ noch mehr. Denn ein zweites Konjunkturpaket, das diesen Namen verdient, fehlt bisher schmerzlich, um Österreichs Wirtschaft tatsächlich zu einem Comeback zu verhelfen.

Kaum neue Ideen im österreichischen Wiederaufbauplan

Nur 5 der geplanten Investitionsprojekte sind tatsächlich gänzlich neue Ideen. Knapp die Hälfte (16 Projekte) sind bereits umgesetzt bzw. beschlossen und werden jetzt nur im Plan angerechnet. Weitere 12 Projekte sind noch nicht umgesetzte/beschlossene Ideen, die aber im Regierungsprogramm stehen. Betrachtet man das viel relevantere gesamte Investitionsvolumen der oben genannten Projekte, so stammen lediglich 4 % aus neuen Projekten. Die verbleibenden 96 % dienen als Mittelausstattung oder Aufstockung von bereits in Umsetzung befindlichen Ausgaben (51 % - zum Teil coronabedingt), oder aber nur Ausgaben, mit denen Projekte aus dem Regierungsprogramm umgesetzt werden sollen (45 %).

Der Großteil der Gelder geht in Infrastrukturinvestitionen

Eine Zuordnung der Gelder ist oftmals schwierig, wenn es um Investitionen geht. Die Zahlung erhält zwar meist konkret eine Gruppe, aber der Nutzen kommt unter Umständen mehreren gesellschaftlichen Gruppen zugute. Soweit als möglich lassen sich die Gelder des Wiederaufbauplans auf die Gruppen „Unternehmen“, „ArbeitnehmerInnen & Familien“ sowie „Infrastruktur“ zuordnen, die allen zugute kommt. Unternehmen erhalten ein gutes Viertel des Plans, während ArbeitnehmerInnen und Familien nur rund 17 % des Wiederaufbaufonds bekommen. Der große Rest – über die Hälfte – besteht allerdings aus Infrastrukturinvestitionen.

CO2-Effekte bleiben unklar

Der Wiederaufbauplan spricht selbstbewusst davon, dass die Durchführung der Maßnahmen eine Einsparung von 20 Millionen Tonnen CO2 bringen soll und damit die Pro-Kopf-Emissionen von 9,2 auf 6 Tonnen sinken. Wie diese Zahlen berechnet werden, bleibt allerdings unklar. Zum Vergleich: Der nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) der Bundesregierung soll bei einem gesamten Investitionsvolumen von EUR 166-173 Mrd. im Zeitraum von 2021 bis 2030 Einsparungen von 14,2 Millionen Tonnen bringen. Nimmt man die Zahlen des Wiederaufbauplans ernst, so führt das zu absurden Schlüssen: Dass die Maßnahmen des Wiederaufbauplans 115-mal effizienter seien als jene des NEKP, darf man berechtigterweise bezweifeln.

45 % der Ausgaben des Wiederaufbauplans gehen in 3 große Projekte

Ein Fünftel des gesamten Volumens soll als größte Einzelmaßnahme für den Breitbandausbau (Gigabit-fähige Netze und Anbindungen) aufgewendet werden. Obwohl diese sehr sinnvolle Maßnahme im Regierungsprogramm steht, und sogar schon in Programmen vorheriger Regierungen (z.B. Schwarz-Blau 2) stand, findet nun erstmals eine konkrete Mittelbedeckung mit knapp EUR 900 Mio. statt. Telekom-Betreiber:innen sollen 50-65 % der Projektkosten erstattet werden, vor allem auch im ländlichen Raum. Zum Teil wird dies aber bereits schon jetzt im Kommunalinvestitionsgesetz gefördert.

Hinter dem Begriff „Digitale und ökologische Investitionen in Unternehmen“ verbirgt sich die während der Corona Pandemie bereits beschlossene Investitionsprämie. Sie gibt es seit letztem Herbst und wurde in der Zwischenzeit mehrfach auf EUR 3 Mrd. aufgestockt. Immerhin das Ziel des grünen Teils der anzurechnenden Prämie klingt gut: 10.300 Elektro-Autos, 100 Ladestationen, 5.000 Photovoltaikstationen und 1.000 thermische Sanierungen sollen ermöglicht werden. Außerdem sollen Energieeffizienzinvestitionen von bis zu 500 Unternehmen gefördert werden. Dabei dürfte allerdings ein erheblicher Mitnahmeeffekt vorhanden sein. Anstatt wirklich neue Investitionen zu stimulieren, dürften eher die Gewinne der Unternehmen subventioniert werden. Dennoch ist die Investitionsprämie konjunkturpolitisch wohl eine der sinnvolleren Maßnahmen.

Auch ein Teil der Kosten des Koralmtunnels soll durch die Wiederaufbaumitteln des RRF zurückgeholt werden (EUR 543 Mio. bei Gesamtkosten von EUR 1.366 Mrd.). Das Projekt firmiert im Plan unter dem Titel „Errichtung neuer Bahnstrecken und Elektrifizierung von Regionalbahnen“.

Fazit

Liest man den Plan, erhärtet sich unweigerlich der Eindruck, dass die Bundesregierung wenig Kreativität gezeigt hat. Der Plan besteht hauptsächlich aus bereits umgesetztem oder im Regierungsprogramm ohnehin vereinbarten. Die konkrete Mittelzuteilung zu Projekten im Regierungsprogramm ist zwar zu begrüßen. Die Chance, zusätzliches, neues Geld zu investieren, wurde aber teilweise vergeben. Nur weil mit dem vorläufigen Ende (Unterdrücken) der schwersten Auswirkungen der Pandemie mittels Impfung und Herdenimmunität ein Aufschwung wartet, heißt das noch nicht, dass nicht nachhaltige Schäden bleiben. Arbeitslosigkeit, Einkommensverluste, Bildungsverluste, und viele weitere Auswirkungen lasten auf einer ausreichenden Wiederbelebung der Wirtschaft in Form eines kräftigen, länger andauernden Booms. Grundsätzlich hat die Bundesregierung mit ihrem „Comeback-Plan“ allerdings die Chance, das noch nachzuholen und den entsprechenden Schub für die österreichische Volkswirtschaft zu planen und umzusetzen. Der Erwartungsdruck auf diesen steigt allerdings enorm an. Denn ein zweites Konjunkturpaket, das diesen Namen verdient, fehlt bisher schmerzlich, um Österreichs Wirtschaft tatsächlich zu einem Comeback zu verhelfen.


Hier findet ihr die ganze Studie:

Den gesamten Wiederaufbauplan der österreichischen Regierung findet ihr hier zum Download.

EU-Paket: Gemeinsam aus der Krise wachsen

EU Fahnen

Um die angeschlagene Wirtschaft nach der Pandemie anzukurbeln, haben die EU- Regierungschefs ein europäisches Konjunktur- und Klimainvestitionspaket beschlossen. Der 750 Mrd. Euro schwere Wiederaufbauplan „NextGenerationEU“ wurde allerdings von Anfang an kritisiert. In Österreich war gar vom Beginn der „Schuldenunion“ die Rede. Auch ein Gastkommentar von Monika Köppl-Turyna schlug an dieser Stelle in dieselbe Kerbe. Das ist schade, denn eine genauere Betrachtung zeigt, dass das Paket ökonomisch sinnvoll und für den Zusammenhalt Europas notwendig ist.

Der Wiederaufbauplan soll zukunftsorientierte öffentliche Investitionen fördern. Mehr als die Hälfte der Mittel sind für Klimaschutz und Digitalisierung bestimmt. Davon profitiert auch die Konjunktur über Folgeeffekte mehrfach. Investiert der Staat beispielsweise in neue Schieneninfrastruktur, so werden dadurch private Investitionen stimuliert, wenn etwa Bauunternehmen neue Geräte anschaffen. 

Im eng verflochtenen Wirtschaftsraum EU wirken positive Effekte über Ländergrenzen hinweg. Die EU-Mitgliedsstaaten haben ein gegenseitiges Interesse am Wohl der Partnerländer. Dass wirtschaftlich schwächere und stärker von der Pandemie betroffene Länder, wie Bulgarien oder Kroatien, auch stärker unterstützt werden ist somit keinesfalls nur Ausdruck von europäischer Solidarität. Wenn Österreich das Programm nicht ratifiziert, wie Köppl-Turyna empfiehlt, kostet das Österreich nicht nur 3,5 bis 4 Mrd. Euro an direkten Hilfsgeldern, sondern durch indirekte Effekte das Fünffache davon. Denn als Land im geografischen Herzen Europas profitiert es indirekt erheblich von den Ausgaben der Süd- und Osteuropäer. 

Das Geld für den Wiederaufbauplan kommt von gemeinschaftlich aufgenommenen Krediten. Während man sich in der Debatte zu politischen Kampfbegriffen wie Schuldenunion hinreißen hat lassen, könnte man das auch einfach als eine effiziente Form der Kreditaufnahme verstehen. Schließlich können so die Zinszahlungen niedrig gehalten werden, da die Gemeinschaft von einer exzellenten Kreditwürdigkeit profitiert. Dieses Konjunkturpaket wäre über eine individuelle Kreditaufnahme der einzelnen Staaten nie möglich gewesen. Wie schon in der Eurokrise 2010-2012 würden Wachstum, Arbeitsmarkt und die europäische Stabilität leiden. Wie es gehen könnte, zeigen die USA. Dank eines kräftigen Konjunkturpakets wird dort bis Ende des Jahres die Wirtschaftsleistung wieder am Vorkrisenniveau stehen – und das, obwohl die USA von der Pandemie sehr stark betroffen waren. In Europa wird das bis Mitte 2022 dauern. 

Mit NextGenerationEU wurde ein dringend notwendiges Paket geschnürt, von dem die gesamte EU profitieren wird. Die Diskussion sollte sich nun um eine produktive Mittelverwendung drehen, anstatt Staatsausgaben aus ideologischen Gründen zu verdammen. Während in anderen Ländern unter Beteiligung der Bürger längst über die Mittelverwendung diskutiert wurde, ist es in Österreich noch bedauerlich ruhig rund um diese Frage. Die Zeit drängt: Bis Ende April muss der Plan bei der EU nämlich eingereicht werden.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastkommentar im Kurier.

Österreichs Schuldenstand? Kein Grund zur Sorge

Das Foto zeigt die Silhouette von Bauarbeitern. Obwohl LeiharbeiterInnen dem Gesetz nach so gut wie gleichgestellt sein müssen, sieht es in der Praxis leider oft anders aus.

Österreichs Staatsschuldenstand ist aufgrund der Corona-Krise deutlich gestiegen. Gemessen am BIP entspricht das etwa dem Schuldenstand nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 und den folgenden Jahren. Gleichzeitig sinken die Zinsausgaben gemessen am BIP seit Jahrzehnten. Statt über drei Prozent gab Österreich 2019 nur mehr 1,4 Prozent des BIPs für Zinszahlungen aus. Tendenz: sinkend.

Die sinkenden Zinsausgaben liegen daran, dass die Neuverschuldung für den Staat immer günstiger wird. Daran hat auch die sehr hohe Neuverschuldung im vergangenen Jahr nichts geändert – im Gegenteil, die Zinsen auf neu ausgegebene Staatsanleihen sanken in den negativen Bereich. Österreich wird zurzeit von seinen Gläubigern dafür bezahlt, Schulden zu machen.

Die 2020 neu ausgegebenen Staatsanleihen führten aufgrund von negativen Zinssätzen einen Gewinn von rund EUR 37 Mio. für die öffentliche Hand - allein im ersten Laufjahr, zeigen Berechnungen des Momentum Instituts. Dazu kommt die Inflation: Rechnet man volkswirtschaftlich korrekt die künftige Geldentwertung mit plausiblen Inflationsraten von 1 bis 2 Prozent jährlich mit ein, wird der Gewinn inflationsbereinigt über die Laufzeit der 2020 neu begebenen Anleihen (in Höhe von EUR 42 Mrd.) kumuliert zwischen EUR 3,8 und 8,4 Mrd. betragen. 

Nach Corona: Kein Zurück auf den alten Wachstumspfad?

Zwar wird sich die Wirtschaft in den kommenden Jahren wieder erholen. Allerdings bedeutet das noch nicht, dass die Wirtschaftsleistung auf den alten Wachstumspfad zurückkehrt. Damit drohen permanente Verluste. Allein bis 2024 dürften so rund 113 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren gehen. Jedem/r ÖsterreicherIn entgehen damit mehr als EUR 12.700. Der Staat sollte daher mit öffentlichen Investitionen und Ausgaben Starthilfe zu geben und Verluste zu minimieren. Das Momentum Institut empfiehlt einen öffentlichen Investitions-Sprint.

Die Gefahr ist, Fehler zu wiederholen: Nach der großen Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2008/2009 kürzte Österreich viel zu schnell seine Staatsausgaben. Das gerade erst aufkommende Wirtschaftswachstum wurde damit abgewürgt. Das Ergebnis: Die Verluste der Krise wurden nie wieder aufgeholt. Rund EUR 270 Mrd. an Wertschöpfung blieben in den Jahren 2009-2019 auf der Strecke. Den ÖsterreicherInnen entgingen pro Kopf über EUR 30.000 an Wertschöpfung.

Angesichts der Dimension der Corona-Hilfen sollten wir laufend analysieren, wer die Hilfen erhält und wer sie - über den Steuertopf - abbezahlen wird. Bis dato profitiert von den Corona-Wirtschaftsförderungen größtenteils der Unternehmenssektor. UnternehmerInnen, Bauern und Kunstschaffende erhalten mehr als jeden zweiten Euro der Krisengelder. Fast 8 von 10 Euro der Krisenkosten bezahlen werden aber ArbeitnehmerInnen, (persönlich einkommensteuerpflichtige) Selbstständige & KonsumentInnen über Abgaben auf Arbeit und allgemeinen Konsum – sofern das Steuersystem so bleibt, wie es ist.

Anna Hehenberger

Das Inflationsgespenst ist wieder da

Banknoten aus Zimbabwe

Gerade in der deutschsprachigen Ökonomie scheint aktuell ein seltsam vertrauter Alarmismus ausgebrochen. Die große Inflation kommt! Das haben wir schon einmal gehört? Ja, zuletzt 2011/2012 während der Eurokrise und 2015, als die europäische Zentralbank in den Kauf von Staatsanleihen einstieg. Die rapide steigende Inflation sei unausweichlich, das Ende der Währung nah, behaupteten monetaristische Ökonomen. Sie haben sich geirrt. Denn geschehen ist nichts, der Euro bleibt stabile Weltwährung. Im Gegenteil: Die Preissteigerungen innerhalb der Eurozone, auch in Österreich, fielen historisch niedrig aus, weil die Sparpolitik der EU-Staaten ab 2011 jegliche aufflammende wirtschaftliche Dynamik vernichtete.

Eine dauerhaft hohe Inflation ist gefährlich: sie verringert den Wert bestehender Sparguthaben. Gläubiger fallen um den Wert ihrer Kredite um. Werden die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Probleme hoher Inflationsraten (10% und darüber) nicht angegangen, kann das in Extremfällen zu Hyperinflation führen, dem Wertverlust der Währung und einer Währungsreform. Doch heute ist das so wahrscheinlich wie die Existenz von Geistern. In der letzten Dekade betrug die Inflation in der Eurozone durchschnittlich 1,2 Prozent, im letzten Jahr 0,3 Prozent. Auch in Österreich lag sie meist deutlich unter dem europäischen Zielwert von 2%. 

Nach dem Lehrbuch kommt es dann zu Inflation, wenn mehr Güter und Dienstleistungen nachgefragt werden, als angeboten werden können. Und - das ist entscheidend - die Firmen ihre Produktion selbst nach Monaten oder Jahren nicht erweitern können, wenn mehr Aufträge hineinkommen. Das war etwa in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg der Fall, als ein auf Kriegsproduktion ausgerichteter, zerstückelter Kleinstaat ohne eigene Rohstoffe in Hyperinflation versank. Hohe Inflationsraten - keine Hyperinflation - sahen wir auch in den 70ern, als aufgrund geopolitischer Konflikte Öllieferungen abgedreht bzw. verteuert wurden. Weil starke Gewerkschaften angesichts niedriger Arbeitslosigkeit weltweit trotzdem Lohnerhöhungen durchsetzten, verfolgte damals zeitweise zu viel Geld zu wenig Güterangebot. Es kam zu einer Lohn-Preis-Spirale, in der höhere Preise höhere Löhne, und diese wiederum höhere Preise befeuern. 

Die ist heute nicht in Sicht. Worin soll denn – wenn die Pandemie überwunden ist – der Mangel bestehen, eine Zeitlang ausgelastete Flüge, vollere Hotels und Restaurants? Ein begrenzter einmaliger Preisanstieg ist dabei normal. Dass das zu dauerhafter Inflation führt, dafür ist diese spezifische Art des Konsums zu klein. Denn das meiste Geld geben Menschen für Lebensmittel, Wohnen und Verkehr aus. Weder national noch global ist ein Mangel an Arbeitskräften, Rohstoffen oder Kapital zu befürchten. Die hohe Arbeitslosigkeit wird die Lohnanstiege in Europa im Zaum halten. Wo Rohstoffpreise aktuell in die Höhe schießen, ist das ein Zeichen von Kapital auf der Suche nach Rendite, keines des Mangels.

 

Gleichzeitig haben wir Arbeitslosigkeit in Rekordhöhe. Für die Arbeitslosen und ihre Familien ist es eine existenzielle Frage, mit der Hälfte des Geldes auskommen zu müssen, es hat beträchtliche psychologische und gesundheitliche Folgen. Zu diesem Thema hört man zu wenig, zur reichlich akademischen Inflationsangst zu viel. Das Inflationsgespenst kommt indes mit einer Agenda: Einerseits lassen sich damit Finanzprodukte wie Bitcoin und Gold viel besser verkaufen. Andererseits wird ein Unbehagen über öffentliche Ausgaben und Investitionen ausgelöst. Dabei sind diese unverzichtbar, um den Wirtschaftsmotor zu starten. Die USA haben das verstanden und legen billionenschwere Konjunkturprogramme auf. In Europa fürchten wir uns dagegen lieber vor Gespenstern. Auch politisch ist das höchst problematisch. Denn Angst vor Inflation mag Vermögende zittern lassen. Doch dauerhafte Arbeitslosigkeit gefährdet die Fundamente der Demokratie, weil sie Populisten an die Macht bringt.

 

Der Text erschien zunächst am 31. März 2021 in der Tageszeitung "Die Presse".

Der "Covid Misery Index" - Wie schlecht geht es Österreich im internationalen Vergleich?

Das Wort "Lockdown" aus Scrabblesteinen geformt

Über ein Jahr ist seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 vergangen. Das Momentum Institut zieht nun mit einem eigens berechneten "Covid Misery Index" Bilanz, wie stark Österreich im internationalen Vergleich sowohl gesundheitlich, als auch wirtschaftlich getroffen wurde.

 

Der ursprüngliche Elends-Index (Misery Index) des amerikanischen Ökonomen Arthur Okun wurde erstmals in den 1960er-Jahren berechnet. Er diente als bewusst einfach konstruierte Messzahl dazu, sich einen schnellen, aber aussagekräftigen Überblick über den Zustand der Wirtschaft verschaffen zu können. Dafür wurden schlicht die Werte der Arbeitslosenrate und Inflationsrate addiert – je höher der Index, desto „elender“ die wirtschaftliche Gesamtsituation. Diverse Forscher haben seither den ursprünglichen Index erweitert, verändert, und an neue Fragestellungen angepasst. Das Momentum Institut hat nun einen eigenen Corona-Elends-Index berechnet. Dazu werden zwei gesundheitliche und zwei wirtschaftliche Messgrößen miteinander verbunden:  

  • Inzidenz 

  • Todesfälle 

  • Anstieg der Arbeitslosigkeit 

  • Rückgang des Bruttoinlandsprodukts 

 

Die Stichprobe setzt sich aus 32 OECD-Staaten zusammen. Angegeben wird der Index im Schulnotensystem. Innerhalb dieser Gruppe erreicht Österreich ein “Befriedigend” und liegt mit einem Wert von 3,22 auf Platz 17. Sechzehn der betrachteten Länder wiesen eine niedrigeren Wert auf und sind daher besser durch die Krise gekommen als Österreich. Staaten, die in ihrer Pandemiepolitik eine No-Covid/Zero-Covid-Politik verfolgten (z.B. Australien, Südkorea) verzeichnen die besten Noten (dank niedrigerer „Elends“-Werte) und liegen am unteren Ende der Reihung. In diesen Ländern waren sowohl die gesundheitlichen als auch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bis dato weniger dramatisch als in vielen anderen Ländern.  

In Österreich halten sich gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen in etwa die Waage. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit spielt in Österreich eine wesentlich geringere Rolle als die vergleichsweise schlechte Entwicklung des Wirtschaftswachstums. Grund dafür dürfte die weit verbreitete Kurzarbeit sein, die in Österreich bis dato viele ArbeitnehmerInnen in Beschäftigung gehalten hat. Besonders drastisch wirkt sich die hohe Arbeitslosigkeit hingegen auf den Indexwert der USA aus. Was den Einbruch des Wirtschaftswachstums angeht, liegt Österreich mit einem Minus von 6,6% im Jahr 2020 nur auf Platz 24. Das Schlusslicht in diesem Bereich bildet Spanien. Am besten schnitt indes Irland ab. Hier wuchs die Wirtschaft sogar im Vergleich zum Vorjahr. Im Bereich der beiden gesundheitlichen Messzahlen liegt Österreich im Mittelfeld der betrachteten Länder. Das Land, das sowohl die meisten Infizierten als auch Toten je 100.000 Einwohner zu verzeichnen hat, ist Tschechien. Am besten schnitten hingegen Australien und Südkorea ab.

 

Wie errechnet sich dieser Index nun genau? Die ersten zwei Variablen umfassen die kumulierte Anzahl an Corona-Infizierten je 100.000 Einwohner zwischen dem Ausbruch der Pandemie und dem Stichtag 13. März, sowie die kumulierte Anzahl der Corona-Todesfälle je 100.000 Einwohner zwischen Pandemiebeginn und dem 14. März 2021. Die wirtschaftlichen Variablen umfassen die Veränderung der durchschnittlichen Arbeitslosenrate (internationale Berechnungsmethode) zwischen den Jahren 2019 und 2020, sowie die Veränderung der realen Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes zwischen 2019 und 2020. Für jeden dieser vier Bereiche erhält ein Land einen Wert zwischen null (bester Wert) und 1,25 (schlechtester Wert). Der Wert ergibt sich aus der relativen Position eines Landes zwischen dem besten und schlechtesten Wert dieser Kategorie. Summiert man die einzelnen Werte auf, ergibt sich der „Covid Misery Index“, welcher genau einen Wert zwischen null und maximal fünf annimmt. Dies lässt sich nun auch auf eine Art “Schulnotensystem” umlegen. Ein glatter Einser kann erreicht werden, wenn ein Land in allen vier Kategorien am besten abschneidet.  Dies entspräche dann dem „minimalen Elend“. Die Note sechs hingegen bedeutet „maximales Elend“, also der Kombination aus den vier jeweils schlechtesten Werten aller Länder in den vier Kategorien Arbeitsmarkt, BIP-Rückgang, Todeszahlen und Inzidenz. Die Daten zu Infektions- und Todeszahlen stammen von “Our World In Data”, die beiden wirtschaftlichen Indikatoren von der OECD

 

Wichtig festzuhalten ist, dass es sich beim „Covid Misery Index“ um ein Resümee der Vergangenheit handelt. Es wird dabei im Grunde ein internationaler Vergleich der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie seit deren Ausbruch hergestellt. In der Zukunft kann sich dieses Ranking selbstverständlich ändern – eine erfolgreiche Impfstrategie bietet dafür im Moment das größte Potential, entscheidende Veränderungen mit sich zu bringen. Auch das Ausmaß und die Treffsicherheit staatlicher Hilfsprogramme wird für die Entwicklungen der kommenden Monate von hoher Bedeutung sein. 

Impfverzögerung kostet Österreich 7 Milliarden Euro

Eine Dosis des Astra Zeneca Immpfstoffes

Zumindest 7 Milliarden Euro kostet allein Österreich die schleppende Impfkampagne. Das zeigen Berechnungen des Thinktanks Momentum Institut. “Derzeit müssen wir davon ausgehen, dass Österreich im Vergleich zu den USA vier Monate mit der Durchimpfung der erwachsenen Bevölkerung zurückliegt”, analysiert Barbara Blaha, Leiterin des Momentum Instituts. Ein Hauptgrund für die Impfverzögerung ist die hohe Exportquote des Impfstoffes in der EU: Fast jede zweite in Europa produzierte Dosis geht ins Ausland.


Während die USA davon ausgehen, Anfang Mai alle Erwachsenen durchgeimpft zu haben, ist in Österreich mit einer Durchimpfung erst bis Ende August zu rechnen. Diese vier Monate bedeuten weitere Maßnahmen, die sich negativ auf das Bruttoinlandsprodukt auswirken. Für die Berechnung hat das Institut den Oxford Stringency Index (er misst die Schwere von wirtschaftlichen und persönlichen Einschränkungen) mit der BIP-Entwicklung der letzten Monate in Verbindung gesetzt. Die Kosten sind - wie zu erwarten - ein Vielfaches der Kosten der Impfstoffe.
 

Grafik/Berechnung: Quirin Dammerer

Bekommt Österreich die Infektionszahlen aber trotz des besseren Wetters nachhaltig nicht unter Kontrolle, wären weitere strengere Maßnahmen wie ein harter Lockdown notwendig. Dann könnten die Kosten für Österreichs Wirtschaft 12,5 Mrd. Euro betragen. 
 

Impfverzögerung: Jede zweite Impfdosis wird exportiert

Im Vergleich zu den Impf-Fortschritten in Großbritannien und den USA liegt die EU im Hintertreffen. Dafür gibt es einige Gründe, etwa die um einige Wochen spätere Zulassung der Vakzine. Hauptgrund für den Impfstoffmangel ist aber, dass 42 Prozent der in der Union produzierten Impfstoffe nicht für Impfungen in der EU zur Verfügung stehen. Während USA und Großbritannien die auf ihrem Territorium produzierten Impfstoffe zur Gänze selbst verwenden, hat die EU nach Angaben von Bloomberg rund 42 Millionen Dosen Impfstoff exportiert. Im Vergleich: 57 Millionen Dosen wurden in der EU verabreicht.
 

 

Quelle/Berechnung: Joel Tölgyes/Momentum Institut, Our World in Data, Bloomberg

Die Exporte der EU haben auch keine Entwicklungshilfe-Dimension: die meisten Dosen gehen an Großbritannien, Kanada, Japan und Mexiko. In Großbritannien stammt rund jede dritte verimpfte Dosis aus der EU.

Oliver Picek

Ein Corona-Jahr in 12 Grafiken

Gegenüberstellung der Corona-Maßnahmen und ihrer Bezahlung durch die Aufkommensstruktur unseres aktuellen Steuersystems

Laut einer Analyse des Momentum Instituts (Hehenberger/Picek, 2021) profitieren von den Corona-Wirtschaftshilfen größtenteils Unternehmen. Sie erhalten jeden zweiten Euro der Corona-Mittel. ArbeitnehmerInnen bekommen nur 3,7 von 10 Euros, tragen aber eine viel größere Steuerlast, um die Corona-Gelder abzubezahlen: Fast 8 von 10 Krisen-Euros stammen von Steuern auf Arbeit und Konsum; nicht mal 1 von 10 Euros gehen auf Steuern auf Vermögen(szuwächse) und Unternehmensgewinne zurück.  

Die finanziellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie-Folgen in Österreich begünstigen unterschiedliche EmpfängerInnen. Eine Gender-Budgeting Analyse des Momentum Instituts (Hehenberger/Pixer, 2021) verdeutlicht vor allem die ungleichen Auswirkungen auf Männer und Frauen. Aufgrund der Begünstigung verschiedener Branchen und LetztempfängerInnen  entsteht eine Auszahlungslücke: Von allen Corona-Maßnahmen, die bis 2024 laut Budgetbericht mit insgesamt EUR 58,03 Mrd. dotiert sind, erreichen nur rund 42% Frauen. Und sogar noch weniger, nämlich 39,8% aller Personen, die über die endgültige Verwendung der Mittel bis 2024 für sich selbst oder für andere entscheiden können, sind weiblich. 

Corona brachte Rekordarbeitslosigkeit. Wie massiv die Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt sind, zeigt sich in einem Vergleich der letzten Jahre, etwa mit der Finanzkrise nach 2008.

Die Kurzarbeit, eine Form der Arbeitszeitverkürzung von Angestellten bei gleichzeitigem Ausgleich der Lohnkosten durch den Staat, sicherte 2020 bis zu 1,2 Mio. Arbeitsplätze. Bis Dezember 2020 wurden 5,5 Mrd. Euro für die Kurzarbeit ausgegeben, besonders stark betroffen waren laut Daten des AMS jedoch wenige Sektoren: 25,5% (oder 1.399 Mio. EUR) aller Mittel flossen in die Branche „Herstellung von Waren“, 20,5% (oder 1.125 Mio. EUR) an den Handel und 11% (623 Mio. EUR) an die Gastronomie. Interessant ist außerdem der ungleiche Effekt auf Männer und Frauen: Laut einer Gender Budgeting Analyse des Momentum Instituts (Hehenberger/Pixer, 2021) fließen nur 39,5% der Gelder an Frauen. 

Auch jetzt ist die Maßnahme noch unerlässlich, um ArbeitnehmerInnen vor dem Jobverlust zu bewahren: Ende Jänner 2021 waren 470.000 Personen in Kurzarbeit gemeldet.1

1Quelle:https://www.ams.at/regionen/osterreichweit/news/2021/02/arbeitsmarkt-jaenner-covid-19-krise-laestt-arbeitslosigkeit-und-kurzarbeit-weiter-steigen  

 

 

Vor allem ArbeitnehmerInnen und Selbstständige leiden unter der Corona-Krise. Viele Beschäftigte sind in Kurzarbeit, weniger Stellenausschreibungen und steigende Arbeitslosigkeit durch Jobverluste zeichnen sich international als Folgen der Pandemie ab. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) berechnete die Arbeitsstunden, die im Vergleich zum Vorjahr aufgrund des Corona-Virus „verloren“ gegangen sind. Österreich befindet sich demnach im oberen Drittel beim coronabedingten Arbeitsverlust im internationalen Vergleich ausgewählter Länder. 

Als wohl häufigstes Maß für die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft wird der Verlust bzw. das der Rückgang des Bruttoinlandproduktes herangezogen. Der EU-Vergleich zeigt: Österreich erfuhr 2020 verhältnismäßig große Wirtschaftseinbußen. Obwohl seitens der Politik vielfach behauptet, ist dafür nicht allein der hohe Tourismusanteil in Österreich verantwortlich. Eine Analyse des Momentum Instituts (Picek/Huber, 2021) zeigt, dass vor allem das lange Zuwarten bei steigenden Infektionszahlen im Spätsommer und Frühherbst, wesentlich zum überdurchschnittlich starken Konjunktureinbruch im vierten Quartal 2020 beigetragen hat.

Um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufangen, schnüren Staaten unterschiedliche Maßnahmenpakete, die fehlende finanzielle Mittel zurück in den Wirtschaftskreislauf pumpen sollen. Laut Internationalem Währungsfonds variiert die Höhe der Staatshilfen beträchtlich im EU-Vergleich: Von 42,3% des Bruttoinlandsprodukts (Italien) bis hin zu 5,5% (Rumänien). Österreich befindet sich mit 11% im Mittelfeld. 

Die Schließung der Schulen im Rahmen der Pandemie bedeutete hohe Zusatzbelastungen nicht nur für Mütter und Väter, sondern auch für Kinder. Eine Befragung im Auftrag des Momentum Instituts verdeutlichte die Auswirkungen des Bildungsstands der Eltern auf die Kinder, die durch solche Extremsituationen ans Licht kommen: Je höher der Bildungsabschluss der Eltern, desto eher können sie ihre Kinder beim Distance Learning unterstützen. Besonders Kinder aus Haushalten mit geringerem Bildungsstand laufen deshalb Gefahr, bei Schulschließungen zurück zu fallen. 

Die erste Welle des Corona-Virus traf die Welt im Februar und März 2020 unvorbereitet und mit voller Wucht. Ein Jahr später befinden wir uns immer noch inmitten der Pandemie – jedes Land verzeichnet inzwischen unterschiedliche Fall- und Todeszahlen. Es zeigt sich anhand aktueller Daten (Stand: 08.03.2021) jedoch ein ähnlicher, intuitiver Trend: Sobald die Fallzahlen pro 100.000 Einwohner steigen, steigen tendenziell die Todeszahlen. Die in der Grafik ersichtlichen sehr großen Unterschiede in Fall- und Todeszahlen können zum Teil auf unterschiedliche Reaktionen in der Pandemiebekämpfung rückgeschlossen werden, wenn man die Strenge der Maßnahmen (angegeben als „Stringency Index“ der Oxford Universität, der basierend auf unterschiedlichen Indikatoren höher ist, je strenger die Maßnahmen sind) unterschiedlicher Länder vergleicht. So hat Australien, das auffällig geringe Infektions- und Todeszahlen aufweist, auch nach der ersten Welle einen hohen Stingency Index – ist also den strengen Maßnahmen treu geblieben. Österreich hingegen zeigt einen deutlichen Knick in der Strenge der Maßnahmen über den Sommer. Fehlende Maßnahmensetzungen können dementsprechend der Grund für höhere langfristige Fall- und Todeszahlen sein. 

Der internationale Vergleich zeigt, dass Österreich deutlich mehr Fälle als Deutschland oder Dänemark zu verzeichnen hatte. Auch die Rezession ist in Österreich stärker als in vielen anderen europäischen Ländern.

Die Pandemie zeigt nicht nur kurzfristige Auswirkungen auf Personen in Kurzarbeit, Jobverluste und verlorene Arbeitsstunden. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit, also die Anzahl der Menschen, die seit mehr als 12 Monaten keinen Job finden, steigt dramatisch. Laut neuesten Daten der Arbeitsmarktdatenbank befindet sich Österreichs Langzeitarbeitslosigkeit derzeit auf einem Rekordhoch: Im Februar 2021 befanden sich fast 180.000 Menschen seit mehr als einem Jahr auf Jobsuche, mehr als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten 17 Jahren. Eine alarmierende Zahl, für die sofort politische Gegenhandlungen gebraucht werden. 

Die Schließung der Schulen im Lockdown hat nicht nur Auswirkungen auf die Kinder. Eltern – vor allem Mütter – waren und sind durch Schulschließungen überbelastet. Eine Analyse des Momentum Instituts (Hehenberger/Muckenhuber, 2020) zeigt, dass das auch langfristige Folgen haben kann: Mütter verlieren durch einen geschätzten Verdienstentgang im Durchschnitt pro Kopf 5100 EUR an Lebenseinkommen. Bei Vätern sind es „nur“ 2500 EUR. In absoluten Werten, auf alle Eltern verteilt, bedeutet das einen finanziellen Unterschied von rund 800 Mio. EUR im Lebenseinkommen von Müttern und Vätern. 

Quirin Dammerer

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42 Milliarden Euro - so viel hat Österreich im Jahr 2020 auf dem Anleihenmarkt neu aufgenommen, nicht zuletzt, um die Kosten der Corona-Krise zu stemmen. Ein Problem? Mitnichten. Denn das Null- bis Negativzins-Umfeld führt dazu, dass die Anleihen allein im ersten Jahr 37 Millionen Euro Gewinn machen - für den Staat, nicht für die Gläubiger. Zusätzlich mindert die Inflation den Wert der künftigen Rückzahlungen. Berücksichtigt man die Inflation mit einer vorsichtig geschätzten Bandbreite zwischen 1 und 2 Prozent pro Jahr, muss die Republik real nur zwischen 80 und 91 Prozent des Wertes der Anleihen zurückzahlen.

Wir sollten uns also keine Sorgen um die Rückzahlbarkeit von Staatsschulden machen, sondern uns im Gegenteil fragen: Sind wir bereit, auch mit staatlichen Impulsen genug zu tun, um nach dem Ende der Gesundheitskrise den Konjunkturmotor neu zu starten und damit aus den Schulden herauszuwachsen? Alleine wird der Privatsektor zu schwach sein, um die nötige Nachfrage aufzubringen. Was sollte also passieren?

Noch nie war das Finanzierungsumfeld für neue öffentliche Projekte besser. Gleichzeitig haben wir einen massiven Bedarf nach Zukunftsinvestitionen, etwa in den Bereichen Klimaschutz, Daseinsvorsorge und Bildung. Die Ansichten zur Staatsverschuldung haben sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt. Führende Ökonominnen und Ökonomen an Universitäten, in Zentralbanken und bei internationalen Organisationen appellieren mittlerweile an Europa und andere Industrieländer, die Wirtschaft kräftig anzuschieben, bis wieder eine Art Vollbeschäftigung erreicht ist. Nicht zuletzt wirken Staatsausgaben und -investitionen in Krisenzeiten besonders effektiv, indem sie höhere Multiplikatoreffekte anstoßen.

Wir sollten deshalb einen staatlichen Investitionsfonds gründen und diesen mit ausreichenden Mitteln - eine Größenordnung sind etwa 15 Milliarden Euro - über Bundesanleihen ausstatten. Der Fonds sollte den öffentlichen Investitionsbedarf erheben, inklusive einer volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse. Dann kann unter den Projekten priorisiert und mit der Umsetzung begonnen werden - unter bestimmten Voraussetzungen auch in eigener Verantwortung, etwa im Bereich kommunaler Investitionen. Denn ohne eine zusätzliche Kraftanstrengung droht dort aus Geldmangel ein kommunaler Investitionsstau.

Am wichtigsten ist, dass etwas weitergeht. Die Mittelverwendung muss indes (anders als bei Vehikeln wie der Cofag) transparent erfolgen und der parlamentarischen Kontrolle unterliegen.

Zu tun gibt es jedenfalls genug: Wir müssen die Klimawende stemmen, öffentliche Gebäude besser wärmedämmen und mit Solarzellen bestücken, für das ganze Land neue Schienen und Züge bauen, unsere Kindergärten ausbauen, unsere Schulen vergrößern. Mit der Einrichtung des Fonds kann jetzt schon begonnen werden, um nach der unmittelbaren Gesundheitskrise bereitzustehen. Ob Österreich nach der Krise zu alter Prosperität zurückfindet, hängt auch vom Mut der Bundesregierung ab. Die kommenden Monate werden hier entscheidend sein.